Russland will an vorderster Front offenbar nun auch Soldatinnen einsetzen. Bild: AP / LIBKOS
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Die Berichte über Personalprobleme in den für Russland kämpfenden Truppen reißen nicht ab. Nun melden russische Medien, dass die Regierung begonnen habe, auch weibliche Gefangene für den Kampf an der Front zu mobilisieren.
Nico Conzett / watson.ch
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin sprach jüngst von "kolossalem Widerstand" der ukrainischen Truppen in der umkämpften Stadt Bachmut in der Ostukraine. Zwar konnten die russischen Einheiten einen Erfolg vermelden, als sie den Ostteil der Ortschaft eroberten, doch insgesamt tun sich die Angreifer in einer der zumindest symbolisch bedeutendsten Schlachten des bisherigen Kriegsverlaufs schwer.
Seit Wochen versuchen die Russen Bachmut einzunehmen. Der ukrainische Generaloberst Olexander Syrsky sprach am Montag zwar von Angriffen der Wagner-Sturmtruppen aus mehreren Richtungen, um ins Stadtzentrum vorzudringen, doch man habe den Aggressoren mit Artillerie und Panzern "spürbare Verluste" zufügen können.
Dieses von Maxar Technologies bereitgestellte Satellitenbild zeigt brennende und zerstörte Gebäude in Bachmut.Bild: Maxar Technologies / -
Der Abnutzungskampf scheint tatsächlich Spuren in den russischen Reihen zu hinterlassen. Reihen, die sich in den andauernden Gefechten je länger je mehr lichten. So berichtete der britische Geheimdienst am Montag über zunehmende Personalprobleme der russischen Truppen, insbesondere auch bei Prigoschins Söldnereinheit Wagner.
Frauen an die Front
Einem Bericht der englischsprachigen, in Moskau produzierten Onlinezeitung Moscow Times zufolge ist die russische Regierung nun dazu übergegangen, auch weibliche Strafgefangene für den Krieg in die Ukraine zu beordern. Die Zeitung bezieht sich sowohl auf Aussagen von ukrainischen Behörden als auch einer russischen Organisation, die sich für Rechte von Strafgefangenen einsetzt.
Das ukrainische Verteidigungsministerium erklärte in einem Bericht am Montag, dass in der Region Donezk ein Konvoi mit Fahrzeugen gesichtet wurde, in welchem mutmaßlich weibliche Häftlinge in Frontnähe gebracht wurden. Olga Romanova von der russischen Gefangenenrechtsorganisation "Russia Behind Bars" bestätigte die Meldung der Ukrainer gegenüber der Investigativ-Newsplattform iStories.
Wladimir Putin geht wohl die Männer aus, nun soll er auch Frauen an die Front schicken. Bild: IMAGO/ITAR-TASS / Russian President Press Office
Romanova erklärte zudem, dass sich bereits seit Ende des letzten Jahres weibliche Strafgefangene in der Ukraine befinden sollen. Demzufolge sollen die Frauen aus Strafkolonien in Südrussland stammen, aus der Region Krasnodar.
Unklar ist, ob sich die Frauen freiwillig zum Fronteinsatz meldeten oder ob sie unter Druck gesetzt und mit der zweifelhaften Aussicht auf Freiheit im Überlebensfall an die Front geholt wurden – wie das zuvor für männliche Häftlinge gemeldet wurde.
Bürgermeister von Melitopol: Ukrainer sollen für Russland nach Bachmut
Doch die Rekrutierung von weiblichen Häftlingen scheint nicht die einzige Maßnahme der Russen zu sein, um neues Personal für die Front zu generieren. Der Bürgermeister der besetzten Stadt Melitopol, Iwan Fedorow, erklärte in einer Botschaft, dass die Wagnergruppe angefangen habe, Einwohner seiner Stadt zu rekrutieren, um sie nach Bachmut zu schicken, wie der Kyiv Independent berichtet.
Melitopol liegt südlich von Saporischschja, etwa auf halbem Weg zwischen der für ihr Atomkraftwerk bekannten Stadt und der Krim. Fedorow, der sich laut der Zeitung auf ukrainisch kontrolliertem Gebiet befindet, sagte, dass die Russen den Einwohnern 200.000 Rubel pro Monat (etwa 2450 Euro) böten, wenn sie für Russland an die Front gingen.
Es sind derweil nicht die einzigen Rekrutierungsversuche der Söldner, um ihre Truppen aufzustocken. Wagner-Chef Prigoschin erklärte am Wochenende in einem Video, dass Wagner zahlreiche neue Rekrutierungszentren in den verschiedensten russischen Städten eröffnet habe.
Waffenlieferungen sind ein leidiges Thema mit Frustrationspotenzial. Sowohl Waffenlieferungen an die Ukraine als auch an Israel bestimmten in den vergangenen Monaten und Jahren zahlreiche Diskussionen in der deutschen Politik. Einigkeit gab es nur bedingt.