Hier wird die Demokratie verzockt:
Vereint in ihrem Hass schaden die Trump-Republikaner der US-Politik, dem amerikanischen Volk und damit auch der Welt. Denn was im Land der unbegrenzten Freiheit geschieht, beeinflusst die Weltpolitik.
Gerade hat das Land den gewaltsamen Sturm auf das Kapitol einigermaßen aufgearbeitet. Nun sorgen die Trump-Schützlinge für ein weiteres historisches Debakel. Es ist weniger gewaltsam, aber es zeigt: Die Demokratie in den USA kränkeln. Es ist wie ein bösartiges Geschwür, das man nicht mehr losbekommt. Die Tür dazu hat Donald Trump 2017 geöffnet, als er als Präsident ins Weiße Haus einzog. Der Sturm auf das Kapitol vier Jahre später war das Ergebnis seines politischen und menschlichen Versagens.
Trumps Regierungsperiode hinterließ ein tief gespaltenes Land, eine in sich zerrissene republikanische Partei und eine Unmenge an Wut unter seinen Anhänger:innen. Diese entlud sich am 6. Januar 2021.
Radikale Trump-Anhänger:innen stürmten das Herz der US-amerikanischen Demokratie: das Kapitol. Gewaltsam schlugen sie sich den Weg frei, um die Amtseinführung von Joe Biden zu verhindern. Ex-Präsident Trump sah dem Angriff damals tatenlos stundenlang zu. Menschen starben. Hochrangige Politiker:innen wie Nancy Pelosi und Ex-Vizepräsident Mike Pence schwebten in Lebensgefahr.
Der Sturm auf das Kapitol verpasste der US-Demokratie eine tiefe Wunde. Es war der Versuch, die demokratisch gewählte Regierung gewaltsam zu stürzen – basierend auf Lügen und Hass. Die Nachwehen des 6. Januar beeinflussen bis heute die Politik in Washington – aber vor allem die republikanische Partei.
Wer sich jetzt über das Wahlchaos um Kevin McCarthy wundert, hat die Warnzeichen der vergangenen Jahre nicht gesehen – oder absichtlich übersehen.
Manche mögen es für amüsant halten oder Schadenfreude empfinden, wenn sich die Republikaner gerade selbst zerfleischen. Aber vor unseren Augen wird gerade der Motor der Legislative Amerikas lahmgelegt durch eine schamlose, radikale Trump-Truppe.
Nichts ist daran lustig – im Gegenteil.
Zwanzig Trump-treue Abgeordnete bringen die US-Politik zum Stillstand: Denn ohne Sprecher:in ist das Repräsentantenhaus handlungsunfähig. Gemeinsam mit dem Senat bildet es den Kongress, die Legislative der Vereinigten Staaten von Amerika.
Der Republikaner Kevin McCarthy hat sich auf ein gefährliches Spiel mit seinen rechtsextremen Kolleg:innen eingelassen. Er ist auf ihre Stimmen angewiesen, um Sprecher im Repräsentantenhaus zu werden. Doch seine Parteifeind:innen lassen ihn auflaufen – denn sie verfolgen ihre eigene Agenda.
Bereits elf Mal kassierte McCarthy eine Wahlniederlage. Ein historisches Ereignis, denn seit 1923 hat kein:e Sprecher:in mehr als eine Abstimmung benötigt. Selbst wenn McCarthy es in den kommenden Stunden oder Tagen doch noch schaffen sollte, seine Gegner:innen von sich zu überzeugen, kommt das Debakel zum Vorschein: Unter den Republikaner tobt eine durch Trump entfachte Uneinigkeit.
In den USA gilt das Zweiparteiensystem – Republikaner und Demokraten – danach kommt lange nichts. Wenn eine dieser machtvollen Parteien den Weg nach rechts abbiegt, ist das gefährlich. Trump öffnete eine riesige Ausfahrt für die Republikaner mit scharfer Kurve nach rechts.
Türen für Menschen, die den Klimawandel leugnen, der Waffenlobby dienen, ein rassistisches Weltbild feiern, Verschwörungstheorien verbreiten, ihren fanatischen, christlichen Glauben anderen aufzwingen – die Verfassung mit Füßen treten.
Trump und seine Gefolgschaft saugen den letzten Tropfen demokratischer Werte aus der republikanischen Partei. Geht es ihnen um das Wohl der Nation? Wohl kaum.
Die rechtsextremen Republikaner haben wenig Interesse am gemeinsamen "Regieren", wie es in einer Demokratie üblich ist. Eher würden sie das Repräsentantenhaus niederbrennen, bevor sie nicht ihren Willen bekommen. Das ist nicht überraschend. Expert:innen haben dieses Szenario lange kommen sehen.
Mit der Blockade erpressen nun zwanzig Hardcore-Trumpist:innen McCarthy zu Zugeständnissen. Es geht um wichtige politische Posten wie den Sitz des Unterausschusses, der über das Verteidigungsbudget bestimmt. Denn dadurch könnten sie die Unterstützung für die Ukraine beeinflussen. Schon lange sind die enormen finanziellen Ausgaben für die Ukraine dem rechten Lager ein Dorn im Auge. Was habe die USA denn mit diesem Krieg am Hut, fragen sie sich.
McCarthy ist bereits einigen Anforderungen der "Never-Kevins" entgegengekommen. Er verspricht etwa über einige Gesetzentwürfe wie Amtszeitbeschränkungen und Grenzsicherheit abzustimmen. Doch die rechten Rebellen geben sich nicht zufrieden. Selbst Trump wird es zu bunt. Er hat mittlerweile dazu aufgerufen, für McCarthy abzustimmen. Doch sie "gehorchen" selbst ihm nicht.
Da sitzen sie nun – die rechten "Make America Great Again"-Radikalen – im Repräsentantenhaus und nutzen ihre Macht gegen ihre eigene Partei. Sie bringen das System zum Stillstand. Selbst wenn nach gefühlten hunderten Versuchen McCarthy zum Sprecher gewählt werden sollte, könnten die rechten Republikaner jederzeit aus einer Laune heraus politische Entscheidungen und Prozesse blockieren. Ein gefährliches und peinliches Spiel, das erneut dem Ansehen Amerikas schadet.
Die älteste Demokratie der Welt ist angeschlagen und verliert ihr Gesicht – denn das Spektakel im Kongress ist alles andere als amüsant. Es ist gefährlich.