Spaniens sozialistische Regierung hat ein Gesetz erlassen, dass darauf abzielt, Einvernehmlichkeit beim Sex zu gewährleisten. Spaniens Vize-Premierministerin und Gleistellungsbeauftragte Carmen Calvo Poyato brachte es so auf den Punkt:
"Wenn eine Frau nicht explizit ja sagt, bedeutet alles andere nein."
Carmen Calvo Poyato
Patricia Faraldo Cabana, Jura-Professorin an der Universität von A Coruña, die bei der Ausarbeitung des Gesetzes mitarbeitete, sagte laut Guardian:
"Es kann immer noch Vergewaltigung sein, auch wenn das Opfer sich nicht wehrt. Wenn sie nackt ist und sich aktiv beteiligt und Spaß dabei hat, ist es offensichtlich einvernehmlich. Wenn sie weint, reglos wie eine Gummipuppe da liegt und offensichtlich keinen Spaß hat, ist es nicht einvernehmlich."
Auch Schweden hat bereits so ein Gesetz. Wie kam es in Spanien dazu? Und was bedeutet das Gesetz?
Das "Rudel" und die Vergewaltigung
Um die neue gesetzliche Regelung zu verstehen, muss man die Geschichte von Anfang an erzählen.
Es begann mit einer Gruppe junger Männer aus Sevilla, die sich selbst "La Manada" ("Das Rudel") nannte. Unter ihnen ein Soldat und ein Zivil-Gardist. Während des alljährlichen Stier-Hetz-Festivals in Pamplona im Sommer 2016 sollen die Männer im Alter zwischen 27 und 29 Jahren eine 18-jährige Frau vergewaltigt haben. Zwei der Männer hatten die Tat gefilmt. Im April 2018 wurden sie zu jeweils 9 Jahren Haft verurteilt. Kurze Zeit später waren sie frei.
Ein Richter argumentierte gar, die junge Frau habe Spaß bei der Sache gehabt.
Beim San-Fermín-Fest werden Stiere durch Pamplona zur Arena getrieben, wo sie später von Torreros getötet werden. Die Teilnehmer der Stierhatz rennen vor den Tieren etwa 800 Meter durch die engen Gassen – dabei gilt es vielen als besonders mutig, die Stiere möglichst nah an sich herankommen zu lassen.Bild: AFP7 via ZUMA Wire
Haftstrafen? Erstmal nicht.
Die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Gericht entschied, die Männer bis zu ihrem Berufungsurteil vorläufig freizulassen. Der soziale Druck mache einen Rückfall "praktisch undenkbar", hieß es. Ein Berufungsgericht in Pamplona hatte im Anschluss angeordnet, die Männer unter Auflagen gegen eine Kaution von 6000 Euro freizulassen.
Nur Bewegungsfreiheit eingeschränkt
Die Männer mussten ihre Reisepässe abgeben und dürfen Spanien nicht verlassen. Nach Madrid, wo ihr Opfer lebt, dürfen die Männer ebenfalls nicht reisen. Außerdem müssen sie sich dreimal in der Woche bei Gericht an ihrem jeweiligen Wohnort melden.
So "bestraft" man Vergewaltigung in anderen Ländern:
Die Freilassung der fünf Sexualstraftäter sorgte in Spanien für große Empörung. Tausende Menschen gingen bei Kundgebungen im ganzen Land gegen die Gerichtsentscheidung auf die Straße.
Landesweit gingen, wie hier in Madrid, tausende auf die StraßeBild: NurPhoto
Frauenorganisationen und andere Verbände riefen zu Demonstrationen in Madrid, Valencia, Sevilla und Bilbao auf. In Madrid versammelten sich tausende Frauen und Männer jeden Alters vor dem Justizministerium. Die Demonstranten kritisierten in Sprechchören die "patriarchale Justiz" in Spanien. Auch in Sevilla, der Heimatstadt der fünf Männer, gab es Proteste gegen ihre Freilassung. Weitere Protestaktionen gab es in Valencia, Saragossa und Granada. Auch in Pamplona gingen tausende Menschen auf die Straße.
Eine Demonstrantin sagte der Nachrichtenagentur AFP:
"Wir brauchen eine Justizreform und müssen die Richter, die noch aus einem anderen Zeitalter stammen, ersetzen."
Weil sich die junge Frau im Video während der Gruppenvergewaltigung nicht wehrte, teilnahmslos, passiv und abwesend agierte, war das Gericht von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr ausgegangen und hatte die Männer nicht wegen "Vergewaltigung" verurteilt, sondern wegen "sexuellen Missbrauchs".
Um den Straftatbestand der "Vergewaltigung" zu erfüllen, muss die Tat mit Gewalt und Einschüchterung einhergehen. Dies war offenbar für das Gericht nicht erkennbar. Ein Richter argumentierte gar, die junge Frau habe Spaß bei der Sache gehabt.
Das Bürgermeisteramt in Pamplona kündigte an, als Zivilpartei in dem Verfahren Berufung gegen die Freilassung einzulegen. Justizministerin Dolores Delgado nannte die im Prozess ans Licht gebrachten Tatsachen "schwerwiegend" und forderte einen "Mentalitätswandel".
Die Politikerin Elena Sarasate über die Argumentation vor Gericht:
"Die Verteidiger wollten uns glauben lassen, sie (die verurteilten Täter, Anm. d. Red.) hätten in der Nacht ein 18 Jahre altes Mädchen kennen gelernt, das ein normales Leben führte. Nach 20 Minuten Gespräch mit Leuten die sie nicht kannte, soll sie in Gruppensex mit jeder denkbaren Art von Penetration eingewilligt haben, manchmal mehrere gleichzeitig, ohne Benutzung eines Kondoms."
Dieses Unverständnis, auch seitens vieler Politiker und Politikerinnen führte nun zu einer neuen rechtlichen Regelung. Dem, wie es manche nennen, "Ja-heißt-ja"-Gesetz.
Auch das Vergewaltigungsopfer selbst meldete sich zu Wort. In einem Brief an einen spanischen TV-Sender schrieb die 18-Jährige:
"Schweigt nicht darüber, denn wenn ihr das tut, lasst ihr sie gewinnen. Niemand sollte das durchmachen müssen. Niemand sollte es bereuen müssen, etwas zu trinken, mit Leuten auf einem Fest zu reden und in einem Minirock allein nach Hause zu gehen."
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