Der Jubel war groß, als die teilweise Cannabis-Legalisierung am 1. April 2024 in Deutschland in Kraft getreten war. Doch wo es Jubelnde gibt, sind auch die Kritiker:innen für gewöhnlich nicht weit: Die Union kritisierte das Vorhaben etwa von Anfang an. So ist es auch nicht verwunderlich, dass CDU und CSU laut Wahlprogramm der Teillegalisierung des Rauschmittels eine Absage erteilen.
Die Botschaft ist klar: Sollte die Union nach der Neuwahl am 23. Februar die künftige Regierung führen, steht die Cannabis-Freigabe vor dem Aus. Aktuellen Umfragen zufolge führt die Partei deutlich. Die Union wird also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Regierungspartei.
In der Hanfbranche fürchtet man einen juristischen Kurswechsel unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz. Lobbyverbände steuern offenbar bereits mit Großspenden gegen. Klar ist aber: So einfach, wie die Union es sich vorstellt, ist ein Zurück nicht.
Seit dem 1. April ist in Deutschland der Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene unter bestimmten Bedingungen legal. Sie dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit mitführen und bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis zu Hause lagern.
Zudem ist der Anbau von bis zu drei eigenen Cannabispflanzen erlaubt. In größeren, nicht-kommerziellen Mengen darf seit dem 1. Juli in sogenannten Cannabis Social Clubs (CSC) angebaut werden.
Doch Kanzlerkandidat Merz hat angekündigt, die Teil-Legalisierung von Cannabis "umgehend" rückabwickeln zu wollen. Die Union halte sie für einen Fehler.
"Die aktuellen Unsicherheiten sind eine Katastrophe für die Cannabis-Clubs", sagt Bartosz Dzionsko zur "hessenschau". Der Jurist aus Frankfurt gilt als Experte auf dem Gebiet und hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 100 Anbauvereinigungen beraten. Viele von ihnen warten demnach ab und scheuen sich davor, weiter Geld zu investieren. Verständlicherweise.
Die Union begründet das Vorhaben in ihrem Programm damit, dass das Cannabis-Gesetz gescheitert sei. Denn weder der Konsum sei dadurch begrenzt, noch der Schwarzmarkt bisher zurückgedrängt worden.
Tatsächlich darf man sich fragen, inwieweit man so kurz nach der Einführung einen Effekt erwarten kann. Zumal es mit den Lizenzen für die CSC nur langsam voran geht.
Inzwischen dürfen laut einer Umfrage des "RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND)" bundesweit 127 Clubs Cannabis (Stand: Mitte Januar) anbauen. Im November waren es laut einer ZDF-Umfrage noch 48. Hunderte Anträge sind noch offen. Jeder Club darf nur bis zu 500 Mitglieder haben.
Insofern ist es kaum verwunderlich, dass noch kein allzu großer Effekt ersichtlich ist. Für viele Menschen ist es aktuell (noch) einfacher, sich Gras am Schwarzmarkt zu besorgen. Deshalb das Gesetz komplett rückabwickeln, statt daran zu feilen? Fragwürdig.
Das sieht auch Jürgen Möthrath, Präsident vom Deutschen Strafverteidigerverband, so. Obwohl er kein Fan des Gesetzes in seiner jetzigen Ausführung ist, weil es handwerkliche Fehler aufweise, müsse man jetzt erstmal abwarten und evaluieren, was es gebracht hat.
Er hält es zudem für einen Irrlauben, den Schwarzmarkt komplett loswerden zu können, wie er bei "noz" klarstellt. Und: Auch im Falle eines Verbots gehe der Schwarzmarkt nicht weg.
Durch das Gesetz sollte dieser lediglich geschwächt werden. Im Vordergrund des Vorhabens standen die Entkriminalisierung von Konsument:innen, die Entlastung von Polizei und Justiz und besserer Jugendschutz. Zudem sollen sich die Gesundheitsrisiken durch verunreinigtes Cannabis reduzieren und langfristig wirtschaftliche Chancen geschaffen werden. Alles Dinge, die Zeit brauchen.
Die Union stellte sich von Anfang an gegen das Gesetz, von daher spielt für CSU und CDU offenbar ohnehin keine Rolle, ob es eventuell positive Effekte mit sich bringt oder nicht. Ungeachtet dessen: Wäre es überhaupt möglich, es einfach wieder abzuschaffen?
Dazu äußert sich der auf Cannabis spezialisierte Rechtsanwalt Peter Homberg im Gespräch mit "ntv.de". Er sagt: "Rein theoretisch können alle Gesetze über ein Gesetzgebungsverfahren wieder abgeschafft oder geändert werden, das durch den Bundestag und Bundesrat gehen muss."
In der Praxis könne er sich das beim Cannabis-Gesetz aber nicht so richtig vorstellen. Denn auch die Union, sollte sie die Wahl gewinnen, werde mit ziemlicher Sicherheit auf Koalitionspartner angewiesen sein. Die drei infrage kommenden ehemaligen Ampel-Parteien waren alle am jetzigen Cannabis-Gesetz beteiligt und wollen daran festhalten.
Für den Fall, dass die Union ein vollumfängliches Cannabis-Verbot durchdrücken würde, wäre die Umsetzung nicht so einfach. Besonders in Bezug auf die CSC. Der Strafverteidigerverbands-Präsident Möthrath stellt hierzu klar: "Wenn der Staat ein Handeln erst explizit erlaubt und fördert, schafft er damit einen Vertrauenstatbestand", sagt er zu "noz".
Ihm zufolge hätten Vereine wie der CSC sogar ein Recht auf Schadensersatz, falls das Gesetz wieder gekippt würde.
Zwar klagen laut ihm Staatsanwaltschaften und Gerichte aktuell über hohen Arbeitsaufwand, weil sogar rechtskräftige Urteile nochmal untersucht werden müssten.
An der Arbeitsbelastung der Justiz ändere sich jedoch auch bei einer Rücknahme des Gesetzes nichts. Ob beim Verkehrsrecht, bei Ermittlungstaktiken oder im Strafrecht: Der Rattenschwanz bei einer Rückabwicklung sei sehr lang.