Das war deutlich! Mit knapp zehn Prozentpunkten Vorsprung hat die CDU die Wahl in der Hauptstadt gewonnen. Ein historisches Ergebnis. Und die Partei der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey? Die hat mehr als krachend verloren. Die SPD wurde von den Berliner:innen abgestraft. Und rangiert jetzt mit gerade einmal rund hundert Stimmen Vorsprung vor den Grünen. Jetzt müssen die Sozialdemokrat:innen Konsequenzen ziehen.
Bisher sieht es danach leider so gar nicht aus. Die mit Wumms abgewählte amtierende Regierungschefin weigert sich, den Posten zu räumen. Sie will weiter regieren, erklärt sie nach der Wahl.
Natürlich: Ein rot-grün-rotes oder grün-rot-rotes Bündnis kann weiter regieren. Das ist rechnerisch möglich. Das ist demokratisch legitim. Es regiert, wer die Mehrheit im Abgeordnetenhaus hinter sich versammeln kann. Alles fein.
Die SPD zieht in diesem Punkt aber den falschen Schluss, wenn sie die Regierung erneut von Giffey anführen lässt. Die Neuköllnerin wurde eindeutig abgewählt. Selbst die SPD-Vorsitzende Saskia Esken nennt die CDU im Interview mit Deutschlandfunk nach der Wahl eine Protestpartei. Und genau das sind die Christdemokraten der Hauptstadt: Sie haben den Unmut der Menschen zu Wähler:innen-Stimmen gemacht. Vor allem der Alten.
Die klare Konsequenz von Giffey müsste nun sein, ihren Posten zu räumen. Und nein, nicht um die Gerüchte wahrzumachen und zurück ins Bundeskabinett zu kommen. Aufgeploppt ist dieses Munkeln, als bekannt wurde, dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Hessen abhauen könnte. Dort will sie nämlich Ministerpräsidentin werden. Giffey, so das Raunen, könnte dann den Posten im Bund übernehmen. Bitte nicht.
Giffey war bereits unter Angela Merkel Mitglied des Bundeskabinetts – damals als Familienministerin. Bis ihr ihre abgeschriebene Doktorarbeit auf die Füße fiel. Sie trat zurück – nur um wenig später als Spitzenkandidatin in Berlin anzutreten. Für die Hauptstadt reicht es, so zumindest machte es damals den Eindruck.
Beim ersten Mal hat es tatsächlich gereicht. Die Wahl fand damals am Tag der Bundestagswahl statt – entsprechend einflussreich war also auch die Bundespolitik und der Wahlkampf von Scholz. Das dürfte ein Booster gewesen sein. Außerdem wurde die Wahl nicht ohne Grund für ungültig erklärt – das Ergebnis kann also auch an den widrigen Bedingungen gelegen haben.
Jetzt ist nämlich klar: Nein, nicht einmal für Berlin reicht es. Auch wenn diese Stadt den Ruf hat – und auch vieles dafür tut –, es gerne anders zu machen. Gerne ein bisschen dreckiger zu sein. Ein bisschen anarchistischer.
Nicht anarchistisch genug, als dass eine gescheiterte Bundespolitikerin hier ohne weiteres zu aller Zufriedenheit Regierungschefin sein könnte. Vor allem, wenn sie und ihre Partei es nicht einmal gebacken bekommen, die versemmelte Wahl 2021 auf ihre eigene Kappe zu nehmen. Und das, obwohl die SPD auch damals den Chef im Roten Rathaus stellte. Dass Giffey und ihre Partei es trotzdem noch einmal versucht haben, ist aber nicht weiter befremdlich. Für die SPD ist so etwas ja quasi schon zur Tradition geworden. Schließlich ist selbst Kanzler Olaf Scholz (SPD) nicht ohne Skandal ins Amt eingezogen.
Noch immer haftet ihm der Cum-Ex-Skandal an. Noch immer ist seine Rolle in dem ganzen Steuerhinterziehungs-Desaster ungeklärt. Noch immer leidet der Sozialdemokrat augenscheinlich an Amnesie. Bei der Bundestagswahl profitierte Scholz vor allem von der Unfähigkeit seiner Konkurrenz. Als die Christdemokrat:innen um den Kandidaten Armin Laschet sondierte, kritisierten die Sozialdemokrat:innen, die Union sei eindeutig abgewählt.
Jetzt wollen sie das in Berlin selbst machen.
Offensichtlich können Kanzler Olaf Scholz und seine SPD die Menschen nicht allumfassend überzeugen. Und das, obwohl gerade die aktuelle Krisenzeit ihre Time-to-shine sein könnte. Das Leben ist teuer, die Menschen müde und die Mieten zu hoch. Und trotzdem schaffen es die Sozialdemokrat:innen nicht, sich zu positionieren.
Aktuelle Wahlumfragen zeigen: Wäre am Sonntag Bundestagswahl, würde die Union auch dort deutlich siegen. Höchste Zeit also, dass die SPD ihre Schlüsse zieht. Was sie tun müssten: die soziale Frage des 21. Jahrhundert in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Hinhören, was die Menschen in den Städten und auf dem Land brauchen. Und neues politisches Spitzenpersonal finden.
Im besten Fall Politiker:innen, die noch nicht verbrannt und wieder zurückgeklettert sind. Das wird es einer großen Partei wie der SPD doch wohl geben?! Warum also, werden den Bürger:innen immer wieder die gleichen Parteimitglieder in Amt und Würden präsentiert?
Ein weiteres Beispiel, wo dieser Clou nach hinten losgegangen ist: Christine Lambrecht (SPD) als Verteidigungsministerin. Anfang des Jahres wurde Lambrecht quasi aus dem Amt gejagt – nachdem sie sich während des vergangenen Jahres selbst demontiert hat. Der größte Gag an der Sache ist aber: Ursprünglich wollte Lambrecht, die als Justizministerin unter Merkel einen guten Job gemacht hat, gar nicht nochmal ins politische Berlin. Hätte sie sich an diesen Entschluss mal besser gehalten.
Geschickter hat es der frühere Außenminister Heiko Maas (SPD) gemacht. Er steht wegen des desaströsen Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan in der Kritik. Im Dezember 2022 hat er dann Platz gemacht und den Bundestag verlassen. An seiner Stelle sitzt mittlerweile die 22-jährige Emily Vontz im Bundestag.
Insgesamt 53 Jusos, also Mitglieder der SPD-Jugendorganisation, sitzen im Bundestag. Natürlich, in ihrer ersten Legislaturperiode müssen sie nicht direkt ins Kabinett berufen werden. Und trotzdem zeigt diese Zahl, dass es neben den Altgedienten auch viele junge, frische Köpfe gibt. Politiker:innen, die bereit sind, ihre Chance zu nutzen. Abgeordnete, an denen eben noch nicht der unangenehme Duft eines Skandals klebt.
Holt der Kanzler Giffey zurück auf die Bundesebene, dürfte das der Genickbruch sein. Was passiert, wenn eine Partei stets die falschen Schlüsse aus verkackten Wahlen zieht, können sich die Roten bei ihrem Koalitionspartner in der Bundespolitik abschauen. Seit der Bundestagswahl scheitert die FDP bei allen Landtagswahlen. Auch in Berlin sind die Liberalen krachend aus dem Abgeordnetenhaus geflogen.
Ein Schicksal, das die Sozialdemokrat:innen sicherlich nicht teilen wollen. In diesem Jahr gehen noch die Bürger:innen in Bremen, Hessen und Bayern an die Urnen. Die SPD tut also gut daran, diese Lehren aus der Wahl möglichst schnell zu ziehen. Gerade in Bremen wird nämlich spannend, ob sich der sozialdemokratische Bürgermeister Andreas Bovenschulte halten kann.
Wenn nicht, verliert die SPD ein weiteres Stammland an die Christdemokraten.