Wahlnächte waren für Sozialdemokraten in Europa zuletzt fast ausschließlich eine Enttäuschung. Ob in Frankreich, den Niederlanden oder vor allem in Deutschland: Sozialdemokratische Parteien schmierten überall ab.
Anders in Finnland. Hier landeten die Sozialdemokraten nach den Parlamentswahlen am Sonntag auf dem ersten Platz. Zwar nur mit 17,7 Prozent. Und nur hauchdünn vor der rechtspopulistischen Partei Die Finnen (17,5 Prozent). Aber es ist der erste Wahlsieg für die Finnen-Sozis nach zwei Jahrzehnten.
Der SPD-Politiker Udo Bullmann, Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, sagte dann auch am Montag: "Das macht Hoffnung weit über Finnland hinaus." Im Mai stehen schließlich die Europawahlen an.
Wahlerfolge sind rar bei den deutschen Sozialdemokraten, in Umfragen liegt die SPD weit hinter der Union, bei 15 bis 18 Prozent. Können die deutschen Sozis von ihren finnischen Kollegen etwas lernen?
Das haben wir Teivo Teivainen gefragt. Er ist Professor für Politik an der Universität Helsinki.
"Ohne diesen Skandal hätten die Sozialdemokraten nicht gewonnen"
Natürlich müssen die Eigenheiten in Finnland und Deutschland beachtet werden, vergleicht man die Wahlergebnisse in beiden Ländern. So profitierten die finnischen Sozialdemokraten vor allem von einem Skandal um private Pflegeheime, erklärt uns Teivainen am Telefon.
"Im Januar gab es einen Skandal in der Altenpflege, ein privater Anbieter behandelte alte Menschen ohne adäquate Versorgung, um Personal einzusparen und den Profit zu erhöhen." Vor allem die Mitte-rechts Regierungskoalition unter der Führung der liberalen Zentrumspartei von Ministerpräsident Juha Sipilä sei dafür von den Wählern abgestraft worden, sagt der Finnland-Experte.
Profiteure waren demnach die Sozialdemokraten. Teivainen denkt, dass die Partei ohne diesen Skandal die Wahl nicht gewonnen hätte.
Antti Rinne, Vorsitzender der Sozialdemokraten in Finnland.Bild: Lehtikuva
Aber dennoch sieht der Experte eine spannende Entwicklung in Finnland, die auch die europäischen Sozialdemokraten interessieren dürfte: Im Gegensatz zu den Wahlen vor vier Jahren hätten die finnischen Sozialdemokraten dieses Mal nicht über Sparsamkeit und Kürzungen im nationalen Haushalt gesprochen.
Teivainen erklärt:
"Vor vier Jahren haben die Sozialdemokraten versucht, wirtschaftlich wie die konservativen Parteien zu sein. Sie haben nicht so viele Stimmen bekommen."
Sie verfolgten einen ähnlichen Kurs wie etwa Labour in Großbritannien unter Jeremy Corbyn. Mit dem überzeugten Marxisten an der Spitze wurde die Partei beliebt bei jungen Menschen.
Sollte sich die SPD das also zum Vorbild nehmen? Mit der Grundrente und der Hartz-IV-Wende versuchte die Partei zuletzt, ihr soziales Profil zu schärfen. In den Umfragen ging es tatsächlich auch nach oben. Allerdings nur zunächst. In letzter Zeit stagniert die SPD wieder.
Sieger in Finnland sind auch die Grünen
Die wahre Erfolgsstory in Finnland lieferte für Teivainen eine andere Partei: die Grünen. In den vergangenen acht Jahren verdoppelten sie ihre Sitze im Parlament, von zehn auf 20.
Politikwissenschaftler Teivainen macht dafür mehrere Gründe aus. Ihr Parteichef Pekka Haavisto sei einer der beliebtesten Politiker des Landes, in Umfragen führt er die Liste der Wunschkandidaten für das Amt des Premierministers an.
Auch die aktuelle Debatte über Umweltschutz, durch die Fridays-for-Future-Demonstrationen noch stärker ins öffentliche Bewusstsein gebracht, half laut Teivainen den Grünen.
Aber auch die Rechtspopulisten der Finnen-Partei profitierten davon, sie landeten knapp hinter den Sozialdemokraten auf dem zweiten Platz. "Sie kanalisierten die Ansichten der Klimaskeptiker und das Gefühl bei Menschen mit niedrigen Einkommen, die das ganze Jahr für einen Urlaub auf den Kanarischen Inseln sparen und dann dafür von Umweltschützern kritisiert werden", erklärt uns der Experte.
Im Mai wird zu sehen sein, welche Partei bei den Europawahlen an den Erfolg von diesem Sonntag anknüpfen kann. Die Finnen-Partei wird dabei auch in einer Allianz mit der deutschen AfD antreten.
Teivainen erwartet, dass die Rechtspopulisten in Finnland ein solides Ergebnis einfahren werden. Ihnen könnte der Umstand helfen, dass sie bei den nun anstehenden komplizierten Sondierungsgesprächen womöglich außen vor sind.
Antti Rinne, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, ließ nach ersten Sondierungsgesprächen noch offen, mit welchen Parteien er eine Koalition eingehen will.
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