Nach dem Besuch des US-Präsidenten Joe Biden soll sie starten: die Bodenoffensive Israels im Gazastreifen. Seit Tagen bereitet das israelische Militär diese vor, aus der ganzen Welt fliegen Israelis in die Heimat, um sich der Armee anzuschließen.
Es soll der große Gegenschlag werden, die Antwort auf die Angriffe der Terrorgruppe Hamas gegen israelische Zivilist:innen, darunter auch Babys. Die Terroristen verschanzen sich im Gazastreifen, nutzen laut Expertenstimmen die Menschen vor Ort als Schutzschilde und bereiten sich ebenfalls auf die Offensive vor.
"Es wird ein harter und blutiger Kampf. Häuserkampf und Hinterhalte aus einem unübersichtlichen Tunnelsystem werden einen fürchterlichen Tribut fordern", sagt Militärexperte und Oberst a. D. Ralph Thiele auf watson-Anfrage. Er ist Vorsitzender der Politisch-Militärischen Gesellschaft in Berlin.
Das Ziel heißt: Die israelischen Verteidigungsstreitkräfte sollen die Hamas und deren logistische Infrastruktur ausschalten und möglichst viele Geiseln befreien. Laut Thiele sind sie für diese Aufgabe exzellent vorbereitet und haben zudem – auch schmerzliche – Erfahrungen aus früheren Konflikten. Spezialkräfte haben dafür trainiert.
Zu erwarten ist wohl ein Kampf Gasse um Gasse, Haus um Haus, Tunnel um Tunnel. Schlachten, die einen an die Kämpfe des US-Militärs im Kampf gegen die Terrorgruppe IS im Irak erinnern. Der Experte warnt vor einem blutigen Ausgang.
Die Hamas werde zudem die eigene Bevölkerung als Schutzschilde missbrauchen. Das zehre an der Legitimität des israelischen Einsatzes, meint Thiele. Dabei bringt das israelische Militär die besten Voraussetzungen für die Bodenoffensive mit sich.
Ausbildung, Ausrüstung und Motivation der israelischen Streitkräfte sind laut Thiele vorbildlich. "Bessere Voraussetzungen gibt es nicht. Die israelischen Streitkräfte verfügen über eine exzellente Einsatzausbildung und zudem über herausragende, moderne Technologien, die Informations- und Entscheidungsdominanz ermöglichen", führt er aus.
Doch er betont: "Der größte Feind Israels ist Selbstüberschätzung." Auch die Hamas sei für ihre mörderischen Absichten gut vorbereitet und ausgerüstet, dazu hoch motiviert. In der Nutzung sozialer Medien zur Unterstützung der eigenen Absichten war sie bislang Israel überlegen, sagt Thiele. Am Ende werde der politische Sieg entscheiden, nicht der militärische. Israel könnte sich zu viel von einem militärischen Sieg erwarten.
Israel will die Hamas in Gaza eliminieren. Auch die Befreiung der Geiseln ist ein Hauptziel, werde allerdings den Angriff nicht wesentlich bremsen, meint Thiele. Er sei skeptisch, ob die Ausschaltung der Hamas kurzfristig gelingt. Laut ihm werde es vermutlich viele Jahre erfordern. Doch Israels Streitkräfte werden nur wenige Wochen im Gazastreifen wirken können, meint Thiele.
Er vermutet, dass sich die militärische und politische Führung Israels dessen bewusst sei und habe demnach einen Plan B, der die Hamas auch außerhalb von Gaza nachverfolgt und deren Unterstützern das Leben schwer macht.