Die Anzeichen verdichten sich und immer mehr Menschen sind überzeugt: Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, fand am Mittwoch, 23. August, den Tod bei einem Flugzeug-Absturz. Zunächst teilte der Wagner-nahe Telegram-Kanal "Gray Zone" den Tod Prigoschins mit. Die russische Zivilluftfahrtbehörde bestätigte ungewöhnlich schnell, dass sein Name sowie der seines Stellvertreters, Wagner-Kommandeur Dmitri Utkin, auf der Passagierliste des abgestürzten Privatjets standen. Alle zehn Insassen des Privatjets sollen tot sein.
Doch unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben bisher nicht. Und: Bei Informationen, die sich um Prigoschin und seine Gruppe Wagner oder auch Russlands Machthaber Wladimir Putin drehen, sind verzerrte Fakten, gelinde gesagt, nichts Ungewöhnliches.
Die ungeklärten Umstände rund ums vermeintliche Ableben von Jewgeni Prigoschin haben die Spekulationen angeregt. Die Frage, ob der Chef der berüchtigten Söldnertruppe tatsächlich gestorben ist oder nicht, treibt die Gerüchteküche an. Es gibt mehrere Theorien dazu, was passiert sein könnte.
Berichten zufolge wurde Prigoschins Leiche bisher nicht unter den geborgenen Überresten identifiziert. Aber: Russlands Präsident Putin bestätigte Prigoschins Tod indirekt am Donnerstagabend (24. August). Angeblich wurde sein Handy an der Absturzstelle entdeckt. Doch das heizt die Kontroversen nur noch mehr an.
Unmittelbar nach Bekanntgabe des mutmaßlichen Todes von Prigoschin begannen Spekulationen darüber, ob der einstige Verbündete Putins einem Racheakt zum Opfer fiel. Putin ist bekannt dafür, mit Verrätern hart ins Gericht zu gehen – in diesem Kontext erscheint Prigoschins vermeintlicher Mord als nachvollziehbarer Schritt. Denn Prigoschin hatte mit seiner Söldnertruppe einen Putschversuch gestartet. Weit hergeholt ist diese Theorie also nicht, gilt sogar als wahrscheinlich.
Aus diesem Grund gibt es auch Spekulationen darüber, dass die Wagner-Gruppe nun möglicherweise eigene Rachegelüste gegenüber dem Kreml hegt. Der Telegram-Kanal "Grey Zone" – er steht der Wagner-Gruppe nahe – ließ verlauten, Prigoschin und Utkin seien "den Folgen von Verrätern gegen Russland" erlegen. Weitere Details nannten sie nicht.
Aber: Dieser "Mord" an Prigoschin werde, so heißt es dort, "verheerende Auswirkungen" haben. Es kursiert ein Video, das angeblich drei Wagner-Söldner zeigt. Dieses lässt ebenfalls vermuten, dass die Gruppe möglicherweise Vergeltungsaktionen plant.
Während die einen überzeugt von Prigoschins Tod sind, glauben andere an eine große Täuschungsaktion. War der Absturz Prigoschins Privatjet lediglich eine Inszenierung? War der Söldner-Chef überhaupt an Bord?
Der russische Telegram-Kanal "Baza", der angeblich Kontakt zu den russischen Sicherheitsdiensten hat, erinnert an frühere Vorkommnisse: Bereits im Oktober 2019 war die Meldung kursiert, Prigoschin sei bei einem Flugzeug-Absturz in der Demokratischen Republik Kongo umgekommen. Später stellte sich jedoch heraus, dass er nicht mitgeflogen war.
Das osteuropäische Nachrichtenportal "Visegrad 24" stellte eine andere Frage in den Raum: "Könnte der Absturz ein ausgeklügelter Trick von Prigoschin sein, um seinen Tod vorzutäuschen und zu verschwinden?", heißt es dort. Auf Social Media gibt es zahlreiche Beiträge und Theorien dazu, dass ein vorgetäuschter Tod Prigoschins für den Wagner-Chef in Anbetracht der Lage praktisch wäre. Putin wäre glücklich und Prigoschin könnte seinen "Ruhestand" genießen.
Andere Mutmaßungen besagen, dass Prigoschin möglicherweise zeitgleich in ein zweites Flugzeug gestiegen ist, das von Moskau nach Sankt Petersburg flog. Die Idee, dass Prigoschin seinen Tod mit allen Mitteln lediglich vortäuschte, ist durchaus plausibel. Schon seit dem gescheiterten Putschversuch kursierten Gerüchte, dass Prigoschin aus Angst vor Vergeltung durch Putin Double einsetzen könnte.
Dies wurde durch Fotos aus diesem Jahr angeheizt, auf denen Prigoschins Finger unversehrt scheinen, obwohl er zuvor einen Teil eines Fingers verloren hatte. Andere Bilder zeigen ihn in verschiedenen Verkleidungen, was den Spekulationen weiteren Auftrieb verleiht.
Der ntv-Korrespondent Peter Leontjew äußerte ebenfalls die Möglichkeit, dass Prigoschin vielleicht nicht im abgestürzten Flugzeug saß. Allerdings brachte er auch Zweifel an dieser Theorie zum Ausdruck: "Warum sollte Prigoschin seinen Doppelgänger von Moskau nach Sankt Petersburg schicken?" Margarita Simonjan, eine Vertraute Putins und Leiterin des staatlichen Fernsehsenders RT, zeigte ebenfalls Skepsis gegenüber den kursierenden Online-Gerüchten. Sie wurde mit den Worten zitiert: "Ich tendiere persönlich zu der offensichtlicheren Variante". Damit meint sie einen Mord an Prigoschin.
So oder so: Dass es einen Flugzeugabsturz gegeben hat, steht wohl außer Frage. Nicht nur Videos, sondern auch Daten des Flightradar24 liefern klare Hinweise. Doch was löste den Absturz letzlich aus? Berichten zufolge stürzte das Flugzeug nach einem dramatischen Sinkflug wie ein Stein vom Himmel.
Die "New York Times" und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, dass vermutlich eine Explosion an Bord des Flugzeugs den Absturz ausgelöst habe. Das sei "die wahrscheinlichste Begründung", schrieb die "New York Times" am Freitag. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums bestätigte, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass der Jet von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden sei, wie von Prigoschin nahestehende Webseiten und Kanälen in sozialen Medien gemutmaßt.