"Ärzte bezweifeln Sinn von Grenzwerten", "Gefahr durch Dieselabgase übertrieben?", "Lungenärzte halten EU-weite Grenzwerte für unsinnig" – schon diese Auswahl an Schlagzeilen der letzten Tage zeigt, die Diskussion um Feinstaub ist aktueller denn je und ebenso brisant wie komplex. Die Fragen, um die sich dabei alles dreht: Wie schädlich ist Feinstaub und wie sinnvoll sind die aktuellen Grenzwerte?
Mitte Januar veröffentlichte eine Gruppe von Lungenexperten eine Stellungnahme, in der sie international anerkannten Studienergebnisse hinterfragen und diese teils heftig kritisieren. Konkret greifen die Expertinnen und Experten damit Zahlen von der WHO, der EU und dem Umweltbundesamt auf, die einen Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und vorzeitigen Todesfällen herstellen. In der Stellungnahme heißt es, die Lungenexperten "sehen derzeit keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und NOx. Sie fordern daher eine Neubewertung der wissenschaftlichen Studien durch unabhängige Forscher".
Die von dem ehemaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP), Prof. Dr. Dieter Köhler, verfasste und von 111 Experten unterzeichnete Stellungnahme kritisiert die Interpretation der wissenschaftlichen Daten. Dazu heißt es in der Stellungnahme:
Darüber hinaus hinterfragen die Autoren die wissenschaftliche Basis für die Festlegung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid und sogar die generelle gesundheitsschädliche Wirkung von Feinstaub.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit veröffentlichte daraufhin eine Stellungnahme, in der es auf die Kritik der Lungenexperten einging. Unter anderem heißt es in dieser:
Auch erste internationale Wissenschaftler äußern sich zu der Stellungnahme der Lungenexperten. In einem ersten Statement sagt Prof. Roy M. Harrison, Professor für Umweltmedizin an der University of Birmingham gegenüber dem Science Media Center:
Weitere Einschätzungen von internationalen Experten zur aktuellen Diskussion finden sich hier. Der Vizedirektor des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut Basel, Nino Künzli, kritisiert darin:
Kritisch aufgefasst wird das Thema auch von Wissenschaftskommunikatoren und Journalisten, wie der Beitrag von Joachim Müller-Jung in der FAZ zeigt. Für das Portal www.wissenschaftskommunikation.de hat Hannes Schlender, Geschäftsführer von science media relations, das mediale Framing analysiert. Schlender sorgt sich dabei vor allem auch um die Folgen eines solchen medialen Chaos:
Wissenschaft müsse sich daher besser auf Kontroversen vorbereiten, wenn sie die Basis nicht verlieren wolle, so seine Forderung.
Fake-News, alternative Fakten, Verschwörungstheorien: Bei vielen Themen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, werden wissenschaftliche Fakten in Frage gestellt oder ausgeklammert. "Die Debatte" ist eine Plattform für die Diskussion aktueller kontroverser Themen aus der Wissenschaft und gleichzeitig ein Versuch, die wissenschaftliche Perspektive in öffentlich viel diskutierte Themen stärker einzubringen. Das geschieht in Form von Live-Debatten, mit Fact-Videos, multimedialen Info-Tools und Interviews. Auf die-debatte.org und natürlich auf watson.de.