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Cannabis-Konsum steigt: Warken will Reform zurückdrehen

420 Celebration In Washington Square Park A young woman smokes a joint during the 420 Celebration in Washington Square Park, New York, N.Y., on April 20, 2025. People around the world celebrate their  ...
Schmackofatz!Bild: IMAGO/NurPhoto
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Cannabis-Konsum in Deutschland nimmt zu – kein Grund zur Panik

Aktuellen Zahlen zufolge ist der Cannabis-Konsum in Deutschland seit der Teillegalisierung stark gestiegen. Das könnte Gesundheitsministerin Nina Warken in die Karten spielen. Die will ohnehin die Reform rückabwickeln. Einen guten Grund dafür gibt es aber nicht, auch nicht mit den neuen Daten.
19.07.2025, 12:4119.07.2025, 12:41
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Die Cannabis-Teillegalisierung steht auf der Kippe. Eigentlich sollte das 2024 beschlossene Gesetz bis zur Prüfung im November unangetastet bleiben. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) prescht aber trotzdem vor.

Sie zielt auf die Abgabe von medizinischem Cannabis. Die funktioniert seit der Reform deutlich niedrigschwelliger. Arztbesuche sind nicht mehr nötig, ein Online-Attest reicht für die Bestellung. Warkens Leute warnen vor Gesundheitsrisiken für junge Menschen, die Regelung soll deswegen wieder einkassiert werden. Die Rückabwicklung könnte sich aber als Fehler entpuppen.

Medizinischer Konsum verdreifacht – aber warum?

Dabei sieht es erstmal so aus, als ob die Befürchtung einen dicken Evidenz-Panzer trägt. Da wäre zunächst das deutliche Wachstum des Medizinalcannabismarkts. Unternehmen vermeldeten ein Umsatzwachstum von bis zu 100 Prozent, Importe legten im Vergleich zu 2023 einen gewaltigen Sprung hin, berichtet die "Deutsche Apotheker Zeitung".

Der Verbrauch verdreifachte sich entsprechend laut Gesundheitsministerium im Jahresvergleich auf 100 Tonnen. Eine wenig überraschende Entwicklung. Die Liberalisierung erleichtert den Zugriff, unabhängig davon, ob wirklich medizinische Gründe vorliegen. Logischerweise befindet sich nun auch offiziell mehr Cannabis im Umlauf. Nur hat mit dem Aufkommen offenbar auch die Bewegung in Suchtpraxen zugenommen.

Einer kürzlich veröffentlichten Hochrechnung der Kaufmännischen Krankenkasse KKH zufolge waren 250.500 Menschen wegen cannabisinduzierter Störungen in Behandlung – 14,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Akuter Rausch, schädlicher Gebrauch, Abhängigkeit, Entzugssymptome, Psychosen, die Gründe für den Arztbesuch sind vielfältig.

Jetzt mag sich hier ein Zusammenhang herstellen lassen: mehr Konsum, mehr Störungen, alles scheint kausal verknüpft. Ganz so einfach ist es aber nicht.

"Heutzutage trauen sich viel mehr Menschen, Hilfe zu holen, weil Cannabis nicht mehr so stigmatisiert wird, wie es noch vor Gesetzverabschiedung der Fall war", sagt Heino Stöver, Direktor des Instituts für Suchtforschung Frankfurt, zu watson.

Es sei nicht mehr nötig, das Konsumthema bei einem Arztbesuch zu umschiffen. Störungen können so gezielter angegangen werden. Die gestiegenen Zahlen fallen dadurch längst nicht so düster aus, wie es zunächst scheint.

Weniger Risiken dank medizinischem Cannabis

Im Übrigen nehmen die Gesundheitsrisiken mit der Reinheit des Produkts ab. Konsument:innen müssen sich momentan nicht mehr auf dem Schwarzmarkt umschauen, sondern haben leichten Zugriff auf Cannabis aus kontrolliertem Anbau. Sie können einfach mit ein paar Klicks ein entsprechendes Attest bekommen.

So sehr das auch nach Grauzone klingt, faktisch ist das sicherer. Medizinisches Cannabis wird streng kontrolliert, ist mitunter deutlich weniger potent und dadurch psychisch erheblich verträglicher.

"Wenn man den Medizialsektor für Freizeitkonsumenten jetzt dicht macht, gehen die Leute wieder verstärkt auf den Schwarzmarkt", sagt einer der Mitverfasser der Cannabisreform zu "Zeit Online". Womit wird wieder bei den Problemen wären, die es noch während der Prohibition gab.

Cannabiskonsum birgt natürlich Risiken, für junge Menschen, deren Hirn sich noch in Entwicklung befindet, aber auch bei einer Neigung zu psychischen Erkrankungen.

Cannabis-Gesetz: Dünne Argumente für die SPD

Zu glauben, es wäre hilfreich, deshalb den Zugang zu medizinischem Cannabis zu erschweren, könnte sich aber als falsch herausstellen. Zumal sich auch zuvor die Nachfrage ihren Weg gesucht hat, nur fielen die Ziele deutlich weniger sicher aus.

Bisher ist Warken noch nicht durch. Für ihren Gesetzentwurf braucht es die Zustimmung der SPD. Dass sie ihr eigenes Prestigeprojekt aushöhlt, ist erstmal schwer vorstellbar. Höhere Absatzzahlen dürften da als Begründung etwas dünn ausfallen. Und die Daten der KKH reichen erstmal nicht für Alarmismus, wie Suchtforscher Ströver betont.

Valide Daten, die auf die Auswirkungen der Teillegalisierung hinweisen, gebe es ohnehin noch nicht. "Bis auf den Rückgang in der Kriminalitätsstatistik." Und der wiederum weist einige positive Begleiteffekte auf. Das aufzugeben, wäre kaum zielführend. Aber darum scheint sich Warken nicht zu scheren.

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