Jewgeni Prigoschin ist der Boss der Wagner-Gruppe. Einer seiner Söldner ist jetzt vor seinen Kameraden geflohen.Bild: AP / Uncredited
International
17.01.2023, 16:5021.02.2023, 12:38
Ein junger Mann rennt mitten in der Nacht um sein Leben. Bellende Hunde jagen ihn durch den tiefen Schnee. Schüsse sausen an seinem Kopf vorbei. Ein Wagner-Söldner ist auf der Flucht vor dem russischen Inlandsgeheimdienst.
Kurz vor 2 Uhr gelingt es dem russischen Staatsbürger, den Stacheldrahtzaun unweit der Stadt Nikel zu durchbrechen. Daraufhin beginnt seine spektakuläre Flucht nach Norwegen.
"Ich drehte mich um, ich sah Leute mit Taschenlampen in einer Entfernung von etwa 150 Metern. Sie rannten in meine Richtung. Ich lief am Wald entlang", erzählt der Russe per Telefon aus Oslo in einer Live-Aufnahme, die auf dem YouTube-Kanal von Gulagu.net veröffentlicht wurde.
An der Grenze zwischen Norwegen und Russland wurden Schüsse aufgrund eines flüchtenden Wagner-Soldaten abgefeuert (Symbolbild).Bild: Russian Defense Ministry Press Service
Die Menschenrechtsorganisation "Gulagu" wurde 2011 von dem russischen Menschenrechtsaktivisten Vladimir Osechkin gegründet. Ziel ist es, Korruption und Folter in Russland aufzudecken. Nun teilt ein Wagner-Söldner seine Geschichte – was für Russland durchaus prekär werden könnte.
Denn die "Gruppe Wagner" wird vor allem mit Folter, Vergewaltigungen und Mord in Verbindung gebracht. Sie gilt als skrupellos, brutal, mordlustig. Lange Zeit galt sie als "Schattenarmee" des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Doch da sie seit Monaten offen für Russland im Kampf um die Stadt Bachmut kämpft, kann auch Putin diese Verbindung nicht mehr leugnen.
Nun hat offenbar einer der Söldner die Seiten gewechselt und ist vor seinen Verantwortungen gegenüber der "Gruppe Wagner" geflüchtet.
Krieg in der Ukraine: Russischer Söldner erzählt von Flucht
"Ich hörte zwei Schüsse, Kugeln sausten vorbei. Ich zerbrach das Telefon und warf es in den Wald und rannte dann über eine gefrorene Eisschicht zum Licht der Häuser", erzählt der Mann weiter von seiner Flucht. Seine Verfolger ließen den Hund frei, aber er habe sich irgendwo in einem Draht in einer Schneewehe verheddert. "Wahrscheinlich hatten sie selbst Angst, mir nachzulaufen – das Eis war dünn", sagt der Söldner.
Über den gefrorenen Fluss Pasvik ergriff der Russe Flucht nach Norwegen (Symbolbild). Bild: IMAGO / imagebroker
Über den Fluss Pasvik brachte er sich in Norwegen in Sicherheit vor seinen Kameraden. Dort klopfte er an die Haustür eines Hauses und bat um Hilfe. Die norwegischen Militärgrenzschutzbeamten und Polizei nahmen den illegalen Grenzübergänger fest. Asylsuchende aus Russland werden normalerweise per Flugzeug von Kirkenes nach Oslo geschickt, so auch dieser Mann.
Kirkenes liegt im äußersten Nordosten Norwegens nahe der Grenze zu Russland.Bild: IMAGO/TT / ADAM IHSE
Ex-Söldner will gegen "Gruppe Wagner" aussagen
Brisant: Der ehemalige Söldner möchte Asyl beantragen sowie gegen die "Gruppe Wagner" aussagen. Und damit meint er vor allem gegen den Oligarchen und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, auch bekannt als "Putins Koch".
Laut "Gulagu.net" ist dies das erste Mal, dass ein ehemaliger Leiter einer kleinen Patrouillengruppe der "Gruppe Wagner" aus Russland nach Europa geflohen ist.
Oligarch und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist ein enger Verbündeter von Wladimir Putin.Bild: Pool EPA via AP / Sergei Ilnitsky
Die mit dem Kreml verbundene private Militärgruppe machte vergangenen November weltweite Schlagzeilen mit einem Video auf Telegram. Darin wurde die Hinrichtung eines ehemaligen russischen Gefängnisinsassen gezeigt, der auf die Seite der Ukraine übergelaufen ist, anstatt mit den Wagner-Kriminellen zu kämpfen. Der Mann wurde gefangen genommen und auf grausame Weise mit einem Vorschlaghammer totgeschlagen.
Der asylsuchende Wagner-Söldner könnte einer der ersten wichtigen Zeugen sein, wenn es darum geht, Prigoschin und seine "Gruppe Wagner" wegen Kriegsverbrechen anzuklagen.
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