Weltweit gingen Menschen nach dem Tod Nawalnys auf die Straße.Bild: imago images / Europa Press/ ABACAPRESS
International
Die Nachricht über den Tod Alexej Nawalnys löste weltweit Bestürzung aus. An einen natürlichen Tod des Kreml-Kritikers, wie es das Regime um den russischen Machthaber Wladimir Putin propagiert, glauben die wenigsten. Am Wochenende gingen zahlreiche Menschen auf die Straßen, um gegen Putin zu demonstrieren und dem berühmtesten russischen Widerstandskämpfer zu gedenken.
Es ist noch nicht lange her, als Nawalny mehrere Wochen vermisst wurde, ehe er im Dezember in der Strafkolonie Charp in der russischen Arktis wieder auftauchte.
Schon damals fürchteten viele, Putin hätte sich seines prominentesten Kritikers entledigt. Auch jetzt, nach der Bestätigung des Todes Nawalnys, gehen viele davon aus, dass der Kreml seine Finger im Spiel hatte.
Ex-Häftlinge der Strafkolonie, die auch "Polarwolf" genannt wird, haben nun über die Haftbedingungen vor Ort gesprochen – und offenbart, wie sie selbst auf die Todesnachricht reagiert haben.
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Straflager "Polarwolf": Schlechte Hygiene und Foltermethoden
So berichtet das Nachrichtenportal "Meduza" von einem Ex-Häftling, der selbst zwei Jahre in dem Isolationstrakt gesessen habe, der für Menschen unter "strengen Haftbedingungen" reserviert ist. "Meduza" zitiert den Häftling: "Die gesamte Einheit ist mit Pilzen bedeckt, auch der Flur. Dort wachsen Pilze vom Boden."
Nawalnys Haftbedingungen seien allerdings noch härter gewesen. Im Herbst 2023 soll er in einem Abschnitt mit "Einzelzellenräumen" untergebracht worden sein – damals mit der Aussicht, dort mindestens ein Jahr ausharren zu müssen. Diese Einheit im Straflager ist laut Aussagen von früheren Häftlingen so isoliert, dass nicht einmal Mitinsassen wüssten, wer dort sitzt.
Laut eines Experten der Gefangenenrechtsgruppe "Russland hinter Gittern" ist diese Art der Bestrafung "immer Folter". Nawalny sei während seiner Haftzeit 27 Mal in diese Zelle gesteckt worden.
Während der Strafisolation dürfen die Gefangenen offiziell eine Stunde täglich in einem kleinem, mit Netz überspanntem Hof spazieren gehen. Kameras gebe es dort keine mehr – und somit keinerlei Überwachung. Ex-Häftlinge berichten, dass es dort mehrfach zu Handgreiflichkeiten gekommen sei, ohne dass jemand eingriff. Da der Hof auch von den anderen Insassen genutzt werde, werden demnach Isolationshäftlinge meist am frühen Morgen hinausgelassen.
"Meduza" ist es nicht gelungen, einen genauen Tagesablauf Nawalnys zu rekonstruieren, auf Telegram hat er aber darüber berichtet, morgens um 6.30 Uhr spazieren gehen zu dürfen. In einer Nachricht vom 9. Januar berichtete er von einem Spaziergang in einem Hof, in dem in jede Richtung nur wenige Schritte möglich seien: "Es ist kein großer Spaziergang, aber zumindest gibt es etwas Bewegung, also gehe ich raus."
Ex-Häftlinge prangern medizinische Versorgung in Nawalny-Straflager an
Die Ex-Häftlinge, mit denen "Meduza" gesprochen hat, bezweifeln, dass Nawalny eines natürlichen Todes gestorben ist. "Als ich las, dass er angeblich an einem Blutgerinnsel gestorben war, sagte ich zu meinen Jungs: 'Hurensohn. Seht mal, sie haben ihn getötet!'". Der Tod an angeblichen "Blutgerinseln" oder anderen mysteriösen natürlichen Todesursachen sei im Straflager zudem keine Seltenheit.
Ein Ex-Häftling, mit dem "Meduza" sprach, sei drei Jahre in dem Straflager gesessen. Während dieser Zeit habe es "mehrere Dutzend" Todesfälle gegeben. "Jeder bekam eine Diagnose, aber die wahre Todesursache blieb unklar", meint er. Aussagen, die andere Ex-Häftlinge laut dem Medium bestätigten. Es sei innerhalb des Gefängnisses zwar Tabu, über jene zu sprechen, die gestorben sind. Dennoch würden Informationen nach außen drängen. Einer der Ex-Häftlinge führt aus:
"[Wenn] ein Mann verschwunden ist oder in die Krankenstation ging, und er war schon lange weg – dann ist er offensichtlich gestorben."
Sie bezweifeln zudem, dass tatsächlich das medizinische Personal bei Nawalny "sofort" zur Hilfe gekommen sei, wie es von Seiten der Straflager-Führung behauptet wird.
Die Ex-Insassen jedenfalls könnten sich an keinen Fall erinnern, in dem die Ärzte des Gefängnisses die medizinische Abteilung verlassen hätten, um einen erkrankten Sträfling zu behandeln. Vielmehr habe die "medizinische Versorgung" insgesamt darin bestanden, dass kranke Häftlinge auf die Krankenstation gebracht wurden und dort eine Tablette bekommen hätten. Richtige medizinische Versorgung gebe es allerdings nicht.
Das Straflager ist schon lange für seine harten Haftbedingungen bekannt. 2013 ist etwa ein Video durchgesickert, in dem von mehreren Fällen von Häftlingsmisshandlung berichtet wurde. Darunter: Schläge und Vergewaltigungen durch Wärter. Auch die Ex-Häftlinge, mit denen "Meduza" sprach, erinnern sich an körperliche Gewalt. So berichtet einer etwa, er und andere Neuankömmlinge seien gezwungen worden, sich nackt auszuziehen und in die Duschen zu gehen:
"Das [Gefängnis-]Personal stürmte herein und fing an, einige Leute mit Tasern zu [beschießen] und andere mit Schlagstöcken zu schlagen."
Seit dem geleakten Video von 2013 mache sich das Gefängnispersonal allerdings seltener die Finger schmutzig – stattdessen gebe es nun Folter durch Häftlinge an Neuankömmlingen. Jegliche Kritik an der Regierung werde in der Strafkolonie zudem streng bestraft; auch mit körperlicher Gewalt. Die psychische Belastung sei für viele unerträglich, nicht wenige nehmen sich dem Bericht zufolge im "Polarwolf" deshalb das Leben, oder versuchen es.
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