"Gebt uns einfach Waffen und wir erledigen den Job" – ein Satz, der bei mir hängen geblieben ist. Vor einem Jahr fragte ich einen ukrainischen Soldaten, ob er sich davor fürchte, dass Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehren könnte. Schließlich äußerte sich der Republikaner immer wieder kritisch zu den Ukraine-Hilfen.
Seit 2014 kämpft der Ukrainer gegen den russischen Aggressor; sah Kameraden vor seinen Augen verbluten, hat seit Jahren nicht mehr richtig durchgeschlafen. "Wie soll ich auch, wenn meine Familie durch russische Raketen bedroht ist?", meinte er.
Trump interessiere ihn nicht. Auf wen es ankomme, sei Europa. "We have to get our shit together", sagte er mit müden Augen, aber entscheidender Stimme.
Ein Jahr später die nüchterne Erkenntnis: Europa hat versagt – vor allem Deutschland mit seinem zurückhaltenden Angst-Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz ist ein Treffen zwischen Trumps Vize J.D. Vance und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geplant. Es soll ein "Friedensdeal" auf den Tisch kommen. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth gab bereits einen Vorgeschmack darauf, wie dieser "Deal" aussehen könnte.
Gebietsabgaben, kein Nato-Beitritt, keine US-Truppen in der Ukraine, Europa muss sich um seine Sicherheit selbst kümmern: Mehr hätte sich Kreml-Chef Wladimir Putin nie erträumen können.
Die USA servieren Russland die Ukraine auf dem Silbertablett. Europa hat versagt. Denn am Ende lag uns wohl nie wirklich etwas daran, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen sollte.
Wir hielten das angegriffene Land gerade so über Wasser, weil unter anderem Deutschland vor Russlands Drohungen einknickte. Militärexpert:innen warnten unermüdlich, dass die gelieferten Hilfen nicht ausreichen, um Russland zu besiegen. Doch Kanzler Scholz' ach so gelobtes "Ruhe bewahren"-Mantra und "ja nicht den Bully im Kreml provozieren"-Ausreden bringen Europa nun erst recht in Gefahr.
Putin geht als Gewinner hervor. Er hatte den längeren Atem. Im Wettlauf um die Freiheit geht Europa rasch die Luft aus – wir zerren an uns, zerfleischen und schubsen uns gegenseitig wie kleine Kinder, die den Schuss noch nicht gehört haben. Wir lassen uns manipulieren; haben keine Rettungsringe für jene, die in der russischen Desinformationsflut versinken.
Ohnmacht. Planlos. Und jetzt?
Ich bin wütend – für all die Menschen, die seit drei Jahren unter diesem völkerrechtswidrigen Großangriff leiden. Für all die Soldaten, die ihr Leben ließen, weil sie uns vertrauten, wir stünden an ihrer Seite "as long as it takes" – wie Scholz versprach.
Ich bin wütend – für die jungen Menschen in Europa, die in eine ungewisse Zukunft blicken, weil ein Kriegsverbrecher im Kreml jetzt denkt, einfach andere Länder überfallen zu dürfen, ohne ernsthafte Folgen. Er wird auch noch dafür belohnt.
Scholz wollte eine Zeitenwende, jetzt bekommt er sie.
Trump und seine Hardliner kamen nicht über Nacht zurück ins Weiße Haus. Ihre Haltung zur Ukraine ist auch keine Überraschung. Europa und Deutschland sahen die Welle auf sich zurollen und jetzt bricht sie über uns herein, reißt uns an ungewisse Ufer, weil wir wehrlos wie Treibholz umhertreiben.
Die Verantwortung für den Trump-Putin-Deal, der die Ukraine ausliefert, liegt bei uns Europäer:innen. Aber jetzt ist es für die europäischen Staatschefs natürlich einfach, mit dem Finger auf Trump zu zeigen. Das eigene Versagen in seine Schuhe zu schieben. Weil er "überraschend" über unsere Köpfe hinweg entscheidet; zu Gunsten Putins.
Verdammt, Europa wach auf!
Wenn wir nicht endlich gemeinsam vereint für wehrhafte Freiheit einstehen, sind unser Frieden und unsere Demokratie gefährdet. Auf die USA ist kein Verlass mehr und das wussten wir, seit Trump zum US-Wahlkampf antrat. Nun reicht er Putin seine Hand – einem vom Internationalen Gerichtshof verurteilten Verbrecher, der das Völkerrecht bricht. Die USA, wie wir sie kannten, sind verschwunden und wir hätten darauf vorbereitet sein können.
Doch stattdessen verkommen wir zum Spielball eines "Möchtgern-Autokraten" und eines "brutalen Diktators". Beide sind machthungrig, beide lachen sich über Demokratie-Verfechter kaputt, beide sind hochgefährlich. Einer rückt nun noch näher an Europa heran, der andere zieht sich zurück.
Mit dem derzeitigen Ukraine-Deal hat das angegriffene Land kaum mehr eine Chance auf eine uneingeschränkte Souveränität. "Soll Selenskyj doch einfach die Gebiete an Russland abgeben, Hauptsache endlich Frieden" – ein Argument, das Menschen sagen, die nicht selbst betroffen sind! Denn es sind nicht sie, die ihre Söhne und Töchter an der Front verlieren; ihre Häuser bei Raketenangriffen in Flammen aufgehen; in den besetzten Gebieten unter russischem Terror leben.
Wer jetzt glaubt, es würde endlich Frieden in Europa einkehren, liegt falsch. "Wenn die Ukraine jetzt im Stich gelassen wird, sind wir bald die Nächsten", warnt CDU-Politiker Roderich Kiesewetter im Gespräch mit "Politico". Er ist einer der wenigen Politiker:innen, die die Lage in den vergangenen Jahren realistisch einschätzten und sich rigoros für mehr Waffen für die Ukraine aussprachen.
Läuten nun auch endlich die Alarmglocken beim Noch-Kanzler Scholz? Wieder nur vage Aussagen: "Wir müssen uns heute der Realität stellen, was die Maßnahmen und Ankündigungen der US-Regierung für die Ukraine, für Europa und für die Welt bedeuten", zitiert ihn "Politico".
"Nicht zu handeln, würde bedeuten, die Sicherheit unseres Landes und unseres Kontinents zu gefährden", führt er aus. Genau sein "Nicht-Handeln" hat uns nun diesen gefährlichen "Friedensdeal" made by Trump gebracht.
Einen besseren Zeitpunkt hätte es für Putin nicht geben können. Auf Dauer hätte er den Krieg nicht fortsetzen können, hätte Europa nur einen längeren Atem gehabt. Doch nun wird Russland diesen "Scheinfrieden" zum Durchatmen nutzen.
Putin wird sein Militär wieder aufrüsten, die Wirtschaft in den Griff bekommen und in vier oder fünf Jahren seinem imperialistischen Hunger weiter nachgehen. "Bis nach Berlin", schwärmen russische Propagandist:innen im russischen Staatsfernsehen.
Und Trump? Er will sich ein Denkmal setzen und nach dem Friedensnobelpreis greifen – und sich an den Seltenen Erden in der Ukraine bereichern. "Putin will jetzt Frieden. Und das ist gut. Und er wollte diesen Frieden nicht mit Biden vereinbaren. Sagt mir, warum das so ist?", fragt Trump Reporter:innen im Weißen Haus.
Weil er es mit dir machen kann, Donald. Und Europa wird zur Randnotiz, ohne Stimme, ohne US-Verbündeten, ohne Wehrhaftigkeit mit Putin als Nachbar, der sich die Hände reibt.
Putin ist der Sieger, weil wir zu feige waren, der Ukraine als vereinte Kraft alles zu geben "whatever it takes" unabhängig von den USA.
Jetzt bleibt uns keine Wahl mehr. Trumps Umgang mit der Ukraine ist ein klares Signal: Europa steht auf eigenen Füßen. Leider stolpert es wie ein kleines Kind, das seine ersten Schritte in die Unabhängigkeit wagt, umgeben von Bullys, die es am Boden liegen sehen wollen.