Politik und Fußballfunktionäre atmen auf: Der Journalist Hajo Seppelt darf nun doch zur WM nach Russland reisen.
Einreiseerlaubnis erteilt. Pressefreiheit gerettet.
Mitnichten.
Denn: Der Vorgang wirkt wie eine Art der Begnadigung von russischer Seite. Pressefreiheit staatlich abgesegnet – und auf Zeit.
Die russischen Behörden zeigen sich gnädig, so die Botschaft, im besten Falle einsichtig. Dabei ist der Fall ein Vorgeschmack darauf, wie mit kritischen Journalisten in Russland umgegangen wird.
Zunächst wurde Hajo Seppelt das Visum verweigert. Der Ausschluss hatte Kritik bei deutschen Politikern und dem DFB hervorgerufen.
Die ARD kritisierte diesen Vorgang als "Angriff auf die Pressefreiheit". Gegenüber watson sprach Seppelt von einem "beispiellosen Vorgang".
Die Kehrtwende auf russischer Seite verkaufte die Bundesregierung dann als "Zwischenerfolg".
Aber ist es das wirklich?
Soll jetzt jedes Mal Heiko Maas aktiv werden, wenn kritischen Journalisten die Akkreditierung verweigert oder dann vor Ort die Arbeit erschwert wird?
Hajo Seppelt möchte erst einmal nicht sagen, ob er tatsächlich zur WM nach Russland reist. Auf watson-Nachfrage bat er um Verständnis, die Vorgänge erst einmal nicht mehr öffentlich zu kommentieren.
Aber: Selbst wenn er sich dafür entscheiden sollte, zur WM zu fahren. Wie soll das praktisch gehen? Wie will sich ein Journalist frei bewegen, der von staatlicher Seite zum Staatsfeind erklärt wurde?
Denn: Seppelt bleibt gelistet. Gilt dort weiterhin als "unerwünschte Person", eine Einstufung, die sonst politischen Feinden zu Teil wird.
Auch haben russische Behörden angekündigt, Seppelt vorzuladen, sobald er russischen Boden betritt. Die russische Justiz will Seppelt zu den laufenden russischen Ermittlungen gegen den Doping-Kronzeugen Grigori Rodschenkow vernehmen. Seppelt hatte mit seinen Recherchen dazu beigetragen, das systematische Staatsdoping in Russland aufzudecken.
Die ersten Drohungen sind auch schon ausgesprochen. Sie kommen von "Kollegen": Der Vorsitzende des russischen Journalistenverbandes, Wladimir Solowjow, sprach sich lakonisch dafür aus, dass Hajo Seppelt "unbedingt" die WM besuchen müsse.
Seit Jahren wird die Arbeit Hajo Seppelt von russischen Staatsmedien als Propaganda diffamiert. Für den deutschen Markt übernimmt das "RT Deutsch". Die Überschriften klingen dann so: "Kriminelle Journalisten: Wie Hajo Seppelt deutsche Sportler verleumdet"
Kurzum: Der Fall Seppelt ist ein Musterbeispiel dafür, wie repressive Arbeitsteilung in autoritären Staaten funktioniert: Der Staat zählt ihn an, die Justiz lädt ihn vor und die "Presse" gibt ihn "zum Abschuss" frei.
Die Dreistigkeit, mit der die autoritären Kräfte in Russland gerade so kurz vor dem WM-Turnier, also vor den Augen der Weltöffentlichkeit, die Meinungs- und Pressefreiheit konterkarieren, ist schon bemerkenswert und lässt für die WM Schlimmes befürchten.
Und die Fifa? Macht das, was sie am besten kann: schweigen.