Frühere Nato-Generäle stellen knapp fest: Die Ukraine hat zumindest längerfristig keine Chance im Krieg gegen das übermächtige Russland.
Nach dem Scheitern eines Blitzkriegs aktiviert Putin nun starke Panzertruppen und auch das Militär des Nachbarstaats Belarus gegen die immer noch vergleichsweise schwach gerüstete Ukraine. Vor allem aber beherrscht Russland den ukrainischen Luftraum total. Damit kann Putin das Land und seine Menschen beliebig mit Raketen beschießen und auch schwerstes Kriegsgerät in unbegrenzter Menge zum Angriff bringen.
Hintergrund dafür war und ist ein besonderer Zwischenstatus der Ukraine: Der Staat hat sich zwar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion selbständig machen können; aber er schwankte – bis zu den Protesten rund um die Euromaidan-Bewegung in den Monaten zwischen 2013 und 2014 – zwischen dem dominanten Einfluss Russlands und Zielen nationaler Eigenständigkeit.
Vor allem aber ist die Ukraine trotz größter Bemühungen um Aufnahme weder Mitglied der EU noch der Nato. Sie hat noch nicht einmal Kandidaten-Status erlangt. Damit aber steht die Ukraine – trotz aller inzwischen gewonnener Waffenunterstützung im Land – allein gegen den Aggressor.
Dazu kommt eine folgenschwere Selbsttäuschung: Bis zum russischen Angriff am 24. Februar 2022 konnten sich die allermeisten Menschen in der Ukraine einfach nicht vorstellen, dass ein Diktator wie Putin ihr Land überfallen würde – und dies, obwohl er dies in der Krim und in der Ostukraine in Form von Sezessionskriegen bereits praktisch getan hatte. Vor allem aber hatte Russland seit vielen Wochen massive Truppenverbände im Osten, Norden und Süden des Landes zusammengezogen.
Dieses nicht vorstellen Wollen war eine Art psychischer Selbstschutz: Angesichts der offensichtlichen militärischen Chancenlosigkeit des Landes wollte und konnte man einfach nicht an einen möglichen Krieg denken.
Demzufolge konnte Russland in den ersten beiden Tagen seines Überraschungsangriffs große Teile der militärischen Infrastruktur der Ukraine ausschalten, insbesondere alle ukrainischen Kapazitäten zu einem Luftkampf. Der später heldenhaft kämpfende ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj rief die Bürger seines Landes erst zu den Waffen, als der russische Angriff bereits begonnen hatte und ein Großteil der militärischen Infrastruktur zerstört war.
Dieser militärischen Situation steht die politische gegenüber: Der Krieg in der Ukraine ist nicht nur ein Krieg zwischen einem brutalen, überlegenen Angreifer und einem friedlichen Land, das sich zu verteidigen sucht. Er ist auch Ausdruck eines Grundsatz-Konflikts zwischen zwei Denkweisen: auf der einen Seite machtlogisches Denken des 19. Jahrhunderts, das bei Widerstand zu Freund-Feind-Logik und brutaler Gewalt übergeht – auf der anderen Seite die internationale Rechtsordnung im Sinne einer Gesellschaft des gegenseitigen Respekts, der zivilen Moderne.
Damit steht die Ukraine für Werte der zivilen Moderne – oder, wie es Bundeskanzler Olaf Scholz am vergangenen Sonntag im Bundestag formuliert hat:
Dieser Konflikt wird von Putin als Konflikt zwischen dem Westen, ja der Nato, und legitimen Sicherheitsinteressen Russlands propagiert. Das ist eine zynische Auffassung, wonach eigenes Machtstreben auf Kosten der Freiheit anderer, ja die fundamentale Verletzung der UN-Charta, als legitimes Sicherheitsstrebens erscheinen.
In Wirklichkeit begeht Putin ein Verbrechen, das Verbrechen des Angriffskriegs. Dieser ist organisierter Massenmord: Zehntausende, vielleicht Hunderttausende von Menschen müssen durch die russische Aggression sterben oder werden schwer verletzt; wertvolle Infrastruktur wird auf Jahrzehnte hinaus zerstört und viele Menschen müssen fliehen. Kurz gesagt: Es ist die Maximierung menschlichen Leids.
Und nicht nur dies: Um Ängste bei seinen Kritikern und Opponenten zu erzeugen, hat Putin auch noch mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Der russische Machthaber handhabt also einen nuklearen Weltkrieg als taktische Ressource.
Wie sollte der Rest Europas angesichts dessen handeln? Was tun?
Der bescheiden, mutig und entschlossen agierende Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, versucht alles, um die territoriale Integrität seines Landes zu erhalten. Hierzu hat er eine Reihe von Handlungskonzepten entwickelt, die noch vor kurzer Zeit als undenkbar erschienen, von massiven Waffenlieferungen an die Ukraine bis hin zum kurzfristigen EU-Beitritt seines Landes.
Er hat die Aufstellung einer internationalen Brigade angekündigt und große Teile der Weltöffentlichkeit auf seine Seite gebracht – im Sinne des Schutzes der UN-Charta gegen den Angriffskrieg. Einzelne russische Panzer konnten von ukrainischer Bevölkerung gestoppt werden, die sich den Panzern offen entgegenstellte.
Auch in Russland beginnen sich immer mehr Menschen gegen den schändlichen Angriff auf ein Brudervolk zu wehren – auch deshalb, weil Selenskyj die russische Bevölkerung immer wieder in sozialen Netzwerken direkt anspricht.
Was aber heißt verantwortungsvoll handeln außerhalb der Ukraine? Und wie können und sollten insbesondere wir Deutsche uns verhalten?
Sinnvoll antworten lässt sich hierauf nur in möglichen Szenarien:
Der Krieg und das mit ihm verbundene Leid müssen ein Ende haben.
Auch, wenn es ein schmerzhaftes Ende ist.