Israel und Iran: Waffenruhe laut Konfliktforscher kein langfristiger Frieden
US-Präsident Donald Trump hat die Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran verkündet – und fast im selben Atemzug beiden Seiten vorgeworfen, sie gebrochen zu haben. In einer bizarren Abfolge von Statements erklärte Trump am Dienstag zunächst vor Journalist:innen in Washington, Teheran habe die Vereinbarung "verletzt", aber "Israel ebenfalls".
Wenige Minuten später verkündete er dann auf seinem Online-Netzwerk Truth Social, die Waffenruhe sei "in Kraft". Israel werde den Iran nicht weiter angreifen, alle Flugzeuge würden "abdrehen und heimkehren". Niemand werde zu Schaden kommen.
Gleichzeitig meldete die israelische Armee neue iranische Raketenangriffe. Und Teheran sprach von drei israelischen Luftschlägen nach Beginn der Feuerpause.
Trotz internationaler Unterstützung für die Vereinbarung – etwa durch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Russland – bleibt die Lage hochbrisant. Dass eine politische Einigung diesen Konflikt über Nacht beendet, hält der Marburger Friedens- und Konfliktforscher Thorsten Bonacker für unwahrscheinlich.
Konfliktforscher: Alle Seiten brauchen eine Erzählung
"Es ist natürlich eine unsicherere Lage. Man wird sehen müssen, ob der Waffenstillstand hält und in ein Ende des Kriegs mündet", sagt Bonacker auf Anfrage von watson. Dafür spreche seiner Einschätzung nach, "dass Israel und die USA plausibel behaupten können, ihre Kriegsziele erreicht zu haben".
Der Iran könne "gesichtswahrend in eine Waffenruhe eintreten". Auch Trump profitiere: "Er kann sich als Deal-Maker präsentieren, was ihm zuletzt gegenüber Russland nicht gelungen ist. Und Israel ist es gelungen, ihn dazu zu bewegen, in den Krieg mit einzutreten."
Hinzu kommt laut dem Experten: Ein längerer Krieg ist für den Iran kaum von Interesse: "Davon zeugt auch, auf welche Weise er auf die Angriffe den USA gegenüber reagiert hat, nämlich mit vorher angekündigten, wenigen Angriffen."
Dass sich beide Seiten gegenseitig Verstöße gegen die Waffenruhe vorwarfen, überrascht den Forscher nicht. Denn hinter den widersprüchlichen Aussagen stecke eine gezielte Strategie: "Beide Seiten brauchen jetzt Erzählungen, die sie als Gewinner – oder jedenfalls nicht als Verlierer – erscheinen lassen."
Israel und die USA könnten "plausibel behaupten, dass das Atomprogramm weitgehend zerstört wurde – das Ausmaß ist allerdings nach wie vor unklar". Der Iran wiederum könne seinerseits sagen, "er habe zurückgeschlagen".
Das eröffne die Möglichkeit, in Verhandlungen einzutreten – mit verändertem Kräfteverhältnis: "Ein Ziel des Krieges war, die Lage Irans in solchen Verhandlungen deutlich zu schwächen. Das ist fraglos erreicht worden."
Israel-Iran: Konfliktforscher sieht langfristigem Frieden skeptisch
In den kommenden Wochen werde es dem iranischen Regime voraussichtlich darum gehen, "die Macht nach innen zu festigen", sagt Bonacker. Denn: "Der Iran ist stark geschwächt und hat eine schlechte Verhandlungsposition." Eine Fortsetzung der Eskalation wäre demzufolge riskant: "Betreibt er weiter Eskalation, riskiert er weitere schwere Angriffe der Israelis."
Für die USA und Israel sei die Strategie eindeutig: "Sie wollen einen Frieden durch Stärke erreichen, der auf Abschreckung basiert. Sie haben dem Iran gezeigt, wozu sie willens und fähig sind."
Diese Abschreckung könne kurzfristig wirken – langfristig aber sei sie keine belastbare Grundlage: "Das mag kurzfristig dazu führen, dass der Iran auf Aggressionen verzichtet, aber er wird nach Wegen suchen, seine Lage zu verbessern. Insofern führt dies nicht zu einem langfristigen Frieden."
Bonacker blickt grundsätzlich skeptisch auf einen echten Frieden hinsichtlich der politischen Basis: "Ob dieser überhaupt mit einem Regime erreicht werden kann, das die Auslöschung eines anderen Staates – Israel – anstrebt, kann man ohnehin bezweifeln."