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International
Ein prächtiges Herrenhaus unter uralten Bäumen,
verdeckt hinter dichten Hecken, bewacht von zwei mittelmäßig
furchterregenden Hunden: Hier soll "Die Bewegung" beginnen. So
jedenfalls plant es Mischaël Modrikamen, Chef einer belgischen
Rechtspartei und nach eigenen Worten europäischer Partner des
ehemaligen Trump-Beraters Steve Bannon. "The Movement" soll Europas
Rechte einen und bei der Europawahl 2019 zum Triumph führen.
Ende Juli lancierte Bannon – inzwischen öffentlich zerstritten mit
US-Präsident Donald Trump – den Plan für eine Art Zentrale der
europäischen Rechten. Eine Stiftung in Brüssel solle es werden, etwa
zehn Stellen zunächst, Spezialisten für Wähleranalyse, Recherche,
Kommunikation, sagte der rechte Ideologe der Plattform "The Daily
Beast". Dann meldete sich Modrikamen zu Wort und ergänzte, die
Stiftung habe er längst gegründet und erwecke sie jetzt zusammen mit
Bannon zum Leben.
- Noch hat sich nicht allzuviel bewegt.
- Mitte September werde man startklar sein, sagt der 52-jährige Modrikamen, dessen Parti Populaire einen Sitz im belgischen Parlament hält.
- Für November plant er ein "Launch event" mit Bannon, der Vorsitzender der Stiftung werden soll. Modrikamen selbst sieht sich als Geschäftsführer.
- Der Einfachheit halber soll auch die "Bewegung" – wie schon seine Partei - zunächst Platz in seinem Haus im Brüsseler Süden finden
Der leise Mann und sein "Heiliger Kampf"
Modrikamen ist Anwalt. Ein nicht gerade lauter, etwas hölzern
wirkender Mann, der sich für das Interview am Telefon viel Zeit
nimmt.
Bannon hingegen, der langjährige Chef der rechten
US-Nachrichtenseite Breitbart, wird oft als ideologischer Finsterling
beschrieben. Jüngst sagte er, die Rechte solle sich Rassismusvorwürfe
wie eine Auszeichnung an die Brust heften. "Mir geht es um Macht",
bekannte er im "Daily Beast".
Wie die beiden zusammen fanden, beschreibt Modrikamen so: Er habe
sich als Trump-Fan der ersten Stunde schon kurz nach der US-Wahl 2016
an dessen Team gewandt und die Stiftung gegründet. Doch hätten die
Trump-Leute damals Wichtigeres zu tun gehabt und das Projekt habe auf
Eis gelegen.
Als Bannon dann jüngst auf der Suche nach Verbündeten
durch Europa reiste, habe der britische Brexit-Vorkämpfer Nigel
Farage den Kontakt hergestellt. "Es hat gepasst»" sagt Modrikamen.
"Wir haben dieselben Ziele."
Modrikamen
Auf Facebook zeigt der Belgier schwärmerische Unterstützervideos für
Trump und den "heiligen Kampf des Volks" um Souveränität und gegen
angebliche Gefahren durch Flüchtlingswellen und Gewalt. "Ihre
Bewegung ist jetzt global", jubelte Herr mit Hornbrille dem frisch
gewählten US-Präsidenten 2016 zu. "In Europa brauchen wir jetzt Ihre
Unterstützung."
Auch jetzt spricht Modrikamen vom "großen Kampf um die Seele der
künftigen westlichen Zivilisation" zwischen "Souveränisten" und
globalen Eliten, wie sie sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos und
den Bilderberg-Konferenzen tummeln. Die Wortwahl deckt sich mit
Bannons, der ebenfalls den großen Gegensatz konstruiert zwischen "dem
Populismus und der Partei von Davos".
EU-Freunde in Panik
Die nächste Etappe bei diesem Aufstand der angeblich kleinen Leute
ist für beide die Europawahl im Mai 2019.
"Das wird ein enorm wichtiger Moment für Europa"
Bannon Daily beast
Modrikamen spricht von einem Meilenstein und zitiert Umfragen, wonach
euroskeptische Populisten ein Viertel oder gar ein Drittel der Sitze
im nächsten Europaparlament erringen könnten.
Einen erheblichen Zuwachs sagt auch eine interne Simulationsrechnung
aus dem Europaparlament voraus, die Umfragen vom Frühjahr
berücksichtigt sowie die Verkleinerung des Parlament nach dem
britischen EU-Austritt von 751 auf nur noch 705 Sitze. Christ- und
Sozialdemokraten sowie die Grünen müssen demnach erhebliche Verluste
befürchten.
Die Prognose bedeutet so lange vor der Wahl noch wenig, doch ist bei
EU-Unterstützern so etwas wie in Panik spürbar. Fast niemand zweifelt
nach den jüngsten Erfolgen von Populisten in Deutschland, Österreich,
Ungarn oder Italien, dass sich auch im Europaparlament die Gewichte
verschieben werden. Die Frage ist nur, wie weit, und was die
EU-Kritiker damit anfangen.
Bannon träumt von der geballten Macht einer "Superfraktion" der
Nationalisten und Populisten, statt der bisherigen Trennung in den
Parlamentsgruppen EFDD und ENF. Bei seiner Europatour im Frühjahr
umwarb der US-Politiker nicht nur die französische Rechtsextremistin
Marine Le Pen und Italiens Lega-Chef Matteo Salvini, sondern auch
Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban, der seine Fidesz-Partei
bisher neben CDU/CSU bei der Europäischen Volkspartei einsortiert.
AfD legt Wert auf Unabhängigkeit
Einige zweifeln am großen Schulterschluss, so etwa der frühere
britische Europastaatsminister Denis Macshane, der auf "Politico" schrieb:
"Die heutigen Anti-Immigranten-, Anti-EU-Populisten haben viel mehr Differenzen als Gemeinsamkeiten."
Und der öffentliche
Zuspruch für Bannons "Bewegung" war auf der europäischen Rechten
nicht gerade euphorisch.
Die Alternative für Deutschland jedenfalls will sich nicht einreihen. "Es hat vereinzelte Kontakte gegeben, allerdings ist keine wie auch
immer geartete institutionelle Zusammenarbeit geplant", sagt der
Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth. Er betont: "Wir
legen als Partei und Fraktion sehr großen Wert auf politische
Unabhängigkeit und lehnen Einflüsse von außen grundsätzlich ab."
Modrikamen äußert sich nur vage über die Unterstützer der "Bewegung" – ein Begriff, den einst schon die Nationalsozialisten nutzten.
Bannon habe Kontakte, es gebe eine Liste natürlicher Verbündeter in
Europa, sagt der Belgier. Wie Bannon selbst sind es vor allem
Ehemalige, die öffentlich Sympathie bekunden: Ex-Ukip-Chef Farage
etwa oder dessen Ex-Berater Raheem Kassam, Ex-Chef von Breitbart in
London. Von dpa erbetene Interviews mit beiden Politikern kamen nicht
zustande.
Modrikamen betont, man plane ohnehin eher eine Dachorganisation,
einen "informellen Club", finanziert mit "einigen Millionen" durch
Spender in den USA und Europa. Fünf, sechs gemeinsame Grundsätze
werde es geben – Ablehnung der EU in jetziger Form, Kontrolle der
eigenen Grenzen und der Migration, Kampf gegen den radikalen Islam – "vielleicht noch ein oder zwei weitere, das war's". Fremdenfeinde,
Rassisten und Antisemiten wie die Goldene Morgenröte aus Griechenland
oder Jobbik aus Ungarn dürften dagegen nicht mitmachen, versichert
Modrikamen.
Vom Ehrgeiz, die zu zerschlagen
Alles harmlos also? "Ich warne davor, das zu unterschätzen", sagt der
SPD-Politiker Jo Leinen, der seit 1999 im Europaparlament sitzt. "Ich
halte die Einmischung von außen für brandgefährlich." In den USA gebe
es enormes Knowhow zu Wähleranalysen und -beeinflussung über soziale
Medien.
"Bannon hat den Ehrgeiz, die Europäische Union zu zerschlagen."
Jo Leinen
Und: "Das wird die
schwierigste Europawahl seit ihrer Entstehung vor 40 Jahren."
Der Sozialdemokrat ist übrigens Ehrenpräsident einer anderen
Bewegung, der 1948 gegründeten Europäischen Bewegung International.
Es ist ein Netzwerk traditioneller EU-Unterstützer, ebenfalls mit
Hauptquartier in Brüssel, nur nicht ganz so malerisch – in einem
Zweckbau in einer Seitenstraße des Europaviertels.
Leinen schöpft Mut
aus dieser Bewegung, auch aus den Demonstrationen von Pulse of
Europe. Aber ein bisschen mehr Unterstützung aus Gesellschaft,
Wirtschaft, Gewerkschaften dürfte es aus Leinens Sicht schon sein. "Sich vornehm raushalten, geht nicht mehr", sagt der SPD-Mann. "Dafür
sind die Gefahren viel zu groß."
(hd/dpa)