Schon seit Wochen kursieren in sozialen Netzwerken angebliche geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Immer wieder tauchen neue Informationen auf. Unter anderem zum Machtkampf innerhalb des Kremls.
Zuerst berichtete die "New York Times" über ein neues 27-seitiges Dokument. Der Inhalt: Der russische Inlandsgeheimdienst FSB soll das Militär beschuldigen, Opferzahlen zu schönen. So sollen laut des Berichtes bis Anfang des Jahres zwischen 35.500 und 43.000 russischen Soldat:innen getötet worden sein. Demgegenüber stünden, laut "New York Times", 15.500 bis 17.500 gefallene ukrainische Soldat:innen.
Wie viele Menschen im Ukraine-Krieg wirklich sterben, kann nicht unabhängig bewertet werden. Womöglich weiß Moskau es nicht einmal selbst.
Aber nicht nur Opferzahlen sollen in dem neuen Bericht vorkommen. Sondern auch Insights in den Kreml – und die internen Befindlichkeiten.
Im Februar hatten sich Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin und der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu öffentlich gestritten. Dabei ging es um Munition, die Moskau der Söldnergruppe wohl verwehrt hatte.
Wie der "Münchner Merkur" mit Verweis auf US-Medienberichte schreibt, soll Putin selbst versucht haben, den Streit seiner beiden Kumpanen zu schlichten. Aber Putins Hintermänner buhlen nicht nur um die Gunst des Autokraten. Wie die "Frankfurter Rundschau", mit Verweis auf das US-Nachrichtenportal "Vice", berichtet, soll es auch einen Komplottversuch gegen den Machthaber gegeben haben.
So sollen der Sekretär des russischen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, und Generalstabschef Waleri Gerassimow geplant haben, russische Truppen an die Südfront der Ukraine zu verlegen. Ohne dem Kreml-Chef etwas davon zu sagen – und um den Kriegsverlauf an Putin vorbei zu beeinflussen. Geplant sei dieses Manöver für die Zeit um den 5. März gewesen sein. Als Quelle für diese Information wird eine nicht identifizierte Person aus dem Kreml-Umfeld genannt.
Der Zeitpunkt, berichtet die "Frankfurter Rundschau" weiter, sei wohl laut US-Medien so gewählt worden, weil Putin in dieser Zeit "einen neuen Zyklus Chemotherapie beginnen" sollte. Ob diese Informationen korrekt sind, lässt sich aktuell nicht bestätigen. Sollte es sich aber um ein authentisches Dokument handeln, würde das die Gerüchteküche um den Gesundheitszustand des Präsidenten weiter anfachen.
Der Experte Aric Toler vom Investigativ-Netzwerk Bellingcat hat herausgefunden, dass die Dokumente auf der bei Gamern beliebten Plattform für Videospiele Discord die Runde machten – und dann auch von russischen Nutzern etwa im Nachrichtennetzwerk Telegram verbreitet wurden. Demnach könnten sie echt sein, er wies aber auch nach, dass einige Dokumente im Nachhinein klar manipuliert wurden.
Der US-Sender CNN berichtete, Regierungsmitarbeiter:innen hätten die Echtheit der Unterlagen bestätigt. Die US-Behörden scheinen die Sache sehr ernst zu nehmen. Sowohl das Pentagon als auch das Justizministerium untersuchten die Vorfälle, berichteten diverse Medien übereinstimmend. US-Präsident Joe Biden sei "besorgt" über die Menge der Dokumente, die an die Öffentlichkeit gelangt sei, bestätigte ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter "Politico".
Viele der Dokumente schienen nicht gefälscht zu sein und glichen im Format denjenigen des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, bestätigten Regierungsmitarbeiter:innen der "Washington Post". Die Unterlagen des Oberkommandos der Streitkräfte sähen authentisch aus, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf Regierungsmitarbeiter:innen.
Der Urheber des massiven Datenlecks soll nach Informationen der "Washington Post" auf einer Militärbasis gearbeitet haben. Ein junger Mann, der sich hinter den mysteriösen Buchstaben "OG" verberge, habe die brisanten Unterlagen zunächst als Abschriften mit einer von ihm geleiteten Chat-Gruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord geteilt, schrieb das Blatt am Donnerstag.
Die Zeitung beruft sich dabei unter anderem auf zwei Mitglieder der Gruppe, die sich aus rund zwei Dutzend jungen Leuten mit Vorliebe für Waffen und Militärausrüstung zusammengesetzt habe. Weder der genaue Ermittlungsstand noch der Aufenthaltsort des mutmaßlichen Täters sind öffentlich bekannt.
(Mit Material der dpa)