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Wehrpflicht: Forderungen von Söder und Merz sind schlicht dreist

ARCHIV - 14.04.2005, Hessen, Schwarzenborn: Mit Blattwerk und Gras getarnte Wehrpflichtige von den Panzergrenadieren rennen mit ihren Waffen im Rahmen ihrer Grundausbildung bei einer
"Leute, wir müssen an die Front. Unsere Freiheit ist in Gefahr!"Bild: dpa / Frank May
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Wehrpflicht: Wenn alte Männer über junge Menschen entscheiden

16.10.2024, 07:52
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Kürzlich polterte CSU-Obermotz Markus Söder, er wolle eine Wehrpflicht "so schnell wie möglich" zurück. Einen Aufschrei gab es nicht, an Kritik mangelte es, der Wunsch glitt geschmeidig durch die Bundesrepublik. Bei all den Diskurs-Arenen, all den Reibungspunkten, die es hierzulande gibt, ist es doch schön, wenn eine politische Forderung mal auf allgemeinen Konsens stößt. Harmonie-Fanatiker:innen atmen auf.

Schade nur, dass so mancher Diskurs eben doch angebracht ist. Gerade dann, wenn bestimmte Ideen an herrschaftstrunkener Dreistigkeit nicht zu überbieten sind. Die Wehrpflicht lässt sich mühelos als eine solche einordnen. Sie ist in vielerlei Hinsicht egoistisch.

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Jugend für die Bundeswehr: Jahre für Solidarität

Söder reiht sich mit seiner Forderung in eine Reihe von Politiker:innen und Journalist:innen – etwa Miriam Hollstein vom "Stern" – ein, die vehement für die personelle Aufstockung der Bundeswehr starkmachen. Alles im Sinne einer "Kriegstüchtigkeit", wie sie Bundesverteidigungsminister Pistorius unlängst forderte.

Junge Menschen werden damit zur Manövriermasse für alternde Berufspolitiker:innen und Schreiber:innen, die im gleichen Atemzug schamlos von den Werten einer freiheitlichen Demokratie faseln. So als gäbe es keine Diskrepanz zwischen dem gewaltsamen Zugriff des Staates auf die Bürger:innen und der freien Entfaltung der Bevölkerung.

Dass diese Forderung vor allem von Leuten kommt, die am liebsten den Sozialstaat zerschlagen möchten – wie jüngst auch CDU-Kanzleraspirant Friedrich Merz bei Miosga unter Beweis stellte – ist da schon besonders dreist. Junge Menschen sollen sich einbringen, sich für die Gesellschaft engagieren, doch sollten sie im Anschluss, aus welchen Gründen auch immer, arbeitslos werden, rutschen sie ins bittere Elend. So geht Solidarität!

Was ist eigentlich mit der Wirtschaft?

Zusätzlich ist komisch, dass dieselben Verdächtigen stets den Fachkräftemangel zu einem gesamtdeutschen Drama hochstilisieren, Nachwuchskräfte mittels Weisung vom Arbeitsmarkt fernhalten wollen. Denn letztlich würde ein Pflichtdienst eben genau dazu führen.

Das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) hat sogar eine Prognose für die Auswirkungen. Eine Wiederaufnahme der Wehrpflicht würde demnach zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 70 Milliarden Euro führen. Eigentlich sollte das Politiker:innen wie Merz, die sich als Wirtschaftspfiffikusse inszenieren, zumindest ein wenig stören.

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CDU-Chef Merz liebt junge Menschen – als Ressource.Bild: imago/images / HMB-Media

Eine Wehrpflicht ist aber ohnehin kaum in kurzer Zeit umzusetzen, weshalb Merz auch für ein Dienstjahr plädiert, wie schon der stolze bundesdeutsche Adler, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, von der Empore des Schloss Versailles krähte. Schließlich sei die Bundeswehr noch gar nicht auf einen politisch gelenkten Personalzustrom ausgerichtet. Es fehlen die Strukturen.

Und hier wird es nochmal perfider: Söder und Merz gehen davon aus, dass es etwa sieben Jahre dauert, bis alles Nötige für die Zwangsausbildung an der Waffe vorhanden ist. So werden auch gleich Menschen, die aktuell gerade mal die Grundschule hinter sich haben, in die Pflicht genommen. Kein Wunder, dass der Widerstand auf die Forderungen ausbleibt, wenn die Betroffenen noch keinerlei politisches Mitspracherecht haben.

Allgemeine Kriegsbegeisterung: eine schräge Fantasie

Doch glaubt man den Unions-Politiker:innen, ist das im Sinne des Wahlvolks. Merz stützte seine Pflichtdienstforderung damit, dass ihm Menschen aus seinem Wahlkreis (Hochsauerland) bei Berlin-Besuchen zustimmen.

Das muss man sich mal vorstellen: Bewohner:innen des Friedrich-Merz-Wahlkreises, fahren knapp 500 Kilometer zu Friedrich Merz, um mit Friedrich Merz über Friedrich-Merz-Politik zu sprechen und den Friedrich-Merz-Positionen zuzustimmen. Na, das hat sich ja gelohnt. Wäre auch komisch, wenn Politiker:innen ständig sagen, ihre Forderungen würden bei Wähler-Treffen rundheraus abgelehnt.

Unklar ist, wie viele junge Menschen dabei waren, wie viele Widerspruch einlegten, wie viele sich zur Wehr setzten. Hier können wir ebenfalls nur auf Merz' Wort vertrauen. Der betont, auch Junge seien dafür, nicht nur die Alten.

Denn ja, letztere machen sich durchaus in Umfragen für eine Dienst- und/oder Wehrpflicht stark. Nur sind sie eben nicht mehr davon betroffen. Aber sie würden bestimmt auch mitmachen, wäre da nur nicht der Rücken! Nicht Weisheit kommt mit dem Alter, sondern Gratismut, offensichtlich.

Wie gut es bei den jüngeren Generationen ankommt, dass ältere dermaßen über sie weisen, unklar. Der durch den Pflichtdienst viel beschworene gesellschaftliche Kitt riecht jedenfalls verdächtig nach Schwarzpulver.

Aber wem würde eigentlich eine Wehrpflicht etwas bringen? Den jungen Menschen wohl nichts. Sie spielen die Rolle der nützlichen Idioten, die im Kriegsfall brav Schützengräben als Neu-Wohnsitz melden; die Blut vergießen oder lassen; deren Einsatz bestenfalls mit einem Trauma, schlimmstenfalls aber mit dem Tod belohnt wird. Nein, es profitieren diejenigen, die diese Menschen erst in die Ausbildung und anschließend an die Front schicken, um sie und ihre Interessen zu verteidigen.

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