Einem Bericht des britischen "Observer" zufolge hat die im Skandal um unerlaubte Wahlwerbung für Donald Trump unter Druck geratene Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica auch im Brexit-Referendum über Umwege eine Rolle gespielt.
Der "Observer" beruft sich auf den ehemaligen CA-Mitarbeiter Christopher Wylie, der den Skandal um unrechtmäßig erlangte Facebook -Daten mit seinen Enthüllungen ins Rollen gebracht hatte.
Laut Wylie wurde AIQ mit seiner Hilfe gegründet und zeitweise intern als Abteilung von Cambridge Analytica bezeichnet. Das Unternehmen widerspricht dem. Auf der AIQ-Webseite heisst es, die Firma sei nie ein Teil von Cambridge Analytica oder deren Muttergesellschaft SCL gewesen. Unbestritten ist die erhebliche Rolle, die AIQ im Brexit-Wahlkampf spielte.
Bis vor kurzem schmückte sich das Unternehmen auf seiner Webseite mit einem Zitat des Vote-Leave-Wahlkampfleiters Dominic Cummings.
Die Brexit-Kampagne des heutigen Außenministers Boris Johnson hatte 40 Prozent ihres Budgets in die Arbeit von AggregateIQ gesteckt. Die Beträge sind auf der Webseite der britischen Wahlkommission einsehbar. Einem ehemaligen Brexit-Wahlkämpfer zufolge soll über eine gesonderte Scheinkampagne sogar noch mehr Geld von Johnsons Wahlkampfetat nach Kanada geflossen sein. Die britische Wahlkommission ermittelt bereits, ob "Vote Leave" die gesetzlichen Obergrenze für Wahlkampfausgaben überschritten habe. Johnson bestreitet das. Er bezeichnet die Anschuldigungen als "ausgesprochen albern".
Ebenfalls ins Visier der britischen Wahlkommission geraten ist die Brexit-Kampagne des ehemaligen Ukip-Chefs Nigel Farage, "Leave.EU". Das Wahlkampfteam der EU-feindlichen Partei soll einem "Guardian"-Bericht zufolge ansatzweise sogar direkt mit Cambridge Analytica zusammengearbeitet haben. Der "Guardian" beruft sich dabei auf die ehemalige CA-Mitarbeiterin Brittany Kaiser. Eine Sprecherin der Wahlkommission bestätigte am Sonntag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass die Ermittler deswegen mit Cambridge Analytica in Kontakt stehen.
Die britische Datenschutzbehörde ICO (Information Commissioner's Office) liess im Zusammenhang mit den von Cambridge Analytica erlangten Facebook-Daten in der Nacht zum Samstag die Londoner Zentrale des Unternehmens durchsuchen. Man werde nun Beweise sichern, auswerten und bewerten, bevor Schlüsse gezogen würden, hiess es in einer Mitteilung. Cambridge Analytica steht im Verdacht, mit Hilfe von unrechtmässig gesammelten Facebook-Daten Millionen US-Wähler im Präsidentschaftswahlkampf 2016 zugunsten Donald Trumps beeinflusst zu haben.
Hinter der Firma steht der US-Milliardär und
Trump-Unterstützer Robert Mercer, der die Muttergesellschaft SCL
mitbegründet hat. Koordiniert wurden die CA-Kampagnen von Trumps
stramm rechtem ehemaligem Chef-Strategen Steve Bannon.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg entschuldigte sich am Sonntag mit
ganzseitigen Anzeigen in mehreren britischen Zeitungen für den
Datenskandal in seinem Unternehmen. «Wir haben die Verantwortung,
Ihre Daten zu schützen. Wenn wir das nicht können, haben wir sie
nicht verdient», heisst es in der von Zuckerberg unterschriebenen
Anzeige, die lediglich mit einem kleinen Facebook-Logo im unteren
Bereich gekennzeichnet war. Sie erschien unter anderem im "Observer"
und in der "Sunday Times".
In Deutschland will derweil Justizministerin Katarina Barley (SPD) am Montag Druck auf das weltgrößte Online-Netzwerk machen. Sie empfängt am Nachmittag ranghohe Facebook-Vertreter aus Europa.
Barley will "umfassende Aufklärung" darüber, ob deutsche Nutzer betroffen seien und was Facebook tun wolle, um so etwas in Zukunft zu verhindern.
Barley hält es nach eigenen Worten für realistisch, Facebook zur Offenlegung seiner Rechenvorgänge zu bringen. Nach solchen Algorithmen wird zum Beispiel entschieden, welche Werbung Nutzer zu sehen bekommen. "Grenzen gegenüber der Marktmacht von solchen Unternehmen dürfen wir nicht akzeptieren», sagte die Ministerin am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt"
(dpa/mbi)