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Interview

Krieg in Nahost: Melody Sucharewicz kämpft für Israel-Geiseln

07.10.2024, Berlin: Der Schriftzug «Bring them home now» (Bringt sie jetzt nach Hause) ist auf dem angestrahlten Brandenburger Tor anlässlich des Jahrestags des Hamas-Angriffs auf Israel vom 7. Oktobe ...
Zum Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel wurde das Brandenburger Tor mit dem Schriftzug "Bring them home" beleuchtet.Bild: dpa / Kay Nietfeld
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Melody Sucharewicz kämpft für Israel-Geiseln: "Dachte, ich halte das nicht aus"

03.01.2025, 19:10
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Seit dem 7. Oktober 2023 ist in Israel nichts mehr, wie es war. Und auch ihr Leben änderte sich von heute auf morgen komplett durch den Terror-Angriff der Hamas auf Israel.

Melody Sucharewicz ist Beraterin für politische Kommunikation und Strategie. Sie wurde in München geboren, ging aber für ihr Studium nach Tel Aviv. 2006 bis 2007 war sie Sonderbotschafterin Israels, danach Sprecherin des israelischen Politikers und späteren Verteidigungsministers Benny Gantz. Seitdem ist sie, immer wenn es um Israel geht, regelmäßig Gästin in deutschen TV-Talkshows von Markus Lanz bis Maybrit Illner.

Jetzt beschäftigt sie sich mit einer Aufgabe, die sie sich nicht ausgesucht hat. "Aber es gibt keine Wahl", sagt sie selbst. Melody Sucharewicz betreut die Angehörigen der israelischen Geiseln des Angriffs der Hamas auf Israel. Watson erzählt sie von den Begegnungen und ihren Erlebnissen, die sie in den vergangenen 14 Monaten hatte.

Völlig klar ist mit Blick auf Melodys Lebenslauf auch: Dies konnte kein neutrales, objektives Gespräch werden. Dennoch fanden wir spannend und wichtig, was sie zu sagen hat.

watson: Wie bist du zu der Aufgabe gekommen, dass du die Angehörigen der israelischen Geiseln betreust?

Melody Sucharewicz: Die Aufgabe kam zu mir. Direkt ganz zu Anfang, am 7. und 8. Oktober 2023. Es gab sehr viele Geiseln mit deutscher Staatsbürgerschaft. Deren Angehörige haben sich an mich gewandt und gefragt, ob ich ihnen helfen kann. Zunächst ging es um organisatorische Dinge. Dann habe ich gemerkt, wie immens groß die Verzweiflung ist und die Gefahr, dass sie ihre Liebsten nie wieder sehen werden, und wie dringend es nötig ist, direkt von Anfang an strategisch zu agieren, um sofort etwas bewegen zu können: Ich habe öffentliche Aktionen gestartet und Treffen mit dem Kanzler, der Außenministerin und Bundestagsabgeordneten initiiert.

16.05.2024, Berlin: Alon Gat, dessen Schwester am 7. Oktober 2023 verschleppt wurde (l-r) und Organisatorin Melody Sucharewicz sprechen auf einer Pressekonferenz. Der Bebelplatz soll f
Melody Sucharewicz mit Alon Gat, dessen Schwester am 7. Oktober 2023 verschleppt wurde.Bild: dpa / Hannes P Albert
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Was hast du erlebt mit den Angehörigen der Geiseln?

Wir hatten gestern Abend eine kleine Veranstaltung mit Müttern von Geiseln. Eine Mutter erzählte von ihrem Sohn. Sie zeigte Fotos von einem jungen Mann, der sich eine Zukunft ausgemalt hat als Volleyball-Star, der als einziger Jude in einem arabischen Team gespielt hat und für den seine arabischen Team-Mitglieder wie Brüder waren. Er hat für sie sogar Arabisch gelernt, weil ihm so wichtig war, sie in ihrer Sprache zu verstehen. Das ist eine Familie, die ich von Anfang an begleitet habe, als sie noch um die Befreiung des jungen Mannes gekämpft hat. Jetzt kämpft die Mutter um seine Leiche, damit sie in Israel zumindest nach jüdischem Glauben begraben werden kann.

Wie geht es der Mutter?

Der Schmerz ist so unbegreiflich groß, dass ich nicht weiß, wie sie überhaupt die Kraft hat, auf ihren Füßen zu stehen oder sich ins Flugzeug zu setzen, um irgendwohin zu fliegen. Aber diese unendliche Kraft, die diese Menschen haben, diesen Schmerz und die Trauer in Aktion und Courage zu übersetzen, das ist etwas, was ich niemals in meinem Leben vergessen werde. Gleichzeitig ist der Gedanke unerträglich, dass sie hierher reisen und wissen, es gibt in Berlin zig Menschen, die auf den Straßen zelebriert haben, was ihrem Sohn passiert ist. Dass sie vor Freude Baklava verteilt haben, als sie die Bilder von unseren blutenden jungen Mädchen gesehen haben.

"Das alles mitzubekommen, ist wirklich nicht einfach. Diese junge Frau ist für mich zu einer Schwester geworden, obwohl ich sie nie gekannt habe."

Wie findest du selbst Kraft für diese Aufgabe?

Die Familien der Angehörigen sind in den vergangenen Monaten zu meinen Familien geworden. Leider Gottes gab es in dieser Zeit bereits zahlreiche Exekutionen, die ich sozusagen hautnah miterlebt habe. Eine wundervolle junge Frau beispielsweise, Carmel Gat, die ein Jahr lang überlebt hat in den verdammten Terrortunneln und die auch Kindergeiseln durch Achtsamkeitsübungen und Yoga am Leben gehalten hat und die im August schließlich exekutiert wurde von der Hamas. Das alles mitzubekommen, ist wirklich nicht einfach. Diese junge Frau ist für mich zu einer Schwester geworden, obwohl ich sie nie gekannt habe. Aber es gibt keine Wahl. Ich weiß, dass ich helfen kann, ergo muss ich helfen.

Was hast du noch erlebt?

Ich habe ganz zu Anfang mit der Mutter von Shani Louk gesprochen. Shani war ein echtes Blumenkind und wurde von der Hamas brutal ermordet. Ihre Leiche wurde auf einem Pickup unter dem Gejohle der Bevölkerung durch die Straßen von Gaza City gefahren, wurde bespuckt und getreten. Ich habe wirklich gedacht, ich halte das nicht aus. Aber dann habe ich einen Schalter umgelegt und an die Geiseln, unser Land und an die Zukunft gedacht – auch die Zukunft, die ich für meine Kinder will in unserem Land. Und das gibt Kraft.

Melody Sucharewicz 2019-05-12, Berlin, Deutschland - Melody Sucharewicz, deutsch-israelische Beraterin für politische Kommunikation und Strategie, zu Gast bei Anne Will im Ersten Deutschen Fernsehen.  ...
Melody Sucharewicz ist regelmäßig in TV-Talkshows zu Gast.Bild: imago images / jürgen heinrich

Wie gehen die Menschen in Israel nach über einem Jahr mit der Situation um?

Die israelische Gesellschaft ist unglaublich widerstandskräftig, weil sie es sein muss. Unser Volk hat das durch Verfolgung, Krieg und Terror leider in der DNA. All das zu überwinden und aus dem Schmerz kreative Energie für eine bessere Zukunft zu machen, das haben wir uns nicht ausgesucht. Aber so ist es. Seit dem 7. Oktober siehst du, wie die Menschen darum kämpfen, wieder Normalität zu bekommen. Aber es gibt natürlich keine Normalität, wo wir immer noch 100 Geiseln im Gazastreifen haben und unter ständigem Raketenterror sind.

Kannst du diesen Alltag der Israelis mit Raketen genauer beschreiben?

Es vergeht kaum ein Tag ohne Explosionen. Ständig müssen wir in den Bunker. Das wird hoffentlich durch den Waffenstillstand mit der Hisbollah etwas abgeschwächt. Meine Kinder sind acht und zehn Jahre alt und können jetzt zum ersten Mal ein bisschen aufatmen, aber sie haben das Vertrauen verloren in eine Normalität. Sie glauben immer noch, dass es jederzeit wieder Raketenalarm geben kann. Sie wachen nachts auf und schreien vor Angst, dass sie von Hamas-Terroristen entführt und erschossen werden. Einerseits müssen wir weiterleben, es muss weitergehen. Andererseits ist wirklich nichts normal an dieser Situation.

Die Berliner Polizeipräsidentin hat jüdischen Menschen zu besonderer Vorsicht geraten in der deutschen Hauptstadt. Gehst du als Jüdin erkennbar auf die Straße in Berlin?

Ich gehe als Jüdin erkennbar auf die Straße. Ich trage einen Davidstern, das habe ich immer schon gemacht und werde das weiter tun. Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Energie und Budgets und Strategien in die Prävention fließen, weil man dann die jetzige Situation hätte verhindern können.

Gibt es noch etwas Positives, mit dem wir aus diesem Gespräch gehen können?

Wir erfahren eine immens bewegende Welle an Solidarität von jungen Menschen in Deutschland, die beispielsweise zum Platz der Hamas-Geiseln kamen am Bebelplatz und sich bedankten dafür, einen Safe-Space zu haben, um zu lernen über die Geiseln, wer sie sind und was ihnen widerfährt. Dass es Menschen gibt, die um sie trauern und ihre Freilassung fordern, gibt uns viel Kraft. Aber diese Solidarität ist immer noch sehr leise. Ich würde mir wünschen, dass diese leise Mehrheit noch stärker, lauter und mutiger wird.

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