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International
Ein Raketentest in Russland ist mächtig schief gelaufen. Mehrere Menschen sind am Donnerstag bei einer Explosion am Weißen Meer gestorben. Fragen rund um den Vorfall gibt es viele – aber zum Teil nur wenig überzeugende Antworten.
Was genau ist passiert?
Zu dem Vorfall kam es am vergangenen Donnerstag in der Nähe der Hafenstadt Sewerodwinsk nahe Archangelsk. Auf einer Plattform im Meer testete das russische Militär eine Rakete. Es kam zur Explosion. Sie ereignete sich laut der russischen Atombehörde Rosatom, als Treibstoff in Brand geriet. Mindestens fünf Menschen starben.
Wieviel Strahlung wurde freigesetzt?
Bei der Explosion ist über einen längeren Zeitraum als
bislang bekannt radioaktive Strahlung freigesetzt worden. Der
natürliche Wert sei in der Spitze um das 16-fache überschritten
worden, teilte der russische Wetterdienst Rosgidromet am Dienstag
mit. Erhöhte Werte seien innerhalb von zwei Stunden gemessen worden.
Die Verwaltung der nordrussischen Stadt Sewerodwinsk am Weißen Meer
hatte zuvor lediglich von einem kurzzeitigen Anstieg von bis zu einer
Stunde gesprochen. Viele Menschen reagierten besorgt und deckten sich
danach mit Jodtabletten ein. Es gab auch im Ausland die Befürchtung,
dass die russischen Behörden – wie in der Vergangenheit – nicht über
das wahre Ausmaß informiert hätten.
Der Wetterdienst gab den Höchstwert der atomaren Verstrahlung mit
1,78 Mikrosievert pro Stunde an. Der natürliche Wert im Raum von
Sewerodwinsk liege bei 0,11 Mikrosievert. Die Umweltorganisation
Greenpeace sprach unter Berufung auf die Stadt von 2,0 Mikrosievert
pro Stunde. Deren Experten hielten den Wert "an sich für nicht
dramatisch". Es komme vielmehr darauf an, welche strahlenden Stoffe
freigesetzt worden sein. Dazu gebe es aber keine offiziellen Angaben.
Wurde ein Dorf evakuiert?
Der Kreml versicherte, dass alle Behörden die vollständige Sicherheit
der Bevölkerung gewährleistet hätten. "Daran sollte kein Zweifel
bestehen", sagte Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.
Doch Zweifel an der offiziellen Version des Kremls nähren die Nachrichten aus Russland und die Informationspolitik des Kreml zweifellos. So berichtet der US-Sender CNN unter Berufung auf die staatliche Nachrichtenagentur RIA-Novosti, ein Dorf nahe der Unglücksstelle sei evakuiert worden.
Die Verwaltung des zuständigen Gouverneurs dementierte diese Berichte. "Das ist völliger Unsinn", hieß es.
Dagegen empfahl die Stadt Sewerodwinsk den Dorfbewohnern, ihre Häuser
während der Arbeiten auf dem Testgelände vorübergehend zu verlassen.
Sollten Moskauer Bürger vor Strahlung geschützt werden?
Christian Esch, Moskaukorrespondent des "Spiegel", berichtete am Dienstag zudem von einer rätselhaften Tatsache, nach der "in Moskau die Ausstrahlung aller Fernsehkanäle am Donnerstagabend unterbrochen wurde".
Stattdessen sei eine Sturmwarnung ausgestrahlt worden, die Moskauer seien aufgefordert gewesen, in ihren Wohnungen zu bleiben. Allein: "Der Sturm blieb aus", berichtete Esch. Er stellt die Vermutung an, die Menschen hätten "ohne ihr Wissen vor Radioaktivität geschützt werden" sollen.
Gab es einen Test einer nuklear betriebenen Rakete?
US-Spezialisten vermuteten bereits kurz nach dem Zwischenfall, dass
Russland an einer neuen atomar betriebenen Rakete arbeitet. Jeffrey Lews, Rüstungskontrollexperte am Middlebury Insitute of International Studies in Monterey, twitterte am vergangenen Donnerstag ein Satellitenbild, das einen russischen Frachter für Nukleartreibstoff zeigen soll.
Präsident
Donald Trump twitterte dazu am Montag, die Explosion habe die Menschen in der
Umgebung und darüber hinaus beunruhigt. Trump meinte, sein Land lerne aber viel aus der Explosion. "Wir haben eine ähnliche, wenn auch weiter fortgeschrittenere Technologie." Er erwähnte dabei einen
möglichen Namen des Raketentyps: "Skyfall".
Kremlsprecher Peskov wollte die Berichte über einen angeblichen Test der "Skyfall"-Rakete nicht bestätigen, versuchte stattdessen, den USA die Erforschung solcher Raketen zu unterstellen. In Bezug auf Trumps Tweet sagte er: "Es wäre doch sehr merkwürdig, wenn ein Land, eine Supermacht, die mehr in ihre Verteidigung investiert, als alle anderen Länder zusammengenommen, nicht in solchen Projekte involviert wäre."
Die "New York Times" hatte zuvor berichtet, US-Geheimdienste vermuten
dahinter den von der Nato als SSC-X-9 "Skyfall" bezeichneten
Marschflugkörper. Dieser werde atomar betrieben und könne deshalb
besonders weit fliegen. Kremlchef Wladimir Putin hatte im vergangenen
Jahr neue Waffen angekündigt, darunter einen atomgetriebenen
Marschflugkörper. Ob es sich aber bei dem Test auf dem Militärgelände
um genau diesen Waffentyp handelte, blieb unklar.
Rosatomchef Alexej Lichatschow hatte bei der Trauerfeier für die
getöteten Experten lediglich gesagt, die Arbeit an neuen Waffentypen
werde zu Ende geführt. Details nannte er nicht. Präsident Putin hingegen schlug die Getöteten für staatliche Auszeichnungen vor und kündigte ein Denkmal zu ihren Ehren an.
(pcl/mit dpa)
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