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Ukraine-Soldat Mykhailo Chaplia spricht von Höllen-Haft in Russland

ARCHIV - 08.12.2022, Ukraine, Cherson: Ein B
Kritik an Folter von Menschen in russischer Gefangenschaft kommt immer wieder auf.Bild: AP / Evgeniy Maloletka
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Ukraine: Soldat Mykhailo Chaplia berichtet von Höllen-Haft in Russland

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Zwei Jahre lang saß der ukrainische Soldat Mykhailo Chaplia in russischer Gefangenschaft. In Taganrog wurde er geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert und gezwungen, Fischschuppen zu essen. Doch er hielt durch. Jetzt ist er frei – und spricht über die Hölle, die er überlebt hat.
20.03.2025, 08:00

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben unzählige Soldaten unvorstellbares Leid durchlebt. Eine dieser Geschichten ist die von Mykhailo Chaplia, einem Offizier des Azov-Regiments, der nach der Verteidigung von Mariupol in russische Gefangenschaft geriet. Seine Erlebnisse zeichnen ein erschütterndes Bild der Folter und Misshandlungen, die ukrainische Kriegsgefangene durchleben müssen.

Azov-Soldat vergleicht erste Station der Gefangenschaft mit Sommercamp

Mykhailo Chaplia, auch bekannt als "Yuzhnyi", stammt aus Charkiw und war leidenschaftlicher Ultra des FC Metalist. 2015 entschied er sich, in die Panzeraufklärung einzutreten, 2017 wurde er Fahrer eines gepanzerten Mannschaftstransportwagens, später Stabsoffizier. Er verteidigte Mariupol bis zum bitteren Ende im Azovstal-Stahlwerk, bevor er im Mai 2022 in russische Gefangenschaft geriet.

Die ersten Monate nach seiner Kapitulation verbrachte Chaplia im Lager von Oleniwka in der besetzten Region Donezk. "Verglichen mit dem, was danach kam, war das fast ein Sommercamp", erzählt er der "Ukrainska Pravda". Das wahre Grauen sollte noch folgen.

Gefangen in Russland: Ukraine-Soldat berichtet von Horror in Taganrog

Im September 2022 wurde er ins Untersuchungsgefängnis Nr. 2 nach Taganrog verlegt – und dort begann der Horror, der von nun an sein Alltag war. "Taganrog ist der perfekte Ort für die Russen, weil es dort keine Aufsicht gibt", sagt er im Gespräch mit der Zeitung. "Dostojewski hat mal von 'administrativer Ekstase' gesprochen – wenn Menschen sich an Macht berauschen. Genau das ist es."

In Taganrog gab es seinen Schilderungen zufolge ein "Begrüßungsritual" für Neuankömmlinge: Wachen und Spezialeinheiten bildeten einen Gang, durch den die Gefangenen rennen mussten – unter Schlägen mit Schlagstöcken, Knüppeln und Elektroschockern. "Gleich in der ersten Nacht wurden Körper auf Bettlaken hinausgetragen", erinnert sich Chaplia. Er selbst erlitt gebrochene Rippen und Finger. Andere starben an ihren Verletzungen.

Chaplia verbrachte 17 seiner 24 Monate in einer Kellerzelle. "Kein Licht, keine Luft, nur zwölf Holzplanken auf dem Boden, ein Tisch, eine Bank und eine Toilette", beschreibt er die Bedingungen. "Es gab keine Seife, kein Toilettenpapier. Wir hatten anfangs eine Tasse für zwei – trinken, waschen, alles damit." Der Gestank aus Urin und Schweiß sei allgegenwärtig gewesen, Tuberkulose eine ständige Bedrohung.

Essen glich ihm zufolge einem weiteren Akt der Erniedrigung: "Du hast keine Wahl, du musst Schalen, Schuppen und Schwänze essen." Chaplia verlor fast die Hälfte seines Körpergewichts – von 105 auf 58 Kilo.

Ukrainischer Soldat hatte Strategie, um die Gewalt zu überleben

Zudem berichtet er von ständigen Schlägen – ohne Vorwarnung, ohne Grund. "In Taganrog darfst du nicht aus dem Fenster schauen. Aber jemand hat es immer wieder getan. Irgendwann sagten die Russen: 'Seid ihr Ukrainer komplett dumm? Wir schlagen euch fünf-, sechsmal am Tag. Unsere Hände und Füße tun schon weh. Habt ihr nicht verstanden, dass ihr nicht rausschauen dürft? Wir sind es leid, euch zu schlagen.' Aber sie haben trotzdem weitergemacht."

Um nicht den Verstand zu verlieren, habe Chaplia seine eigene Überlebensstrategie geschaffen. Inspiriert von der Figur Iwan Telegin aus Alexei Tolstois Roman "Der Leidensweg" habe er ein striktes Trainingsprogramm begonnen. Denn: "Ich wusste, dass sie mich bei Inspektionen zu Kniebeugen und Liegestützen zwingen würden. Also trainierte ich so lange, bis ich es besser konnte als sie dachten." In seiner engen Zelle machte er täglich Planks, Liegestütze, Kniebeugen – aus Prinzip.

Humor war seine zweite Waffe. Als Wachen ihn fragten, ob er Jewgeni Prigoschin kenne, habe geantwortet: "Er ist der Ehemann dieser Sängerin, Waleriya." Die Russen waren verwirrt – weil Waleriya mit dem Musikproduzenten Iossif Prigoschin verheiratet ist.

Am 13. September 2024 wurde Chaplia zusammen mit 48 anderen Gefangenen ausgetauscht. "Ich wollte hier nicht sterben. Ich wollte als Sieger rausgehen." Zwei Wochen später feierte er seinen 37. Geburtstag – in Freiheit.

Seine Frau Sewinj erwartete ihn mit einer Überraschung: Während seiner Gefangenschaft hatte sie in Lwiw ein Café eröffnet – "Charlie Chaplia", benannt nach seinem Spitznamen. Das Logo zeigt einen Reiher mit Schnurrbart, genau wie Chaplia ihn trägt.

Heute arbeitet er an seiner Rehabilitation, plant neue Cafés und hilft anderen Soldaten, die aus russischer Gefangenschaft zurückkehren. "Ich danke Gott, dass ich das alles durchgestanden habe. Ich bin nicht gebrochen – und das ist mein größter Sieg."

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