Die sanitären Bedingungen im Gazastreifen sind verheerend. Bild: dpa / Mohammed Talatene
International
20.10.2023, 18:0523.10.2023, 08:57
Israel befindet sich im Krieg. Am 7. Oktober griff die in Gaza regierende Terrorgruppe Hamas das Land überraschend an. Die Lage vor Ort ist unübersichtlich, die Situation komplex. Auch am Freitag setzen Israel und die Hamas die Raketenangriffe fort. Zudem bereitet sich Israel auf eine Bodenoffensive gegen die von der Hamas kontrollierten Gebiete vor. Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Israel besucht hatten, ist auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu Gesprächen nach Israel gereist.
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Israel-Krieg: Opfer in Zahlen
Seit Beginn des Krieges in Nahost sind offiziellen Angaben zufolge in Israel mehr als 1400 Menschen getötet und rund 200 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden, unter ihnen auch mehrere mit deutscher Staatsbürgerschaft.
Im Gazastreifen ist die Anzahl der Toten durch israelische Angriffe offiziellen Angaben zufolge auf etwa 4650 Menschen gestiegen. Mehr als 13.500 Personen seien verletzt worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. (Stand: 20. Oktober)
Windpocken, Krätze und Durchfallerkrankungen im Gazastreifen
Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) häufen sich im Gazastreifen Fälle von Windpocken, Krätze und Durchfallerkrankungen. Die sanitären Bedingungen sind verheerend. Laut UN-Nothilfebüro sei die Ursache, dass Menschen mangels genug Trinkwasser Wasser aus unsauberen Quellen schöpfen.
Die Lage würde sich verschlimmern, wenn nicht Wasser- und Sanitäreinrichtungen schnellstens wieder mit Strom oder Brennstoff versorgt würden. Nur so könnten sie wieder in Betrieb genommen werden. Israel hat die Versorgung des Gazastreifens nach den verheerenden Hamas-Überfällen vom 7. Oktober eingestellt.
Israel greift Ziel im Westjordanland an
In der letzten Nacht wurde das Westjordanland Ziel der israelischen Streitkräfte. Israel bombardierte die Al-Ansa-Moschee in Dschenin. Laut israelischen Angaben habe sich dort ein unterirdischer "Terrorkomplex" der islamistischen Hamas und des Islamischen Dschihad befunden. Terroristen hätten den Ort als Kommandozentrale genutzt.
Auch an der Grenze Israels zum Libanon gab es zuvor wieder gewaltsame Zwischenfälle. Das erhöht die Sorge vor einer Eskalation des Konflikts.
Dschenin im Westjordanland wurde Ziel eines israelischen Luftangriffs.Bild: Reuters / STRINGER
Israel: Rund 700.000 Menschen in den Süden Gazas geflohen
Laut Angaben des israelischen Militärs sind 700 000 Palästinenser:innen in den Süden des Küstenstreifens geflohen. Zuvor war die Zivilbevölkerung im nördlichen Gazastreifen zur Evakuierung aufgerufen worden. Der Armeesprecher Daniel Hagari forderte auch die in der Stadt Gaza und im Norden des Palästinensergebiets verbliebenen Zivilist:innen dazu auf, sich in das Gebiet südlich von Wadi Gaza zu bewegen. Das sei zu ihrem eignen Schutz.
Palästinenser:innen fliehen nach israelischen Luftangriffen.Bild: dpa / Mohammed Talatene
Israel will demnach die Angriffe auf Hamas-Ziele im nördlichen Abschnitt des Gazastreifens verstärken. Hagari erklärte: "Wir werden weiter Ziele angreifen, die eine Gefahr für Bodentruppen in den nächsten Kriegsphasen darstellen könnten". Schon jetzt wurden etwa 1,4 Millionen Menschen im Gazastreifen aus ihren Häusern vertrieben.
Hilfslieferungen nach Gaza laufen an
Im Gazastreifen sind erste Hilfslieferungen angelaufen. Lastwagen fuhren am Samstag von Ägypten in den palästinensischen Bereich des Grenzübergang Rafah, wie auf Bildern im ägyptischen Fernsehen zu sehen war. Demnach sollen Güter von 20 Lastwagen mit Arzneimitteln in den Gazastreifen geliefert werden. Es sind die ersten Lieferungen über Rafah seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas vor zwei Wochen. Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths geht davon aus, dass dem ersten humanitären Lkw-Konvoi nun zügig weitere folgen.
Bundeskanzler Scholz begrüßte die Lieferungen: "Es ist gut und wichtig, dass jetzt erste humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza kommt. Sie brauchen Wasser, Nahrung und Medikamente – wir lassen sie nicht allein", teilte er bei X mit.
Lastwagen mit Hilfsgütern fahren aus Ägypten ein.Bild: dpa / Mohammed Talatene
Hamas lässt erstmals zwei Geiseln frei
Zwei Wochen nach Beginn des Kriegs hat die Hamas erstmals zwei Geiseln freigelassen. Judith Tai Raanan und ihre Tochter Natalie Shoshana Raanan wurden von dem israelischen Brigadegeneral Gal Hirsch an der Grenze zum Gazastreifen in Empfang genommen. Fotos zeigen die Amerikanerinnen an der Seite von Hirsch. Die Hamas veröffentlichte außerdem ein Video der Übergabe.
Angehörige hoffen und bangen derweil weiter um die von der terroristischen Hamas entführten Geiseln. Als die Terroristen am 7. Oktober bei dem Großangriff auf Israel tausende Menschen im Süden des Landes töteten, verschleppten sie auch rund 200 Zivilist:innen, darunter auch mehrere Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft.
Um die Welt gingen etwa Video der deutsch-israelischen Shani Louk, die bei einem Musikfestival in Israel verschleppt worden war. In einer Aufnahme war ihr lebloser Körper auf einem Truck zu sehen. Um sie herum jubelnde Hamas-Mitglieder.
Orly Louk, Tante der 22-jährigen Shani Louk, sitzt auf einer Couch und zeigt ein Handyfoto ihrer Nichte. Bild: TNN / David Pichler
Ob die Geiseln leben oder tot sind, war bei vielen unklar. Am Freitag hat die israelische Armee eine Erklärung veröffentlicht, die Klarheit schaffen soll: Demnach ist die Mehrheit der rund 200 Geiseln der radikalislamischen Palästinenserorganisation am Leben.
Baerbock: Hisbollah darf Libanon nicht in den Krieg hineinziehen
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Hisbollah im Libanon vor einem Eingreifen in den Israel-Krieg gewarnt. "Hisbollah darf den Libanon nicht mit in diesen Konflikt hineinziehen", sagte Baerbock am Freitag bei einem Besuch in Tel Aviv. Sie warnte auch den Iran, schiitische Milizen im Irak und die Huthi-Rebellen im Jemen davor, "zu zündeln und aufs Trittbrett des Terrors zu springen".
Annalena Baerbock ist am Freitag zum zweiten Mal in einer Woche nach Israel gereist.Bild: dpa / Jörg Blank
"Der Terror ist das Grundübel", sagte Baerbock. "Der Terror der Hamas muss bekämpft werden, sonst wird es keinen Frieden geben und keine Sicherheit – weder für Israel noch für die Palästinenser." Andererseits werde neues großes Leid im Gazastreifen "nicht nur den Nährboden für neuen Terrorismus schaffen", sondern auch die bisher erreichte Annäherung mit den arabischen Nachbarländern Israels in Gefahr bringen.
Boris Pistorius hört Geschichte von Geisel – und hat Tränen in den Augen
Die Geschichte von Liri Romann und seiner Schwester, die von der Hamas entführt wurde, berührte Verteidigungsminister Boris Pistorius zutiefst. Trotz seines kurzen Besuchs in Israel nahm er sich die Zeit, sich persönlich mit Liri Romann zusammenzusetzen. In einem Gespräch von etwa einer halben Stunde, ohne Anwesenheit der Presse, hörte Pistorius Romanns Geschichte aufmerksam zu. Nach diesem Gespräch zeigte sich Pistorius sichtlich mitgenommen. Seine Augen waren von Tränen erfüllt, angesichts der Brutalität des Überfalls der Hamas. Nach dem Treffen sagte er: "Die Geschichte des jungen Manns hat mir die Tränen in die Augen getrieben, nicht nur vor Trauer, sondern vor allem vor Wut."
Israel, Tel Aviv: Boris Pistorius ist nach Israel geflogen und hat unter anderem Joav Galant, den Verteidigungsminister von Israel, getroffen.Bild: dpa / Fabian Sommer
Liri Romann hat den Ablauf der Entführung im Verteidigungsministerium genau geschildert, wie der "Spiegel" schreibt. So sei die Familie vor Jahrzehnten aus Deutschland nach Israel geflohen. Am vergangenen Samstag haben Kämpfer der Terror-Miliz Hamas seine Schwester Yarden in den Gazastreifen verschleppt. Sie war bei ihren Eltern im Kibbuz Beeri zu Besuch. Dort zogen plötzlich Hamas-Kämpfer durch den Ort, töteten wahllos alle, die ihnen begegneten, einige verschleppten sie. Auch Yarden.
Zunächst war es der Familie noch gelungen, aus dem Haus wegzuschleichen, bevor die Hamas-Kämpfer die Tür eintraten. Yaron blieb aber ein Stück zurück. "Irgendwann sahen sich die Eltern um, Yarons Mann hatte die kleine Tochter im Arm", sagt er laut "Spiegel" jetzt, "doch meine Schwester war nicht mehr hinter ihnen". Seitdem kein Lebenszeichen, keine Hinweise. Ob sie noch lebt, völlig ungewiss.
Liri Romann spricht im israelischen Verteidigungsministerium.Bild: dpa / Fabian Sommer
Eine Geschichte, die nicht nur Pistorius berührt. Doch er kann Romann nur wenig Hoffnung auf eine schnelle Lösung geben. Weder die israelischen noch die deutschen Behörden wissen zu diesem Zeitpunkt, wo die entführten Menschen im Gazastreifen festgehalten werden.
(mit Material von dpa und afp)