Knapp 100 Tage sind vergangen seit Donald Trumps zweiter Vereidigung als US-Präsident. Dieses Mal war er weit besser vorbereitet als nach seinem ersten Wahlsieg 2016. Er umgab sich mit bedingungslosen Loyalisten und erließ sogleich eine Flut an Dekreten. Damit wollte er die aus seiner Sicht von der Linken ruinierten USA in ein neues goldenes Zeitalter führen.
Mit der Realität hatte das wenig zu tun. Jetzt holt ihn genau diese Realität mit voller Wucht ein. Seine Beliebtheitswerte jedenfalls sind im Sinkflug, das zeigt etwa die Querschnittumfrage der "New York Times". Standen sie kurz nach seinem Amtsantritt bei 52 zu 43 Prozent für den Präsidenten, so sind sie nun praktisch ins exakte Gegenteil gekippt.
Damit steht Donald Trump deutlich schlechter da als seine verhassten Vorgänger Barack Obama und Joe Biden zum gleichen Zeitpunkt. Nur Trump selbst wurde 2017 nach knapp 100 Tagen noch schlechter bewertet, doch damals war er auf tieferem Niveau gestartet. Der Vertrauensverlust kommt nicht von ungefähr, das zeigen zentrale Themen:
Präsident Trump ist besessen von der Idee, dass andere Länder die USA mit ihren Exporten "ausplündern". Dass diese Handelsbilanz für die Wirtschaftskraft seines Landes spricht, will er nicht einsehen. Also verhängte er bei einem denkwürdigen Auftritt am 2. April happige Zölle gegen zahlreiche Länder, basierend auf einer Formel, die Ökonomen als Hokuspokus abkanzelten.
Drei Wochen später ist davon wenig geblieben, denn die Finanzmärkte spielten verrückt. Als neben dem Aktien- auch der Anleihenmarkt abschmierte, ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, zog Trump die Notbremse und verhängte eine "Pause" für die meisten Zölle, mit Ausnahme eines Grundtarifs von 10 Prozent und eines Zolls von 25 Prozent auf Autoimporte.
Ebenfalls ausgenommen wurde der "Erzfeind" China, für den die Sonderzölle auf 145 Prozent hochgetrieben wurden. Doch jetzt ist auch in diesem Fall eine Kehrtwende in Sicht. Man werde mit China "sehr nett sein", sagte Trump am Mittwoch. Auch mit anderen Ländern soll es Handelsabkommen geben. Von Trumps "Zollhammer" dürfte kaum etwas bleiben.
Eine weitere Kampfzone ist die Zinspolitik der US-Notenbank Fed. Präsident Trump will die Wirtschaft mit tiefen oder gar negativen Zinsen ankurbeln, doch der von ihm in der ersten Amtszeit ernannte Fed-Chef Jerome Powell will angesichts neuer Inflationsängste nichts davon wissen. Tagelang wütete Trump deshalb gegen den "großen Loser" Powell.
Damit schickte er die Aktienmärkte erneut auf Talfahrt. Das "Wall Street Journal" warnte am Montag, der Dow-Jones-Index könnte den schlechtesten April seit der Grossen Depression 1932 verbuchen. Das ist das Letzte, was Trump will, weshalb er am Dienstag versicherte, er habe "nicht die Absicht", Jerome Powell zu feuern. Auf tiefere Zinsen hofft er nach wie vor.
Eine weitere Obsession des Präsidenten ist der angeblich übergriffige Staatsapparat. Deshalb ernannte er seinen Oligarchen-Kumpel Elon Musk zum Leiter eines Department of Government Efficiency (DOGE), das radikale Kürzungen vornehmen und Angestellte entlassen sollte. Zuletzt aber verlor Musk stark an Rückhalt, auch weil er Trumps Zollpolitik offen kritisierte.
Seine Aktivitäten hatten negative Folgen für Tesla, weshalb sich Musk vermehrt um seine Geschäfte kümmern will. Trump deutete am Mittwoch an, er werde ihn "gehen lassen". Bereits zuvor hatte das Weiße Haus das Sparziel von DOGE laut "Politico" von einer Billion auf 150 Milliarden Dollar reduziert. Beim Staat zu sparen, ist eben leichter gesagt als getan.
Mit seinen Personalentscheiden sorgte Donald Trump für Stirnrunzeln. Das galt besonders für den Fox-News-Moderator Pete Hegseth, den er zum Verteidigungsminister ernannte, obwohl ihm jegliche Erfahrung fehlt. Die Trump hörige republikanische Mehrheit im Senat aber winkte ihn und weitere fragwürdige Personalien trotz Bedenken durch.
Jetzt aber ist Hegseth in eine arge Schieflage geraten. Das liegt nicht nur daran, dass er Angriffspläne im Jemen in einem privaten Signal-Chat mit seiner Frau und seinem Bruder geteilt hat, sondern auch an den Mitarbeitern, die er ins Pentagon holte. Statt dort wie erhofft "aufzuräumen", liefern sie sich gemäß "Politico" einen verbissenen Machtkampf.
Insider sprechen von einem "totalen Chaos" im Verteidigungsministerium. Noch hält Donald Trump an Pete Hegseth fest, doch der Präsident ist bekannt dafür, selbst loyale Gefolgsleute gnadenlos fallenzulassen, wenn sie "nutzlos" werden. Auf der Abschussliste könnten auch andere Figuren landen, etwa der irrlichternde Gesundheitsminister Robert Kennedy.
Im Wahlkampf kündigte Donald Trump einen raschen Frieden in der Ukraine und im Gaza-Krieg an. Davon ist nichts zu sehen. Als Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zwecks Machterhalt den Waffenstillstand in Gaza beendete, rührte Trump keinen Finger. Und im Ukraine-Krieg scheint er sich auf die Seite des Aggressors Russland zu schlagen.
Bei keinem Thema erhält der Präsident mehr Zustimmung als bei der Zuwanderung. Die illegalen Grenzübertritte im Süden haben tatsächlich stark abgenommen, doch das war schon in der Endphase von Joe Bidens Amtszeit der Fall. Als sehr viel schwieriger erweist sich die Abschiebung von Millionen undokumentierter Einwanderer, sie kommt kaum voran.
Häufig legen sich die Gerichte quer. Die Abschiebung von Kilmar Abrego García in seine Heimat El Salvador wurde sogar vom Supreme Court mit seiner rechten Mehrheit kritisiert. Trump ist deswegen genervt. Am Dienstag postulierte er, undokumentierte Migranten sollten ihr Rekursrecht vor Gericht verlieren, was gegen die Verfassung verstoßen würde.
Das Problem aber ist grundsätzlicher Natur, denn die meisten der rund elf Millionen illegaler Migranten haben einen Job. Häufig sind es genau jene Aktivitäten etwa auf dem Bau oder in der Landwirtschaft, die sich kaum durch Roboter oder KI ersetzen lassen. Ihre Abschiebung würde die Wirtschaft massiv schädigen. Einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt es kaum.
Einigermaßen "erfolgreich" ist bislang Trumps Kreuzzug gegen elitäre Universitäten und alles, was irgendwie woke aussieht. Doch die langfristigen Folgen könnten gravierend sein, wenn hoch qualifizierte Wissenschaftler dem Forschungsstandort USA den Rücken kehren. In China, das in diesem Bereich sehr viel investiert, reibt man sich die Hände.
Als Narzisst hält sich Donald Trump für nahezu unfehlbar, und seit dem gescheiterten Attentat im letzten Sommer in Pennsylvania soll er sich erst recht für von Gott auserwählt halten. Zumindest vor den Finanzmärkten scheint er Respekt zu haben, doch seine Amtszeit dauert noch fast vier Jahre. Man fragt sich mit Bangen, was noch kommen wird.