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Waffenstillstand in Gaza: Deshalb muss das "Spiel" von Netanjahu enden

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Menschen im Gazastreifen feierten die Ankündigung eines bevorstehendes Waffenstillstandsabkommen.Bild: imago images / apa / Omar Ashtawy
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Waffenstillstand in Gaza: Wieso das "Spiel" von Netanjahu und Hamas enden muss

16.01.2025, 16:20
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Der Jubel und die Hoffnung waren groß: Am Mittwochabend wurde eine Einigung auf eine Waffenruhe und den Austausch zahlreicher Geiseln und Gefangener zwischen Israel und der Hamas verkündet. Weltweit wurde dies als Zeichen eines möglichen Wendepunkts in dem brutalen Konflikt gefeiert, der seit dem 7. Oktober 2023 unzählige Opfer gefordert hat. Doch nur wenige Stunden später geriet die Einigung ins Wanken.

Eigentlich sollte das israelische Sicherheitskabinett am Donnerstagmorgen die Waffenruhe im Gazastreifen billigen. Die Sitzung wurde verschoben. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, dass "mehrere Klauseln des Rahmens" noch unklar seien. Gleichzeitig beschuldigte er die Hamas, von Teilen der Einigung abgerückt zu sein. Die Hamas bestreitet dies.

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Der Politologe Hajo Funke bezeichnet diese Dynamik im Gespräch mit watson als "altes Spiel": Sowohl Israel als auch die Hamas würden Blockadestrategien verfolgen. Doch ein Waffenstillstand wäre ein wichtiger Schritt in Richtung einer politischen Lösung und die Chancen, dass dieser zustande kommt, steigen.

Waffenstillstand: Israel zögert, doch der Druck steigt

In den vergangenen Monaten führte Netanjahu dem Politologen zufolge eine hochgefährliche Politik, die auch auf seinen eigenen Interessen beruhte. Laut Funke dürfe man nicht vergessen: "Wir haben in Israel einen rassistischen Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und einen ebenfalls rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotrich, an denen Netanyahu hängt."

Endet der Krieg, ist der Sturz des umstrittenen Premierministers Netanjahu denkbar. Der Premierminister wolle seinen politischen Machterhalt sichern – selbst um den Preis anhaltender Kriege.

ARCHIV - 29.10.2023, Israel, Tel Aviv: Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel. (zu dpa: «Israel: Hoffen auf Gaza-Abkommen noch heute Abend») Foto: Abir Sultan/Pool European Pressphoto Agency ...
Benjamin Netanjahu führt Krieg für den Machterhalt.Bild: Pool European Pressphoto Agency/ / Abir Sultan

Nicht nur, dass Israel nach dem brutalen Überfall der Hamas am 7. Oktober zurückgeschlagen hat. Funke betonte die enormen humanitären Kosten des Konflikts: "90 Prozent der Bevölkerung in Gaza wurden durch Israels Vorgehen gefährdet, ohne dass dies so notwendig wäre."

Die Idee, die Hamas komplett zu zerschlagen, bezeichnet er als utopisch. Neben dem Konflikt in Gaza belastet auch der Krieg Israels mit der Hisbollah im Südlibanon die Stabilität der Region.

Aus diesen Gründen steige der innenpolitische Druck auf Netanjahu immens.

Doch auch die Hamas steht zunehmend unter Druck. Die Hisbollah steht ihr nicht mehr zur Seite, weil sie militärisch geschwächt ist. Syrien ist nicht mehr an ihrer Seite, weil das System gestürzt ist und der Iran will und kann auch nicht mehr so stark intervenieren.

15.01.2025, Palästinensische Gebiete, Chan Junis: Palästinenser feiern die bevorstehende Ankündigung eines Waffenstillstandsabkommens zwischen der Hamas und Israel in Chan Junis im zentralen Gazastrei ...
Chan Junis: Palästinenser feierten die bevorstehende Ankündigung eines Waffenstillstandsabkommens.Bild: AP / Jehad Alshrafi

Dank dieser Umstände und der steigenden internationalen Einflussnahme hätten sich die Blockadestrategien der Akteure verändert. Funke glaubt: Diese könnte dafür sorgen, dass "jetzt doch diese letzte Hürde für eine dreiphasige Waffenstillstandspolitik" überwunden werden könnte.

Waffenstillstand in Gaza? Ein erster Schritt zu einer politischen Lösung

In dem geplanten Drei-Phasen-Modell müsste die israelische Armee schrittweise Gaza verlassen und sich in eine Pufferzone zurückziehen. Zudem kämen israelische Geiseln und palästinensische Gefangene frei. "Es wäre die Chance für humanitäre Hilfe, das Ende von Hungersnot und Verzweiflung und des Sterbens von Tausenden", sagt Funke. Zwar bedeute ein Waffenstillstand nicht gleich Frieden, allerdings sei ohne Waffenstillstand "alles nichts".

Auch der Friedens- und Konfliktforscher Thorsten Bonacker stellt auf watson-Anfrage klar: "Ein Waffenstillstand ist immer ein erster Schritt auf dem Weg zu einer politischen Lösung." Wenn sie hält, bedeute sie zumindest ein Ende der unmittelbaren Gewalt. Wie nachhaltig dies sein kann, hängt ihm zufolge von mehreren Faktoren ab und ist zum aktuellen Zeitpunkt völlig unklar:

"Das zentrale Ziel Israels ist es, die Hamas kampfunfähig zu machen. Man wird nun und in der näheren Zukunft sehen, ob dies gelungen ist. Ich gehe davon aus, dass Israel sich nur dann an den Waffenstillstand gebunden fühlt, wenn die Hamas keine Anstalten unternimmt, sich militärisch zu reorganisieren."

Der Erfolg des möglichen Waffenstillstands ist laut Bonacker zudem in hohem Maße davon abhängig, wie sich die Regierungen verhalten, die die Konfliktparteien unterstützen, vor allem der Iran und die USA. "Es spricht einiges dafür, dass der Iran eher ein Interesse daran hat, die Eskalation in Grenzen zu halten. Trump hingegen wird den Druck auf den Iran erhöhen."

Nahost-Konflikt und Spannungen in Deutschland

Eine Einigung könnte nicht nur dem übermäßigen Sterben der Menschen im Gazastreifen ein Ende setzen und ihnen humanitäre Hilfe bescheren. Sie könnte auch den Hass, der derzeit weltweit in Bezug auf den Konflikt herrscht, etwas besänftigen. In Deutschland kocht die Stimmung seit Ausbruch des Krieges mitunter über.

Hier könnte laut Funke mehr Ruhe eintreten.

Und der Konfliktforscher Bonacker fügt hinzu: "Es ist offenkundig geworden, dass eine Spannung besteht zwischen der staatlichen Solidarität mit Israel, die vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte einen zentralen Platz im politischen Selbstverständnis Deutschlands hat, und der kritischen Sicht auf Israel in Teilen der Bevölkerung." Das Thema werde Deutschland also ebenfalls noch lange beschäftigen.

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