Jacinda Ardern kann nicht mehr. "Der Tank ist leer", sagte Neuseelands Ministerpräsidentin am Donnerstag unter Tränen. In zweieinhalb Wochen wird Ardern ihr Amt niederlegen, am Sonntag will die Labour-Partei über ihre Nachfolge bestimmen.
Mit ihrer Rücktrittsankündigung hat Ardern, die 2017 im Alter von 37 Jahren zur jüngsten Ministerpräsidentin der Welt gewählt wurde, viele überrascht. Die Sozialdemokratin saß fest im Sattel und war aufgrund ihres erfolgreichen Krisenmanagements und ihrer sympathischen Art sehr beliebt.
Wie sich Ardern aus dem Amt verabschiedet hat – freiwillig und aus Gründen der mentalen Gesundheit – ist untypisch für einen Politiker:innen-Rücktritt. Die meisten Machthaber:innen stolpern über Skandale und klammern sich dann so lange an ihren Posten, bis auch der letzte Rückhalt gebröckelt ist.
Nicht nur in der Politik, auch im Sport und in anderen Bereichen ist dieses Muster zu erkennen. Hin und wieder gibt es aber Rücktritte, die – wie Arderns Abschied – aus der Reihe fallen. Wie vielfältig Rücktritte sein können, zeigt schon der Blick in die jüngere Vergangenheit.
Nach nur sechs Wochen im Amt ist die britische Premierministerin Liz Truss im Herbst 2022 zurückgetreten. Sie hatte mit ambitionierten Steuersenkungsplänen für Chaos an den Finanzmärkten gesorgt. Auch die anschließende Kehrtwende konnte ihre politische Reputation nicht mehr retten. Nachdem sich selbst ihr eigenes Kabinett gegen sie gewandt hatte, sah sich die konservative Politikerin gezwungen, abzudanken.
Truss' Vorgänger Boris Johnson fällt in die Kategorie derjenigen, die sich bis zuletzt mit aller Macht an ihr Amt geklammert haben. Doch nach zahlreichen Skandalen musste auch der exzentrische Premier im Juli 2022 seinen Posten räumen. Wegen illegaler Lockdown-Partys während der Pandemie stand er monatelang in der Kritik.
Das Fass zum Überlaufen brachte dann eine Affäre um Johnsons Parteikollegen Chris Pincher, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Obwohl Johnson um die Anschuldigungen wusste, hievte er Pincher in ein wichtiges Fraktionsamt.
Diese Nachricht ist im Oktober 2021 eingeschlagen wie eine Bombe: Die österreichische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen des Verdachts der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung. Kurz und seine Mithelfer:innen werden verdächtigt, mit Steuergeldern positive Berichterstattung und geschönte Scheinumfragen für Kurz' Partei ÖVP erkauft zu haben. Wenig später dankte der Kanzler ab.
Bei DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff, der seinen Job nach dem WM-Vorrundenaus der deutschen Nationalmannschaft im Dezember 2022 hingeworfen hatte, sah die Lage wieder anders aus. "Ich mache damit den Weg frei für neue Weichenstellungen", begründete Bierhoff seinen Rücktritt nach 18 Jahren beim DFB.
Was keiner der Funktionär:innen aussprechen wollte, für viele Beobachter:innen aber klar war: Bierhoff musste gehen, weil der DFB dringend ein Zeichen der Neuausrichtung senden musste. Schließlich ist die Stimmung rund um die Nationalmannschaft schlecht wie lange nicht. Ein Nachfolger für den geschassten Geschäftsführer steht immer noch nicht fest.
Einige Wochen vor Bierhoff hatte sich mit Sebastian Vettel einer der größten deutschen Rennfahrer aller Zeiten verabschiedet. Die Gründe dafür hat der viermalige Formel-1-Weltmeister in einem nachdenklichen Social-Media-Video offengelegt: Er wolle künftig mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und seine Kinder aufwachsen sehen. Zudem lasse sich sein Job als um die Welt jettender Rennfahrer nicht mehr mit seinen Ambitionen als Klimaaktivist vereinbaren.
Vor circa einem Jahr war es Borussia Mönchengladbachs damaliger Sportchef Max Eberl, der dem deutschen Fußball den Spiegel vorhielt. Unter Tränen sprach er über die seelische Belastung, der er als Fußballfunktionär ausgesetzt war und unter der er letztendlich zusammengebrochen ist. "Was in 24 Stunden gemacht wird, was gesprochen wird und spekuliert wird, das ist das, was mich krank macht", offenbarte Eberl.
Dass ein Rücktritt nicht endgültig sein muss, hat NFL-Superstar Tom Brady gezeigt. Gerade mal anderthalb Monate hat es der mit sieben Super-Bowl-Siegen erfolgreichste Footballer aller Zeiten im Ruhestand ausgehalten, eher er im März 2022 seine Rückkehr auf den Platz verkündet hatte. "Ich habe erkannt, dass mein Platz immer noch auf dem Feld ist und nicht auf den Rängen", schrieb Brady bei Instagram. Die Zeit für den endgültigen Rückzug werde kommen: "Aber jetzt ist es nicht so weit."
Am royalen Rückzug von Prinz Harry und Herzogin Meghan zeigt sich wiederum, was ein Rücktritt nach sich ziehen kann. Seit sich das Ehepaar im Januar 2020 vom britischen Königshaus losgesagt hat, trägt es eine echte Schlammschlacht mit der Königsfamilie aus. Harry und Meghan werfen einigen der Royals Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus vor. Befeuert wird das Familiendrama von der britischen Boulevardpresse, die täglich neuen Stoff für den Grabenkrieg findet.