Seit Januar 2023 ist Emily Vontz (SPD) Abgeordnete im Deutschen Bundestag, sie ist für Heiko Maas nachgerückt. Bild: Fionn Große
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Wenn Emily Vontz lacht, dann mit ihrem ganzen Gesicht. Sie zeigt ihre Zähne, die Nase kräuselt sich ein kleines bisschen und ihre Augen strahlen. Emily ist die Nummer 51 bei den 49ers, also den Jungsozialist:innen (Jusos) in der SPD-Fraktion im Bundestag. Und sie lacht viel. 49 Jusos waren es zu Beginn der Legislaturperiode. Mittlerweile sind zwei nachgerückt, der Name 49ers aber ist geblieben.
Seit zwei Wochen ist sie nun Abgeordnete, die Nachfolgerin von Heiko Maas (SPD). Er hat im Dezember sein Mandat niedergelegt, den Weg für jemand jüngeren freigemacht. Für Emily. Die 22-jährige Saarländerin, die sich jetzt für ihren Wahlkreis, für ihr Saarland in Berlin einsetzen will.
Der SPD-Politiker und frühere Außenminister Heiko Maas hat seinen Posten geräumt.Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka
Maas ist nicht der erste Saarländer, der seinen Stuhl freimacht für den politischen Nachwuchs. Nach der Wahl haben auch die beiden CDU-Politiker:innen Annegret Kramp-Karrenbauer und Peter Altmaier diesen Schritt gewagt. Was also ist mit den Politiker:innen im Saarland los, dass sie es schaffen, freiwillig Platz zu machen?
Für Emily ist klar: Der Zusammenhalt ist es, der das Saarland ausmacht. Sie sagt: "Alle wollen das Beste für das Saarland. Auch, wenn das bedeutet, sich selbst zurückzustellen." Das sei nicht nur bei Politiker:innen so. Auch im Ehrenamt gäben die Saarländer:innen ihr Möglichstes. Auch und gerade, weil das strukturschwache Bundesland vor einem großen Transformationsprozess steht.
Viele, meint Emily, haben Zukunftsängste. Und die gelte es gemeinsam anzugehen.
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Die Saarländerin spricht Hochdeutsch. Einzig die weiche Aussprache, viele Sch-Laute inklusive, lässt auf ihre südwestliche Herkunft schließen. Dass sie ihr Zuhause und die Menschen vor Ort liebt, ist trotzdem nicht zu überhören. Sie will die Probleme in der strukturschwachen Region angehen, ihr Ohr beim Wahlvolk haben.
Auch das ist ein Grund, weshalb Emily zurück in ihre Heimat, nach Losheim am See, zieht. Denn eigentlich lebt die frisch gebackene Abgeordnete in einer WG in Trier, Rheinland-Pfalz.
Von der Uni in den Bundestag: Hausarbeiten in der Sommerpause
Der Grund dafür: Ihr Studium. Im Saarland gab es keinen Bachelor für Politikwissenschaften, also musste Emily ins Nachbarbundesland ziehen. Im vierten Semester ist sie mittlerweile. Für sie ist klar, wenn die Legislaturperiode vorbei ist, will sie ihren Bachelor in der Tasche haben. Das hat sie sich selbst versprochen, aber auch vielen anderen Menschen, sagt sie.
Auch, weil sie nach ihrer Zeit im Bundestag nicht ohne Ausbildung dastehen will. Wäre sie jetzt nicht in Berlin, würde sie wahrscheinlich gerade ein Praktikum machen. Wohin genau Emily nach dem Studium wollte, war für sie noch nicht klar. Nun sind es erst einmal drei Jahre im Bundestag – mit der Option, dass weitere Legislaturperioden folgen. Aber die Sozialdemokratin könnte sich auch vorstellen, später noch einen Master zu machen.
Neben ihrem Mandat will Emily ihren Bachelorabschluss machen.bild: Fionn Große
Jetzt gilt es aber erstmal den Bachelor zu schaffen: Zwei Hausarbeiten stehen in diesem Semester an. Schreiben könne Emily sie auf den langen Zugfahrten. Außerdem gebe es ja die Sommerpause. Stoff für die Bachelorarbeit in Politikwissenschaften gibt es im Bundestag sicherlich genug. Schließlich ist Emily in drei Ausschüssen Mitglied: Ordentliches Mitglied im Bauausschuss und stellvertretendes Mitglied im Umwelt-, sowie im Europaausschuss.
Und hier durfte sie in ihrer zweiten Woche die Erfahrung machen, wie manch ein älterer Politiker auf junge Kolleginnen schaut. In ihrem Fall war es ein Abgeordneter der AfD, der sie vor allen anderen im Ausschuss despektierlich "Fräulein Vontz" genannt hat. In einem abschätzigen Ton, wie Emily sagt. Das sei der Moment gewesen, in dem sie festgestellt hat, dass sie sich nun ein dickes Fell zulegen muss.
Die Jüngste zu sein, kann auch Anfeindungen mit sich bringen
Genau solche Situationen will Emily angehen. Sie will sich in ihrer Zeit als Abgeordnete dafür einsetzen, dass sich mehr (junge) Frauen politisch engagieren. Dass Politik eben nicht von alten Männern gemacht wird, sondern, dass Belange von Frauen thematisiert, diskutiert werden.
Aber nicht nur in den Ausschüssen und bei der Arbeit im Bundestag wird Emily nun beobachtet, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit.
Wie es ist, die jüngste Abgeordnete zu sein, davon kann die Grünen-Politikerin Emilia Fester ein Lied singen – oder wohl eher eine Arie. Bevor sie den Staffelstab der Jüngsten an Emily weitergegeben hat, musste sie viel Hass über sich ergehen lassen.
Bislang war die 24-jähirge Emilia Fester (Grüne) die jüngste im Bundestag.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Immer wieder taucht der Name der Grünen in den Twitter-Trends auf, immer wieder wird sie von konservativen und rechten Akteur:innen fertiggemacht. Nun hat sie ihren Staffelstab an Emily weitergegeben. Die jüngste Abgeordnete ist jetzt eine Sozialdemokratin.
Emily hat im vergangenen Jahr Emilia Fester auf Instagram verfolgt. Ihre Art, mit der Community zu kommunizieren, gefällt der Jungsozialistin. Aber:
"Es tut natürlich weh zu sehen, wie Menschen mit jemandem umgehen, der plötzlich in der Öffentlichkeit steht. Das ist echt schrecklich, wenn man liest, was Leute in die Kommentare schreiben, ohne darüber nachzudenken, ob sie der Person gerade wehtun oder nicht."
Emily und Emilia werden sich bald austauschen über ihre Erfahrungen. Da will sich die Sozialdemokratin auch ein paar Tipps abholen. Denn einen Shitstorm hat sie bisher selbst noch nie erlebt – und darüber ist sie froh. Bislang stand sie aber auch noch nie so sehr im Rampenlicht der bundesweiten Öffentlichkeit, wie jetzt. Als jüngste Abgeordnete nimmt sie eine Sonderstellung ein.
Mit dem neuen Interesse an ihrer Person hätte sie so nicht gerechnet, meint die Sozialdemokratin. In dem Moment, in dem sie realisiert hatte, dass einer der Google-Vorschläge im Zusammenhang mit ihrem Namen der Zusatz "Freund" ist, konnte sie es kaum glauben.
Sie reißt Mund und Augen auf, schlägt die Hände vors Gesicht. Dann lacht sie. Na klar, auch sie selbst googelt bei Stars und Sternchen, mit wem die liiert sind. Dass eines Tages diese Suchvorschläge bei ihr angezeigt würden, hätte sie trotzdem nicht gedacht.
Zu früh für eine erste Bilanz
Gleichzeitig, meint Emily, ist sie in ihrem Wahlkreis ohnehin bekannt, weil man sich im Saarland eben noch kennt. In Berlin währenddessen gibt es so viel Polit-Prominenz – und so viel Anonymität, dass Emily nicht mit einem gesteigerten Interesse an ihr rechnet.
Von Mut möchte sie im Zusammenhang mit ihrer Entscheidung in den Bundestag einzuziehen nicht sprechen. "Ich bin angetreten, um Verantwortung zu übernehmen", stellt sie klar.
Allein sein wird Emily auch im anonymen Berlin nicht. Anders als einige ihrer Kolleg:innen hat sie schnell eine Wohnung gefunden. Im Februar wird sie in eine WG ziehen. Angst dort am Küchentisch und auf WG-Partys mit Kritik an ihrer Arbeit – oder an ihrer Fraktion – konfrontiert zu werden, hat Emily nicht. Sie sagt:
"Es ist gut, wenn mir die Leute ehrlich sagen, was sie denken. Gerade, wenn Politiker:innen sich in einem Tunnel befinden, ist es gut, wenn ihnen der Spiegel vorgehalten wird. Am Ende ist es unsere Aufgabe, für genau diese Menschen gute Politik zu machen."
Emily sei klar, dass das Leben als Abgeordnete anders werden wird, als das der Juso-Landesvorsitzenden und Studentin Emily Vontz. Aber sie freut sich auf die neue Aufgabe. Die Vorfreude und die Hoffnung sind ihr anzumerken.
Die Neue im Bundestag sprüht vor Energie. Nach nur zwei Wochen ist es zu früh für sie, eine erste Bilanz zu ziehen. Jetzt geht es erstmal darum, alle Abläufe zu durchschauen, anzukommen, sich Tipps von anderen Abgeordneten geben zu lassen, meint sie.
"Andere in der Fraktion haben schon scherzhaft gesagt, dass ich die Amtszeit von Wolfgang Schäuble toppen könnte", sagt Emily und lacht dabei. Der CDU-Politiker ist seit über 50 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestages. Würde Emily seine Amtszeit toppen, wäre sie über 72 Jahre alt.
So weit will die Saarländerin aber nicht in die Zukunft blicken. Jetzt geht es erstmal um die kommenden drei Jahre. So lange geht die aktuelle Legislaturperiode noch.