Wer auf Weltkarten die Welt betrachtet, blickt nicht nur auf gezeichnete Linien, Flächen und Farben. Man sieht auf territoriale Ansprüche, auf historische Wunden, auf Kränkungen, die nie vernarbt sind. Kaum ein Instrument der internationalen Kommunikation ist so sensibel wie die grafische Darstellung nationaler Grenzen.
Besonders gilt das für Regionen, in denen Grenzziehungen nicht nur politische, sondern auch emotionale Tiefenschärfe haben.
Am Freitagabend hat sich nun ein empfindlicher, kartografischer Affront ereignet. Die israelischen Streitkräfte (IDF) veröffentlichten auf X eine Weltkarte, die Iran als "globale Bedrohung" markieren sollte, versehen mit konzentrischen Kreisen in Rot, die von Teheran ausgehen und die Reichweite iranischer Raketen visualisieren sollten.
Die IDF rechtfertigte in ihrem Beitrag die Angriffe auf militärische Ziele im Iran am Freitagmorgen. Darin heißt es: "Der Iran ist eine globale Bedrohung. Israel ist nicht das Endziel, es ist nur der Anfang. Wir hatten keine andere Wahl als zu handeln."
Doch inmitten der geopolitischen Botschaft fiel vielen Nutzer:innen in Indien ein anderer, aus ihrer Sicht schwerwiegender Fehler auf: Die Karte zeigte die Grenzen Indiens falsch – insbesondere Jammu und Kaschmir war fälschlicherweise als pakistanisch dargestellt.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. "Jetzt versteht ihr, warum Indien neutral bleibt. In der Diplomatie ist niemand wirklich dein Freund", kommentierte ein Nutzer.
Andere forderten die IDF direkt auf, die Karte zu löschen, zu korrigieren und erneut zu posten. Selbst Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wurde in mehreren Kommentaren markiert.
Die israelische Armee reagierte etwa 90 Minuten nach Veröffentlichung: "Dieser Beitrag ist eine Illustration der Region. Diese Karte stellt die Grenzen nicht genau dar. Wir entschuldigen uns für jede Beleidigung."
Eine formelle Reaktion der indischen Regierung steht bisher aus. Doch die Grundhaltung ist unmissverständlich: Indien betrachtet Jammu und Kaschmir sowie Ladakh ungeachtet pakistanischer und chinesischer Ansprüche als integrale Bestandteile seines Staatsgebiets.
Erst im Mai hatte Premierminister Narendra Modi diese Position nach einem Terroranschlag in der indischen Stadt Pahalgam erneut bekräftigt.
Dass dieser Vorfall ausgerechnet mit Israel geschieht, einem Land, zu dem Indien in den vergangenen Jahren intensive Beziehungen aufgebaut hat, erhöht die diplomatische Brisanz. 2017 war Modi der erste indische Regierungschef, der Israel besuchte.
Heute gehört Indien zu den größten Abnehmern israelischer Rüstungsgüter. Auf Tel Avivs Rangliste der Handelspartner steht es hinter den USA, dem Vereinigten Königreich, Hongkong und China.