Zehntausende Soldat:innen sind bereits gefallen. Genau davor haben viele andere Angst und wollen nicht an die Front.Bild: AP / Evgeniy Maloletka
International
Es ist 5 Uhr morgens, der Höllenlärm von Explosionen ertönt, Menschen schreien, Häuser stürzen ein. Der Beginn der russischen Invasion in die Ukraine im Jahr 2022.
Damals erzählte der 37-jährige Anwalt Oleksii Zadoienko, Vater zweier Kinder, seine Geschichte über die Flucht seiner Familie vor dem Krieg bei watson. Er wollte seine Kinder und seine Frau außer Landes bringen. Und dann zurückkehren, um zu kämpfen.
So ging und geht es vielen Ukrainer:innen. Zahlreiche Menschen an der Front müssen wegen schweren Kriegsverletzungen behandelt werden und kehren trotzdem wieder zurück, um weiterzukämpfen. Sie geben nicht auf.
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Doch es gibt auch die Geschichten von Menschen, die nicht kämpfen wollen. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Nicht aber, weil sie den russischen Machthaber Wladimir Putin unterstützen. Der "Bild"-Journalist Paul Ronzheimer hat für seinen gleichnamigen Podcast mit drei von ihnen gesprochen.
Junger Ukrainer berichtet von Angstzuständen
Es ist eine Sache, darüber zu sprechen, dass man kämpfen will. Doch zu argumentieren, dass man nicht an die Front möchte, ist vermutlich weitaus schwieriger.
Das stellte auch Ronzheimer im Rahmen seiner Recherche fest. Dennoch fand er drei Ukrainer, die mit ihm über ihre Einstellung zum Kampf an der Front sprachen. Offizielle Zahlen gibt es hierzu nicht.
Im Gegenteil: Die Ukraine forderte sogar kürzlich andere Länder dazu auf, flüchtige Männer, die an der Front kämpfen müssten, auszuliefern. Denn weigert man sich, den Kriegsdienst anzutreten, kann man dafür festgenommen werden und unter Umständen an die Front gezwungen werden.
Einer von denen, die nicht an die Front möchten, ist Artem. Er ist 22 Jahre alt, schlaksig, Informatiker. "Ich wäre nicht in der Lage, länger als eine Woche zu überleben", urteilt Artem über sich selbst, als er darüber sprach, ob er sich vorstellen kann, wie es an der Front ist.
Direkt an der Frontlinie zu kämpfen, können sich viele Menschen in der Ukraine nicht vorstellen.Bild: AP / LIBKOS
Artem hat Angst. Angst gefangen genommen oder gefoltert zu werden und das, obwohl er sich aktuell weit weg von der Frontlinie befindet. "Das ist wirklich sehr belastend für mich", sagte er. "Ich spüre schon den Stress, wenn ich nur daran denke".
"Was denkst du?", wollte Ronzheimer von dem jungen Ukrainer wissen. "Ich zittere nur. Ich muss Pillen gegen meine Angst nehmen", das sei alles, was er sagen könne, antwortete Artem. Was ihm am meisten Angst mache? "Ich bin sicher, dass die Russen sehr blutrünstig sind. Ich weiß, dass sie sehr viele schlimme Dinge tun."
Wenn er auf der Straße angehalten würde und zur Armee müsse, würde Artem versuchen, mit den Soldat:innen zu verhandeln, erklärte er. Er würde mit seinem Kopf helfen wollen, nicht mit Waffen an der Front.
Ein Priester, der im Ukraine-Krieg plötzlich schießen will
Auch Boris hatte Angst. Er wollte nicht kämpfen, ist eigentlich Priester. Doch sein Fluchtversuch scheiterte. Er musste sich entscheiden: Entweder Knast oder Front. Boris entschied sich für die Front.
"Die Ausbildung dauerte drei Tage. Insgesamt waren wir fünf Tage in der Kaserne. Man hat uns gezeigt, wie man mit einer Kalaschnikow umgeht, wie man schießt, wie man die richtige Position auswählt, wie man im Sitzen und Liegen schießt, wie man das Gewehr auseinander und wieder zusammenbaut."
Und weiter: "Allerdings haben wir es nicht geschafft, zu schießen. Dazu gab es keine Gelegenheit. Sie haben es uns nur gezeigt. Und dann ging es an die Front."
Die ersten paar Monate sei Boris hinter der Front gewesen, doch das war ihm zu langweilig. Er wollte kämpfen.
Wie, das habe er sich selbst beigebracht, erzählte der Ukrainer. Inzwischen ist Boris seit eineinhalb Jahren an der Front, obwohl er nie kämpfen wollte. Mittlerweile hat der die Einheit allerdings erneut gewechselt. Weg von der Front.
Zehntausende Soldat:innen sind im Krieg verwundet worden – viele kehren dennoch an die Front zurück.Bild: AP / Evgeniy Maloletka
Dass er einmal kämpfen müsste, dachte auch Oleksyj nicht in seinem Leben. Denn er ist eigentlich Pazifist. Ronzheimer umschreibt ihn in seinem Podcast als entspannten Hippie. Allerdings hat er auch eine eigene Verschwörungs-Theorie zum Krieg: Die Regierung wolle die männliche Bevölkerung reduzieren.
Den Einberufungsbescheid hat Oleksyj sogar schon bekommen. "Ich bin rausgegangen, um einzukaufen. Normalerweise schaue ich mich immer nach allen Seiten um, aber dieses Mal war ich in mein Handy versunken. Und 30 Sekunden später standen vier Soldaten mit Maschinenpistolen um mich herum und haben gesagt, dass hier mein Bescheid ist. Also habe ich ihn genommen, andere Möglichkeiten hatte ich ja nicht."
Allerdings hat er ihn einfach ignoriert, wie er erzählte. Der Ukrainer hat sich danach einfach nirgends gemeldet und hat auch nicht vor, das zu ändern. "Auf keinen Fall", sagte er. "Viele Menschen sind als Krieger geborgen und spüren das. Ich spüre, dass ich kein Krieger bin. Ich bin ein Hippie. Peace and Love."
Nach dem Ampel-Aus war abzusehen, dass die Rot-Grüne Minderheitsregierung ohne ihren Ex-Partner FDP nicht mehr viele Projekte im Bundestag umsetzen kann. Denn auch die Union zeigte bei den meisten Themen wenig Interesse an einer Zusammenarbeit.