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EU: Ursula von der Leyens Kommunikation liefert Russland Angriffsfläche

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Ursula von der Leyen sollte die Kommunikationsstrategie im Kampf gegen hybride Angriffe durch Russland anpassen.Bild: dpa / Frank Rumpenhorst
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Gefahr für die EU: Kommunikation von von der Leyen spielt Russland in die Hände

Russlands Drohnen und Cyberangriffe setzen Europa unter Druck – und ausgerechnet in Brüssel stolpert die EU über ihre eigene Kommunikation. Pannen im Medienteam von Ursula von der Leyen werden zum Risiko, weil sie im hybriden Krieg genau das befördern, was Moskau anstrebt: Zweifel und Misstrauen.
03.10.2025, 15:5203.10.2025, 15:52

Drohnen über Kopenhagen, GPS-Störungen in Osteuropa, Cyberattacken auf Parlamente: Europa erlebt den hybriden Krieg Russlands längst im eigenen Alltag. Beim EU-Gipfel in Dänemark forderte Ursula von der Leyen deshalb nichts Geringeres als einen "Schutzschild für unseren gesamten Kontinent". Ihr "Drohnenwall" soll feindliche Fluggeräte stoppen, noch bevor sie europäischen Luftraum verletzen.

"Wir werden getestet", warnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beim Treffen. Seine Botschaft: Die Drohnen über Dänemark und Polen sind nicht nur militärische Provokationen, sondern ein Stresstest für Europas Handlungsfähigkeit. Doch die Drohnen-Angriffe sind nur die Spitze der Eskalation der hybriden Angriffe. Der Informations- und Cyberkrieg läuft schon seit Langem, mit ständig steigender Intensität.

Laut dem Bericht ENISA Threat Landscape 2024 stieg die Zahl registrierter Vorfälle auf knapp 4900 innerhalb eines Jahres und viele Angriffe richteten sich gegen kritische Infrastruktur. Laut dem 3. EEAS-Threat Report vom März dieses Jahres haben Russland und China "massive digitale Arsenalstrukturen" aufgebaut, um gezielt Informations- und Desinformationskampagnen in der EU zu fahren.

02.10.2025, Dänemark, Kopenhagen: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor einem Treffen der Europäischen Politischen Gemeins ...
Die EU greift dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj unter die Arme.Bild: Ritzau Scanpix / Ida Marie Odgaard

Umso wichtiger ist für die Europäische Union und alle Partnerländer Glaubwürdigkeit, nach innen wie nach außen. Doch ausgerechnet Brüssel stolpert über die eigene Sprache. Akteur:innen aus Journalismus sowie Lobbyismus und sogar EU-Beamte klagen, dass es "noch nie so schwierig gewesen sei, die Wahrheit ans Licht zu bringen".

Fehlende Transparenz: Von der Leyens Kommunikationsapparat in der Kritik

Seit Beginn von von der Leyens zweiter Amtszeit häufen sich Beschwerden über verspätete oder widersprüchliche Presseunterlagen. Ein Beispiel: Als Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera im September eine bahnbrechende Entscheidung gegen Google hätte verkünden sollen, fehlte sie überraschend. Sprecher erklärten, sie habe einen frühen Flug nehmen müssen. Diese Begründung stellte sich später als falsch heraus.

04.03.2025, Belgien, Br�ssel: Teresa Ribera Rodriguez (l-r), EU-Kommissarin f�r Wettbewerb, Henrik Adam, Pr�sident von EUROFER (Wirtschaftsverband der europ�ischen Eisen- und Stahlindustrie), Ursula V ...
Teresa Ribera (l.) und Ursula von der Leyen am Hauptsitz der Europäischen Kommission.Bild: ZUMA Press Wire / Wiktor Dabkowski

"Wir sind die Exekutive Europas und verfügen über einen Kommunikationsdienst, der in puncto Pressearbeit nicht mit den Leistungen der Hauptstädte mithalten kann", sagte ein hochrangiger Kommissionsbeamter gegenüber "Politico". Dieses Defizit "führt dazu, dass die Kommission in puncto Transparenz infrage gestellt wird, weil die Journalisten ihre Arbeit nicht erledigen können".

EU im Visier Russlands: Kommunikationspannen öffnen Sicherheitslücke

In friedlicheren Zeiten wären solche Versäumnisse bloß ärgerlich und Ressourcen-fressend. Doch mitten im hybriden Krieg gegen Russland wirken sie wie eine Einladung an feindlich gesonnene Akteure.

Der Rat der Europäischen Union stellte im Sommer in einer offiziellen Erklärung klar, dass Moskau "umfassende, koordinierte und langjährige hybride Kampagnen" gegen Mitgliedstaaten und Partner führt. Genannt wurden Cyberangriffe auf Parlamente in Deutschland und Tschechien, die der GRU-nahen Gruppe APT28 zugeschrieben werden, sowie Manipulationen von Wahlprozessen der einzelnen Länder, zu sehen an der massiven Flut an Fake News und Bots vor der Bundestagswahl. Deutschland machte Russland zudem für Desinformation auf der Plattform RED verantwortlich.

Putin und sein hybrider Krieg gegen Europa: Destabilisierung als Ziel

Hybride Kriegsführung rückt erst seit dem Ukraine-Krieg auf den Schirm der meisten Politiker:innen. Expert:innen aber warnen schon lange. Der hybride Krieg, den Russland seit vielen Jahren gegen westliche Akteure führt, lebt davon, Vertrauen zu untergraben.

Wie unter anderem der Thinktank Atlantic Council im September analysierte, setzt Russland hybride Angriffe bewusst als Standardmodus ein, weil sie "unterhalb der Schwelle" bleiben. Sie ermöglichen damit Destabilisierung, ohne offen einen Krieg zu erklären.

Ein Bericht der E-International Relations zeigt, dass Russland zunehmend auch auf die Kommunikationsinfrastruktur setzt. Solche Sabotage ist weniger spektakulär als Raketenangriffe, aber in der kumulativen Wirkung hochwirksam. Dafür müssen wissentlich in Umlauf gebrachte Informationen nicht einmal glaubwürdig sein, die schiere Masse nährt nach Ansicht von Expert:innen bereits das Misstrauen.

EU macht sich mit intransparenter Kommunikation angreifbar

Für den Kreml sind Informationslücken und widersprüchliche Botschaften wie Blindgänger im Informationskrieg: Sie detonieren nicht sofort, aber ihre Wirkung kann noch lange später Vertrauen zerstören.

Wenn die EU selbst unklare Signale aussendet – etwa bei der Frage, ob russische Dienste das GPS eines Flugzeugs mit von der Leyen an Bord gestört hätten, verstärkt das die Zweifel. Die Logik ist einfach: Moskau muss keine neuen Falschmeldungen erfinden, wenn Brüssel selbst widersprüchliche Botschaften liefert.

Alberto Alemanno, Professor für EU-Recht in Paris, bringt es bei "Politico" auf den Punkt: "Dieses Phänomen der Zentralisierung der Kommunikation spiegelt eine tiefere Machtzentralisierung wider, die heute meiner Meinung nach viel leichter zu erkennen ist als vor zehn Jahren." In kritischen Momenten wird die Struktur zum Risiko: Pressearbeit verzögert sich, Aussagen müssen mehrfach genehmigt werden, obwohl im hybriden Konflikt jede Minute zählt.

Die Konsequenz: Kommunikation als Waffe

Gerade an der Debatte um den "Drohnenwall" zeigte sich, wie sensibel die Abstimmung zwischen Brüssel und den Hauptstädten ist: Während nordeuropäische und baltische Staaten auf Tempo drängen, mahnten andere Regierungen zur Vorsicht. Parallel dokumentieren CERT-EU-Lagebilder 2025 wiederkehrende, teils koordinierte DDoS-Kampagnen pro-russischer Akteure gegen Einrichtungen in der EU.

Der Rat der EU zählt solche hybriden Aktivitäten, von Desinformation bis Sabotage an Infrastruktur, inzwischen ausdrücklich zu den zentralen Bedrohungen unserer Zeit.

Wer diesen Konflikt ernst nimmt, muss Kommunikation als integralen Teil der Abwehr begreifen – nicht als Anhängsel. Denn jede Verzögerung, jede falsche Wortwahl, jeder unklare Pressetext wird in Echtzeit von Akteuren wie dem Kreml analysiert und verwertet. Kommunikationspannen sind nicht bloß PR-Fehler, sie sind Einfallstore.

Europa verstärkt gerade seine Sensoren, Abwehrsysteme und Finanzierungsstrukturen. Doch ohne einen Kommunikationsschild bleibt der "Drohnenwall" unvollständig. Von der Leyens "Schutzschild" für den Kontinent muss deshalb zweigleisig gedacht werden: militärisch ebenso wie kommunikativ.

Andernfalls riskiert die EU, dass ihre militärischen Schutzmaßnahmen ins Leere laufen, weil das Fundament politischer Verteidigung, das Vertrauen, erodiert. Für Russland ist jede widersprüchliche Pressemitteilung aus Brüssel bereits ein kleiner Sieg. Die Frage, ob die EU ihre Glaubwürdigkeit halten kann, wird im hybriden Krieg zur ersten Verteidigungslinie.

Schulfach Militär: Russland startet Unterricht mit Drohnen
In Russland lernen Kinder jetzt, Drohnen zu bauen und zu steuern – nicht zum Spielen, sondern für den Krieg. Eine neue Schule in Krasnodar zeigt, wie früh Patriotismus, Technik und Militarisierung miteinander verknüpft werden.
Seit Beginn des Angriffskriegs setzt Russland verheerende Drohnenangriffe auf Soldat:innen und Siedlungen ein. Unbemannte Fluggeräte haben sich längst auf beiden Seiten als zentrales Kriegsinstrument etabliert und prägen zunehmend auch den Alltag jenseits der Front.
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