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Visa-Skandal erschüttert Polen: Politiker erleidet Nervenzusammenbruch

ARCHIV - 01.09.2021, Polen, Usnarz Gorny: Migranten werden von schwer bewaffneten polnischen Sichherheitskr
Polen fährt einen umstrittenen Migrationskurs. An der Grenze zu Belarus verstießen die Pushbacks auch gegen EU-Recht. Bild: AP / Czarek Sokolowski
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Visa-Skandal erschüttert Polen: Unfassbare Vorwürfe gegen Politiker

18.09.2023, 20:05
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Es sind schwere Vorwürfe, mit denen sich das polnische Außenministerium jetzt konfrontiert sieht. Es soll Arbeitsvisa an Migrant:innen verkauft haben. Illegal. In den vergangenen drei Jahren bis zu 350.000 an der Zahl. Das betrifft nicht nur das Land selbst. Polen hat damit Arbeitsmigrant:innen in die EU und den Schengen-Raum geholt. Schleuser sollen – ebenso wie offenbar auch Regierungsbeamte – dafür bis zu 40.000 Dollar pro Visum eingesackt haben.

Dabei macht die nationalkonservative Regierung in Warschau Stimmung gegen Migrant:innen. Dass nun mitten im Wahlkampf gegen das Außenministerium ermittelt wird, setzt die regierende PiS unter Druck. Jetzt könnten auch ernstere Konsequenzen für das ganze Land drohen. Und ein Politiker soll einen Nervenzusammenbruch erlitten haben.

Aufruhr in Polen: Hinweise auf mieses Geschäft mit Arbeitsvisum

Derzeit herrscht wegen des Visa-Skandals in Polen Chaos. Im Zentrum der Ermittlungen stehen Außenminister Zbigniew Rau und sein Stellvertreter Piotr Wawrzyk.

Die Vorwürfe gegen Wawrzyk wiegen schwer. Er soll es demnach gewesen sein, der unter anderem in der Regierung von PiS-Ministerpräsident Mateusz Morawiecki darauf gedrängt hatte, im Jahr mindestens 400.000 ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen.

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Piotr Wawrzyk soll eine tragende Rolle im Korruptions-Skandal spielen. Bild: imago images / newspix

In den kommenden Jahren sollten damit zwei Millionen Personen – überwiegend aus Afrika und Asien – als Zeitarbeitende in das Land und schließlich in die EU und in den Schengenraum geschleust werden und das ungeprüft.

Wawrzyk setzen die Ermittlungen angeblich zu

Der stellvertretende Außenminister Wawrzyk wurde mittlerweile entlassen. Er versuchte sogar, sich das Leben zu nehmen, wie der Justizminister Zbigniew Ziobro mitteilte. Sein Zustand sei vorübergehend lebensbedrohlich gewesen. Laut polnischen Medienberichten gebe es mehrere Hinweise auf einen Selbstmordversuch.

Laut inoffiziellen Informationen eines "rmf"-Journalisten soll Wawrzyk in einem Brief geschrieben haben, dass er nichts falsch gemacht habe. Er wollte demnach vielmehr Menschen unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit helfen.

Unterdessen kommen immer mehr Vorwürfe gegen den Vizeminister ans Licht. Einem Bericht des Online-Portals "onet.pl" zufolge hatte er im November 2022 die polnischen Vertretungen in Neu-Delhi und Mumbai angewiesen, mehrere Dutzend Visa beschleunigt zu bearbeiten. Er begründete dies damit, dass die Visa für ein Film-Team für einen angeblichen Bollywood-Film mit dem Titel "Asati" sei.

Das Problem: Die vermeintlichen Filmemacher sind laut "onet.pl" in Wahrheit ein "Gemüselieferant und die Maskenbildnerin betrieb ein Nagelstudio an einer Tankstelle", heißt es in dem Bericht.

Zwar ist völlig unklar, wer genau wie viel an der Korruption in Zusammenhang mit der Visa-Vergabe verdient. Involviert sollen demnach aber nicht nur die Behörden in Polen sein. Spuren führen laut dem Bericht auch zu den polnischen Botschaften und Konsulaten in Hongkong, in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Taiwan, Indien, Saudi-Arabien, Singapur, Philippinen und Katar.

Es ist also ein Visa-Skandal mit gewaltigem Ausmaß: Im Visier der Ermittler stehen nicht weniger als 250.000 Visa, die Migrant:innen in den EU- und Schengenraum geholt haben.

Ungeprüfte Visa-Vergabe bringt Terrorgefahr mit sich

Nach Angaben lokaler Medien in Polen gab es bereits 2022 Hinweise darauf, dass einige Einwanderer ohne jede Sicherheitsüberprüfung nach Europa einwandern konnten. Zumindest, falls sie einen kleinen Geldbetrag dafür zahlten. Damit steige auch die Terrorgefahr in der EU und dem Schengenraum. Die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" berichtete zum Grund für die jetzigen Ermittlungen durch die CBA:

"Auf der Ebene der polnischen Konsulardienste kommt es zu Unregelmäßigkeiten, die zur massenhaften Ausstellung von Visa führen, die Ausländern aus Ländern, in denen eine terroristische Bedrohung besteht, die Einreise in den Schengen-Raum ermöglichen."

Auch eine indische Vermittlungs-Agentur mit dem Namen VFS soll in die Schleuser-Machenschaften involviert sein. Auf der Webseite dieser Firma heißt es, dass diese für "Visa-Outsourcing und Technologiedienstleistungen" in weltweit 70 Ländern zuständig sei.

Auf dieser Webseite können Menschen, die ein Visum wollen, Termine für die Anträge buchen. Wie Ermittlungen nun ergaben, sollen diese Termine auf der Webseite gezielt von Hackern gesperrt worden sein, um sie dann für 500 bis 800 Euro zu verkaufen. Wollten Antragsteller:innen ein schnelles Verfahren, mussten sie noch einmal tiefer in die Tasche greifen. Mehrere Tausend Euro. "Bild" schreibt von Schmiergeldzahlungen von bis zu 40.000 Euro.

Kontrast zu eigener Politik: Stimmen die Vorwürfe, hat Polen ein Problem

Die Vorwürfe stehen im deutlichen Kontrast zur Politik der Regierung in Polen. Die PiS-Regierung fährt eigentlich einen Kurs, der sich gegen Migrant:innen richtet, mit teils sogar rigoroser Propaganda. Polen gehört zu den strikteren Ländern in der EU, was die Einwanderungspolitik betrifft. Die Regierungspartei stellt den Grenzzaum zu Belarus etwa als Paradebeispiel für die erfolgreiche Abschottung gegen Einwandernde dar. Nun könnte das Land selbst an einer Massen-Immigration beteiligt sein.

In Zahlen: Fast ein Drittel aller EU-Arbeits-Visa in den vergangenen Jahren wurden von Polen ausgestellt. Im vergangenen Jahr war das Land mit 700.000 Visa das Land an der Spitze im Arbeits-Visa-Ranking der EU, gefolgt von Deutschland mit 540.000 und Spanien mit 460.000 Visa. Aktuelle Zahlen aus dem Jahr 2023 gibt es nicht. Wie "Bild" schreibt, verweigert das Land die Herausgabe der Daten an die EU.

Der Skandal kommt mitten im Parlaments-Wahlkampf ans Licht. Dazu schreibt die "Gazeta Wyborcza":

"Die Visa-Affäre stürzt die (nationalkonservative Regierungspartei) PiS in die Falle ihrer eigenen Propaganda und Lügen. Sie diffamierte Migranten als Bedrohung mit Parasiten und Keimen, als islamische Terroristen und Vergewaltiger. Gleichzeitig bekamen allein im Jahr 2022 Hunderttausende Menschen aus Afrika und Asien eine Arbeitserlaubnis in Polen. Seit Jahren werden die polnischen Konsulate vom Außenministerium aufgefordert, so viele Visa wie möglich für ausländische Arbeitnehmer auszustellen."

Und, so heißt es in dem Blatt weiter, nun werde das Land und dessen Mitgliedschaft im Schengen-Raum "sicherlich" infrage gestellt. Europäische Politiker:innen denken demnach nun wohl darüber nach, ob ein Land, "das Korruption bei der Visaerteilung duldet und Visuminhabern die Weiterreise von Polen in den Westen ermöglicht, dem Schengen-Raum angehören sollte".

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Wie Polen nun reagiert? Das Außenministerium weist die Vorwürfe entschieden von sich. Auch eine Zusammenarbeit mit der Visa-Agentur VSF bestreitet es. Außenminister Rau erklärte auf eine Presseanfrage, es gebe keine Verträge mit der polnischen Regierung.

Die Angaben werfen jedoch Fragen auf. Denn er sagt auch, dass es Verträge mit "Botschaften und Konsulaten der polnischen Regierung" gebe. Da stellt sich die Frage, ob der Außenminister damit andeutet, dass diese kein Teil des polnischen Staates sind. Sicher ist: Er will damit wohl klarstellen, dass er nichts mit all dem zu tun hat.

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