Es sind herzzerreißende Szenen, die sich am Montag vor der Covenant-Grundschule in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee abspielen. Verängstigte Kinder verlassen in langen Reihen das zum Tatort gewordene Schulgebäude, halten sich dabei fest an den Händen. In ihren Gesichtern: Angst, Entsetzen, Fassungslosigkeit.
Von ihren Lehrkräften und der Polizei werden sie zu Bussen begleitet, die sie an einen sicheren Ort bringen sollen. Denn ihre Schule ist kein sicherer Ort mehr: Eine schwer bewaffnete Frau hat hier kurz zuvor sechs Menschen erschossen, darunter drei Kinder im Alter von acht und neun Jahren. Sie war hier einst selbst zur Schule gegangen.
Die Polizei war am Montagvormittag gegen 10 Uhr (Ortszeit) zum Tatort gerufen worden. "Als die Beamten im zweiten Stockwerk ankamen, sahen sie eine Schützin, eine Frau, die schoss", sagte Don Aaron von der Polizei in Nashville. "Wir wissen, dass sie mit mindestens zwei Sturmgewehren und einer Handfeuerwaffe bewaffnet war."
Die 28-Jährige wurde daraufhin von den Einsatzkräften erschossen. Damit sei Schlimmeres verhindert worden, machte John Drake, Polizeichef von Nashville, später in einer Pressekonferenz deutlich. Die Bühne dieser Konferenz nutzt auch eine Passantin. Ashbey Beasley kapert das Mikrofon und wendet sich mit einer emotionalen Nachricht an die Zuschauer:innen vor den TV-Geräten.
"Sind Sie es nicht leid, über diese Amokläufe zu berichten?", fragte Beasley die anwesende Presse. Sie sagte, sie befinde sich derzeit mit ihrem Sohn im Urlaub im Haus ihrer Familie in Nashville. Im vergangenen Juli sei sie selbst Opfer eines Amoklaufs geworden.
Sie sagt: "Seit wir im Juli eine Massenschießerei überlebt haben, betreibe ich Lobbyarbeit in Washington D.C.. Ich habe mich mit über 130 Gesetzgebern getroffen. Wie kann so etwas immer noch passieren?" Waffengewalt sei mittlerweile die häufigste Todesursache für Kinder und Jugendliche in den USA, für Beasley unverständlich. Diese Massenerschießungen, stellt sie klar, könnten vom Gesetzgeber einfach vermieden werden. Indem strengere Waffengesetze auf den Weg gebracht werden.
US-Präsident Joe Biden forderte nach der neuen Attacke umgehend eine Verschärfung der Waffengesetze im Land – einmal mehr. Doch schon seine Vorgänger scheiterten immer wieder mit dem Versuch, das von parteipolitischen Gräben durchzogene Parlament zu einem Verbot von Sturmgewehren und anderen wirkungsvollen Schutzmaßnahmen zu bewegen.
Biden geht es da nicht anders. Deshalb behilft er sich mit kleineren Eingriffen, für die er nicht auf den Kongress angewiesen ist. Ohne eine substanzielle Reform des Waffenrechts sehen Experten allerdings keinerlei Chance auf echte Veränderungen. Um die durchzusetzen, wären Biden und seine Demokraten auf die Kooperationsbereitschaft der Republikaner im Kongress angewiesen – doch die ist bei diesem Thema nicht in Sicht.
Unterdessen teilte der US-Journalist Brian Tyler Cohen auf Twitter einen Facebook-Post des zuständigen Kongressabgeordneten Andy Ogles. Der Republikaner vertritt den fünften Bezirk von Tennessee, zu dem Teile von Nashville gehören. Auf Facebook teilte Ogles ein Familienbild vor dem Weihnachtsbaum. Auffällig: Bis auf den Jüngsten tragen alle Familienmitglieder Gewehre.
Bemühungen um schärfere Waffengesetze laufen seit vielen Jahren ins Leere – vor allem, weil Republikaner dagegen sind. Und weil die Waffenlobby, allen voran die mächtige National Rifle Association (NRA), vehement jeden Versuch bekämpft, Waffenbesitz stärker zu regulieren. Daran haben auch die verheerenden Amokläufe an Grundschulen nichts geändert.
(Mit Material der dpa)