Über zehn Monate nach Beginn des Ukraine-Krieges hat Russland seine Angriffe erneut intensiviert. Zum Jahreswechsel geriet die Hauptstadt Kiew unter heftigen Beschuss. Im Osten des Landes gehen die Auseinandersetzungen an der Front weiter. Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigener Darstellung in der Region Donezk mehrere hundert russische Soldaten außer Gefecht gesetzt.
Während der von Russland einseitig erklärten Waffenruhe zum orthodoxen Weihnachtsfest haben ukrainische Soldaten im Donezker Gebiet das Feuer auf Stellungen des Feindes eröffnet. "Auf diese Weise gratulieren sie den Besatzern zum bevorstehenden Weihnachten!", teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Freitag in sozialen Netzwerken mit. In der Kleinstadt Bachmut seien Stellungen der russischen Truppen mit 120-Millimeter-Mörsergranaten als "Geschenk" beschossen worden. "Der Widerstand geht weiter, bis der letzte russische Eindringling auf ukrainischem Boden getötet ist!", hieß es in der Mitteilung.
In den ostukrainischen Städten Kramatorsk und Bachmut hat es am Freitag trotz der einseitig von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordneten Waffenruhe nach jüngsten Angaben Gefechte gegeben. Die russischen Streitkräfte hätten Kramatorsk nach dem angekündigten Beginn der Feuerpause mit Raketen angegriffen, erklärte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialbüros, Kyrylo Tymoschenko, im Onlinedienst Telegram.
Das russische Verteidigungsministerium hingegen erklärte, die Armee des Landes halte den Waffenstillstand ein. "Obwohl russische Streitkräfte den Waffenstillstand (...) einhielten, setzte das Kiewer Regime den Artilleriebeschuss auf Bevölkerungszentren und russische Armeestellungen fort", erklärte das Ministerium in den Onlinenetzwerken.
In der zuletzt schwer umkämpften Stadt Bachmut hörten AFP-Reporter Gefechtsfeuer sowohl von russischer wie auch von ukrainischer Seite. Es handelte sich aber um leichteren Beschuss als in den Tagen und Wochen zuvor in Bachmut. Die zu großen Teilen zerstörten Straßen der Stadt waren abgesehen von Militärfahrzeugen weitgehend leer. Die russischen Streitkräfte versuchen seit dem Sommer, die Stadt einzunehmen.
Die von Kremlchef Wladimir Putin am Donnerstag angekündigte einseitige Waffenruhe in der Ukraine zur orthodoxen Weihnacht ist am Freitagmittag Moskauer Zeit (10 Uhr MEZ) offiziell in Kraft getreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Feuerpause die angeordneten 36 Stunden hält, galt als gering.
Der Kreml hatte die Feuerpause damit begründet, Gläubigen die Möglichkeit geben zu wollen, an den Gottesdiensten teilzunehmen. Die ukrainische Führung hat bereits im Vorfeld die Aufforderung abgelehnt, in der Zeit ebenfalls die Waffen ruhen zu lassen. Frieden könne es erst nach dem Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine geben, hieß es aus Kiew.
Zugleich haben auch von Moskau eingesetzte Politiker in den besetzten Gebieten der Ukraine deutlich gemacht, dass sie im Zweifel bereit seien, zu schießen. Die Anordnung Putins betreffe nur Angriffshandlungen von russischer Seite. "Das bedeutet nicht, dass wir nicht auf Provokationen des Gegners antworten werden! Oder dem Feind auch nur irgendeine Chance geben werden, während dieser Feiertagsstunden seine Positionen an der Frontlinie zu verbessern", schrieb der von Moskau eingesetzte Statthalter in Donezk, Denis Puschilin am Donnerstag in seinem Telegram-Kanal.
Nach monatelangem Zögern hat die Bundesregierung sich – ebenso wie die USA – erstmals zur Lieferung von Schützenpanzern an die angegriffene Ukraine entschieden. Dafür dankte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Scholz und Biden für die angekündigten Waffenlieferungen. In einem Tweet schrieb er, dass Deutschland einen wichtigen Beitrag leiste, "dass alle russischen Raketen abgefangen werden."
In seiner Videoansprache in der Nacht zum Freitag fügte er hinzu: "Wir werden noch ein Patriot-System und mächtige Panzertechnik bekommen, das ist wirklich ein großer Sieg für unseren Staat." Zugleich erklärte er, im ständigen Austausch mit ausländischen Staats- und Regierungschefs zu sein, um weitere Militärhilfen zu erhalten.
Nach Frankreichs Entscheidung zu Kampfpanzern für die Ukraine bereiten offenbar auch Deutschland und die USA weitere Lieferungen vor. Beide Länder planten einen "qualitativ neuen Schritt" bei den Waffenlieferungen, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag aus Regierungskreisen.
Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" könnte es sich um Schützenpanzer des Typs Marder handeln. SPD, FDP und Grünen zeigten sich im Laufe des Tages offen für eine Lieferung von Panzern an die Ukraine. Zuletzt waren solche Lieferungen vor allem am Widerstand der SPD gescheitert.
Angesichts des bevorstehenden orthodoxen Weihnachtsfests hat Russlands Präsident Wladimir Putin eine zweitägige Feuerpause in der Ukraine angeordnet. Putin wies das russische Verteidigungsministerium an, von Freitagmittag bis in die Nacht auf Sonntag die Kampfhandlungen im Nachbarland einzustellen, wie aus einer Kreml-Mitteilung vom Donnerstag hervorgeht.
Die Ukraine hat die von Russland ausgerufene einseitige Waffenruhe als "Propaganda" bezeichnet. Russland müsse "die besetzten Gebiete verlassen – nur dann wird es eine 'vorübergehende Waffenruhe' geben. Behalten Sie die Heuchelei für sich", schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak am Donnerstag als Reaktion auf die Ankündigung des Kreml im Onlinedienst Twitter. "Dies ist eine reine Propaganda-Geste", fügte er in einer Erklärung hinzu.
Nach der französischen Zusage schwer bewaffneter Spähpanzer für die Ukraine hat auch Deutschland der Regierung in Kiew weitere Waffenlieferungen in Aussicht gestellt. "Wir werden nicht aufhören, Waffen an die Ukraine zu liefern", sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag auf einer Wirtschaftskonferenz in Oslo. Mit Blick auf die französische Entscheidung und die Erwägungen der US-Regierung, Schützenpanzer zu liefern, fügte der Wirtschaftsminister hinzu: "Wir werden unsere Lieferungen stets den Erfordernissen des Schlachtfelds anpassen." Aus Regierungskreisen in Berlin hieß es, man befinde sich mit Frankreich und den USA in Abstimmungen über weitere Waffenlieferungen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den russischen Staatschef Wladimir Putin am Donnerstag aufgerufen, eine "einseitige Waffenruhe" in der Ukraine zu erklären. Während eines Telefongesprächs habe Erdogan gesagt, dass "Aufrufe zu Frieden und Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew von einer einseitigen Waffenruhe und einer Vision für eine faire Lösung" begleitet werden sollten, erklärte das türkische Präsidialamt. Der Kreml hatte zuletzt erklärt, es werde während der orthodoxen Weihnachtsfeiertage keine Feuerpause geben.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die angekündigte Lieferung französischer Spähpanzer als wichtiges Signal auch an andere westliche Staaten gewertet. "Frankreich hebt die Verteidigungsunterstützung für die Ukraine auf ein neues Level und ich danke Präsident (Emmanuel) Macron für diese Führungsrolle", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache am Mittwochabend.
Macron hatte Selenskyj zuvor die Lieferung des Panzers AMX-10 RC zugesagt. Der Radpanzer mit großer Kanone wird vor allem zur Aufklärung eingesetzt. Im besetzten Teil des Gebiets Saporischschja gelang der ukrainischen Armee unterdessen eigenen Angaben zufolge erneut ein Schlag gegen russische Soldaten.
Das ukrainische Militär berichtete über einen weiteren erfolgreichen Angriff gegen Russlands Armee. In der besetzten Stadt Tokmak im südukrainischen Gebiet Saporischschja seien bei einer Offensive am Dienstag 80 russische Soldaten getötet oder verletzt worden, teilte der Generalstab in Kiew mit.
Ein Sprecher der russischen Besatzungsverwaltung von Saporischschja, Wladimir Rogow, hingegen behauptete, der ukrainische Angriff habe dem Kreiskrankenhaus von Tokmak gegolten. Es seien ein Militärarzt und mehrere Patienten getötet worden. Dazu wurden Bilder von einem schwer zerstörten Gebäude gezeigt. Unabhängige Bestätigungen der Angaben lagen jedoch nicht vor.
Die Ukraine meldet seit Tagen immer wieder massive Schläge auf russische Truppenansammlungen. Alleine bei einem Angriff auf eine russische Militärunterkunft in Makijiwka im Gebiet Donezk sollen den Kiewer Angaben zufolge 400 und bei einer weiteren Offensive in der Ortschaft Tschulakiwka in Cherson 500 feindliche Soldaten getötet worden sein. Moskau hingegen hat mit Blick auf die ukrainischen Artillerieschläge in der Neujahrsnacht bislang nur mindestens 89 Tote in den eigenen Reihen eingeräumt.
Frankreich will der Ukraine "leichte Kampfpanzer" liefern. Das habe der französische Staatschef Emmanuel Macron seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj zugesagt, teilte der Élyséepalast am Mittwoch nach einem Telefonat der beiden Präsidenten mit.
Russlands Staatschef Wladimir Putin hat am Mittwoch ein mit Hyperschallraketen bewaffnetes Kriegsschiff auf eine Übungsmission in den Atlantik, den Indischen Ozean und ins Mittelmeer geschickt. "Ich bin sicher, dass solch mächtige Waffen es ermöglichen, Russland zuverlässig vor externen Gefahren zu schützen", erklärte der Kreml-Chef nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Die Mission des Kriegsschiffs trage dazu bei, "die nationalen Interessen unseres Landes sicherzustellen".
Das 2018 in Dienst gestellte Kriegsschiff ist die erste Fregatte, die mit den neuen Raketen ausgestattet wird. Die Zirkon hat eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern und dient in erster Linie zur Schiffsbekämpfung. Wegen ihrer extrem hohen Geschwindigkeit – nach russischen Angaben kann sie auf bis zu 8000 bis 9000 Kilometer pro Stunde beschleunigen – ist sie von der Flugabwehr praktisch nicht aufzuhalten.
Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr Genehmigungen für deutsche Rüstungsexporte im Gesamtwert von 8,36 Milliarden Euro erteilt. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch in Berlin mit. 2021 hatte das Gesamtvolumen demnach 9,35 Milliarden Euro betragen.
Allein Genehmigungen im Umfang von 2,24 Milliarden Euro entfielen demnach auf Lieferungen an die Ukraine, um das Land gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstützen. Zudem habe es Genehmigungen von insgesamt 5,1 Milliarden Euro an EU-, Nato- und gleichgestellte Staaten gegeben. Die Exporte in sogenannte Drittländer abgesehen von der Ukraine wurden mit rund einer Milliarde Euro angegeben.
Das Exportvolumen von Rüstungsgütern insgesamt ist das - hinter dem Höchstwert von 2021 – bislang zweitgrößte seit Bestehen der Bundesrepublik. Die Zahlen decken sich weitgehend mit vorläufigen Angaben, die das Wirtschaftsministerium vor zwei Wochen auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hin gemacht hatte.
Nach den ukrainischen Angriffen auf eine russische Militärunterkunft in Makijiwka im Gebiet Donezk hat das Verteidigungsministerium in Moskau die Zahl der getöteten eigenen Soldaten um mehr als 20 auf 89 nach oben korrigiert. Die Männer und auch der stellvertretende Kommandeur seien nach dem Raketenschlag in der Neujahrsnacht in den Trümmern des eingestürzten Gebäudes aus Stahlbeton gefunden worden, teilte Generalleutnant Sergej Sewrjukow in Moskau in der Nacht zum Mittwoch mit. Zuvor war von 63 Toten die Rede gewesen. Die Ukraine hatte die Unterkunft mit dem US-amerikanischen Mehrfachraketenwerfer Himars beschossen.
Sewrjukow räumte erstmals auch Fehler ein und bestätigte damit Medienberichte. Demnach war der Hauptgrund für die "Tragödie", dass die Soldaten in der Neujahrsnacht trotz eines Verbots massenhaft ihre Mobiltelefone benutzt und damit die ukrainische Seite auf ihren Standort aufmerksam gemacht hätten. Demnach schossen die ukrainischen Streitkräfte sechs Raketen ab, von denen vier einschlugen und zwei abgefangen worden seien, hieß es. Die Ukraine hatte von 400 Toten und 300 Verletzten in Makijiwka (russisch: Makejewka) gesprochen.
Die Untersuchungen liefen zwar noch, aber so viel zu den Hintergründen sei schon klar, sagte Sewrjukow. "Dieser Faktor hat es dem Gegner ermöglicht, die Richtung zu bestimmen und die Koordinaten der Lage der Soldaten zu orten, um den Raketenschlag zu vollziehen." Gegenwärtig werde dafür gesorgt, dass sich das nicht wiederhole. Zudem würden die schuldigen Diensthabenden zur Verantwortung gezogen.
Das nächste Spitzentreffen zwischen der EU und der Ukraine soll voraussichtlich am 3. Februar in der ukrainischen Hauptstadt Kiew stattfinden. Wie das ukrainische Präsidialamt am Montag mitteilte, werden sich die Spitzen der EU und der Ukraine in dem Land treffen, das durch den russischen Angriffskrieg seit über zehn Monaten verwüstet wird. Die EU bestätigte am Dienstag das Datum, aber nicht den Ort.
"Ich kann den Ort noch nicht bestätigen", erklärte der Sprecher des an dem Treffen teilnehmenden EU-Ratspräsidenten Charles Michel. Für die EU nimmt neben Michel auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an dem Treffen teil, fügte der Sprecher hinzu. Dieses Spitzentreffen zwischen der EU und der Ukraine fand jährlich bereits vor Beginn des Ukraine-Kriegs statt.
Im Gebiet Cherson im Süden der Ukraine hat das ukrainische Militär den russischen Streitkräften nach eigenen Angaben mit einem Artillerieangriff schwere Verluste zugefügt. Nahe der Ortschaft Tschulakiwka sei den Ukrainern ein Treffer gegen feindliche Truppen und Militärtechnik gelungen, teilte der ukrainische Generalstab am Dienstag in seinem Lagebericht mit. "Die Verluste des Gegners belaufen sich auf 500 Tote und Verletzte", hieß es. Der Angriff sei bereits in der Silvesternacht erfolgt. Die Angaben des Militärs ließen sich nicht unabhängig prüfen. Beide Kriegsparteien sprechen häufig von hohen Verlusten der gegnerischen Seite.
Der Tod dutzender russischer Soldaten bei einem ukrainischen Angriff in der Ostukraine hat in Russland Kritik an der Militärführung ausgelöst. "Zehn Monate nach Beginn des Krieges ist es gefährlich und kriminell, den Feind als einen Dummkopf zu betrachten, der nichts sieht", sagte Andrej Medwedew, stellvertretender Vorsitzender des Moskauer Stadtparlaments. Moskau hatte am Montag nach einem ukrainischen Angriff den Tod von 63 Soldaten in der von Russland kontrollierten Stadt Makijiwka in der ostukrainischen Region Donezk eingeräumt.
Angesichts der wiederholten russischen Drohnenangriffe auf ukrainische Städte in den vergangenen Tagen warnt Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj vor einem möglichen Abnutzungskrieg. "Wir haben Informationen, dass Russland einen langfristigen Angriff von Schahed-Drohnen plant", sagte Selenskyj am Montagabend in seiner täglichen Videoansprache. Russland wolle damit Abnutzung erreichen. "Die Erschöpfung unserer Leute, unserer Luftverteidigung, unserer Energie", sagte er. "Aber wir müssen und werden alles tun, damit dieses Ziel der Terroristen wie alle anderen scheitert."
Das russische Militär setzt sogenannte Kamikaze-Drohnen ein, die sich am Ende ihres Fluges senkrecht auf ihr Ziel herabstürzen. Die relativ langsamen Drohnen aus iranischer Produktion sind ein leichtes Ziel für die Flugabwehr, doch die großen Mengen der eingesetzten unbemannten Flugapparate und die ständige Luftraumüberwachung sind eine große Herausforderung für die ukrainische Luftabwehr.
"Seit Jahresbeginn sind nur zwei Tage vergangen", sagte Selenskyj. "Und schon beträgt die Zahl der über der Ukraine abgeschossenen Drohnen über 80." Die russischen Militärs setzen die Drohnen überwiegend gegen ukrainische Städte ein, um dort möglichst Schäden im Energienetz anzurichten.
Ältere Nachrichten aus dem Krieg in der Ukraine findest du hier.
(nik/ast/mit Material von dpa/afp)