In der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag das umstrittene Gesetz zur Mobilisierung von Soldaten unterzeichnet.Bild: imago images / IMAGO/Ukraine Presidency
International
Der Munitionsmangel erreicht einen kritischen Punkt in der Ukraine. Die russische Offensive nimmt stattdessen an Fahrt auf. Die Angst wächst, dass die gesamte Verteidigung der Ukraine zusammenbrechen könnte.
Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt seit Wochen, dass seinem Land eine Niederlage drohe, sollte es nicht die notwendige Hilfe aus dem Westen erhalten. Derzeit halten etwa die Republikaner im US-Repräsentantenhaus das Hilfspaket auf.
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Immerhin setzt sich Sprecher Mike Johnson nun durch und will die Ukraine-Hilfen verabschieden – wobei er seinen eigenen Posten aufs Spiel setzt. Denn ultrarechte Trump-Verbündete, wie etwa Marjorie Taylor Greene, drohen, ihn zu stürzen.
Während die einen Politik spielen, kämpfen die anderen ums nackte Überleben. Die Verluste der Ukraine müssen ausgeglichen werden. Am 16. April unterzeichnet Selenskyj daher ein Gesetz zur Verschärfung der Mobilisierungsverfahren des Landes.
Das kommt allerdings nicht bei allen Menschen in der Ukraine gut an.
Ukraine: Mann versteckt sich – "Er will nicht sterben"
"Er hat sich in einer Mietwohnung verschanzt; er traut sich nicht, die Vorhänge zu öffnen oder nach draußen zu gehen, weil er Angst hat, dass sie ihn mitnehmen", erzählt eine Ukrainerin von ihrem Mann im Gespräch mit der Kreml-kritischen Zeitung "Meduza". Sie möchte anonym bleiben.
Ein verletzter Soldat wird ins Krankenhaus gebracht. Bild: AP / Libkos
Aus Angst vor der Einberufung habe ihr Mann Kiew verlassen und zog in eine andere Stadt. Dort verstecke er sich nun. "Er will nicht sterben. Wozu auch? Es ist kein Ende in Sicht", meint sie. Er warte auf die Möglichkeit, irgendwie über die Grenze zu kommen, damit er endlich wieder ein normales Leben führen kann, anstatt sich zu verstecken.
Sie hätte bereits einen Bekannten, der im Krieg ist und es angeblich bereue. "Er meldete sich freiwillig, um im Februar 2022 an die Front zu gehen, aber jetzt bereut er seine Entscheidung und rät all seinen Freunden davon ab, [Anm.d.Red zum Militär zu gehen]. Sie werden ihn nicht mehr freilassen", zitiert "Meduza" die Ukrainerin.
Mobilisierungsgesetz soll Verluste der Ukraine ausgleichen
Fakt ist: Nach mehr als zwei Jahren Krieg verzeichnet die ukrainische Armee massive Verluste und hat große Schwierigkeiten, weitere Soldaten zu rekrutieren. Das Mobilisierungsgesetz soll dem entgegenwirken. Zum einen sieht es härtere Strafen für Kriegsdienstverweigerer vor. Zum anderen soll die Einberufungsprozedur erleichtert werden, indem ein digitales System eingeführt wird.
Einen Tag vor der Verabschiedung durch das Parlament war zudem ein Passus gestrichen worden, der eine Entlassung von Soldaten aus der Armee vorgesehen hatte, die 36 Monate gedient haben.
Diese Änderungen empfinden viele Ukrainer:innen laut "Meduza" sehr enttäuschend. Vor allem die Streichung der "Demobilisierungsklausel" stößt vielen sauer auf.
Selenskyj-nahe Quelle: "Es ist keine Überraschung"
"Wenn eine Person in die Armee eintritt, wird sie im Grunde genommen zum Sklaven", sagt eine weitere Frau aus Kiew gegenüber "Meduza". Auch sie möchte ihren Namen nicht preisgeben. Laut ihr erzählt man sich in der Ukraine folgenden Witz: "In der Armee hast du drei Möglichkeiten – Fracht 200 [Särge im Transport], Fracht 300 [verwundete Soldaten im Transport] oder eine militärische strafrechtliche Verurteilung."
Fracht 200 (oder auch Cargo 200) ist ein militärisches Codewort, das für den Transport gefallener Soldaten verwendet wird.
"Aber wir sind nicht Russland, was die Bevölkerungszahl angeht", zitiert "Meduza" eine dem Büro von Selenskyj nahestehende Quelle. Solange ein Krieg herrsche, sei eine Demobilisierung in der Ukraine unmöglich. Aber man verstehe die Unzufriedenheit in der Gesellschaft, heißt es.
"Es ist keine Überraschung – mehr als zwei Jahre in den Schützengräben, ohne klare Perspektive. Natürlich sind die Leute nicht gerade scharf darauf, in die Armee zu gehen", sagt die Quelle.
Nicht jeder wolle kämpfen, manche haben eine ganz andere Vorstellung von ihrer Zukunft.
Allerdings riskieren weiterhin zahlreiche Männer und Frauen in der Ukraine ihr Leben für ihr Land. "Wir kämpfen oder sterben, eine andere Option gibt es nicht. Selbst dann sollte die Unterstützung für unser Land schwinden", sagt die ukrainische Soldatin Yaryna Chornohuz in einem früheren watson-Gespräch.
Auch ihr Kamerad Yuliy Terekhov betonte im Gespräch, er und seine Kamerad:innen seien zwar keine Roboter, aber "extrem motiviert" und die Zivilist:innen sehr widerstandsfähig. Seine 6-Jährige Tochter gebe ihm Kraft durchzuhalten, sowie die Angst, was aus ihr und seinem Land wird, sollte Russland den Krieg gewinnen.
(Mit Material der afp)
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