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Cannabis-Teillegalisierung: CDU und CSU müssen sich endlich bewegen

Berlin, Deutschland, 01.04.2024: Brandenburger Tor: Kiffer feiern mit einem Smoke In die teilweise Legalisierung von Cannabis: Mehrere Hundert Personen haben sich versammelt, um sich kurz nach Mittern ...
Im September 2025 wurde eine erste Zwischenbilanz zur Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland veröffentlicht.Bild: imago images / dts Nachrichtenagentur
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Teillegalisierung von Cannabis: Können wir den Kulturkampf nicht endlich beilegen?

Die erste wissenschaftliche Bilanz nach eineinhalb Jahren Teillegalisierung ist da. Das Ergebnis: Es spricht nichts gegen das Cannabis-Gesetz. Doch CDU und CSU ziehen ganz eigene Schlüsse aus dem Gutachten. Und watson-Autorin Ronja fragt sich vor allem: Wtf?
30.09.2025, 12:1630.09.2025, 12:16

Würde man Markus Söder nicht kennen und sich einen seiner jüngsten Clips auf Social Media ansehen, könnte das zu falschen Mutmaßungen führen. Darin greift der CSU-Chef zum Mikro. Denn er singt – und ergattert mit seiner Version von "Sweet Caroline" online seitdem viel Aufmerksamkeit.

Ja, man könnte sich fragen, was Markus Söder eigentlich genommen hat, um sich so in Szene setzen zu lassen. Doch wer Markus Söder kennt, der weiß, dass er genau wie fast alle in der Union strikt gegen die Legalisierung von Cannabis ist.

"Mit dem Cannabis-Gesetz schadet sich Deutschland selbst und gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung", sagte Söder schon 2024 und hat seine Meinung seitdem nicht geändert.

Und das ist – verglichen mit dem Musikvideo, das nicht wenige als maximal peinlich empfinden – das viel größere Problem.

Erste wissenschaftliche Bilanz zur Teillegalisierung von Cannabis

Die Teillegalisierung von Cannabis ist seit eineinhalb Jahren in Kraft. Umstritten ist sie nach wie vor. Jetzt gibt es eine erste wissenschaftliche Bilanz der Forschungsgruppe Ekocan. Unterstützt wurde die Auswertung vom Gesundheitsministerium. Aber es könnte sein, dass sich die Chefin Nina Warken den Outcome der Untersuchung etwas anders vorgestellt hat …

Die News, die sich zu der Erhebung zuallererst verbreitet hat, ist: Der Schwarzmarkt ist nicht verschwunden. Das war eines der wichtigsten Ziele der Teillegalisierung. Neun Prozent des Konsums macht er noch immer aus. Vor allem wird Cannabis im Freundes- und Bekanntenkreis weitergegeben. Dazu kommen Eigenanbau und medizinisch verschriebenes Cannabis.

Viele sind deshalb jetzt schnell dabei, zu sagen: Das Ziel der Teillegalisierung wurde verfehlt. Aber so einfach ist es nicht.

Denn: Auch, wenn Cannabis immer noch über den Schwarzmarkt erworben wird, muss man sich die Gründe dafür ansehen. Ein wichtiger Punkt ist, dass der Erwerb über die neuen Cannabis-Social-Clubs nicht so möglich ist, wie es mal gedacht war.

Es wird den Anbauvereinen bisher nicht gerade leicht gemacht. Die Hürden für eine Eröffnung sind hoch, die Umsetzung bleibt kompliziert. In vielen Fällen zu kompliziert. Das führt dazu, dass bisher nur 0,1 Prozent des Konsums über die Anbauvereine gedeckt werden können. Rund 300 Clubs gibt es bisher. Bundesweit. Das ist nicht viel.

Aber: Den Schwarzmarkt zurückzudrängen, war ja nicht das einzige Ziel der Teillegalisierung. Außerdem sollte der Schutz von Kindern und Jugendlichen verbessert werden.

Die Entwicklung zeigt hier: Der Konsum von Jugendlichen geht seit 2019 weiter zurück – ein Trend, der sich auch in den vergangenen 1,5 Jahren seit der Einführung des neuen Gesetzes fortsetzte. Und Cannabisvergiftungen bei Kindern und Jugendlichen bleiben äußerst selten.

Halten wir also fest: Beim Jugendschutz hat sich die Teillegalisierung zumindest nicht negativ ausgewirkt.

Cannabis vs. Alkohol: Das eine verteufelt die Union, das andere feiert sie

Und hier kommt mir natürlich noch der (nicht neue, aber immer noch treffende) Vergleich mit dem Alkohol in den Sinn. Dass Alkoholkonsum für niemanden gesund ist, ist keine bahnbrechende Erkenntnis: Alkoholvergiftung und Kater sind nur die kurzfristigen Folgen.

Es können Leberschäden, negative Auswirkungen bei Depressionen und bei übermäßigem, regelmäßigem Konsum auch Abhängigkeit drohen.

Gegen Alkoholkonsum würde die Union aber niemals eine Entlegalisierung fordern. Im Gegenteil: Beim Oktoberfest wird nicht gezögert, wenn es darum geht, sich mit vollen Maßkrügen für Fotos ablichten zu lassen.

Der Vollständigkeit halber: Es gibt weitere Punkte, die in der Cannabis-Zwischenbilanz untersucht wurden. Wie groß die Erleichterung im Alltag der Polizei ist, zum Beispiel.

Das Ergebnis: nicht groß, da die Anzahl Cannabis-bezogener Delikte zwar um 60 bis 80 Prozent zurückgegangen ist. Durch die neue Rechtslage ergeben sich allerdings auch neue Abläufe, die wohl wieder einen Mehraufwand für Beamt:innen bedeuten können. Hier ist das Fazit also bisher weder negativ noch positiv.

Es gab vorab viele Befürchtungen zur Teillegalisierung von Gras. Aber wir sehen jetzt: Bisher haben sie sich nicht bestätigt. Auch die Forschenden sehen bislang keinen Grund, das Cannabis-Gesetz erneut anzupassen.

Es spricht also nichts gegen das Gesetz. Das müsste auch die Union anerkennen. Eigentlich.

Vielleicht wäre jetzt der Moment, an dem CDU und CSU umdenken und hinterfragen, ob es wirklich sinnvoll wäre, das Gesetz direkt wieder abzuschaffen. Denn vielleicht gehen der Gesundheitsministerin Nina Warken und auch einem Markus Söder für diesen Kurs so langsam die Argumente aus. Aber es wirkt fast so, als wollen sie es einfach nicht verstehen.

Dabei wäre es eigentlich längst an der Zeit, den Kulturkampf um Cannabis in der Regierung und auch in der Gesellschaft endlich beizulegen.

Teillegalisierung von Cannabis: Können wir den Kulturkampf nicht endlich beilegen?
Die erste wissenschaftliche Bilanz nach eineinhalb Jahren Teillegalisierung ist da. Das Ergebnis: Es spricht nichts gegen das Cannabis-Gesetz. Doch CDU und CSU ziehen ganz eigene Schlüsse aus dem Gutachten. Und watson-Autorin Ronja fragt sich vor allem: Wtf?
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