Tipps vom Chef? Wladimir Putin schüttelt einem Soldaten in einem Trainingscenter für die mobilisierten Reservisten die Hand.Bild: IMAGO / ZUMA Wire
Russland
Corsin Manser / watson.ch
Kriegspropaganda, Überlebenstipps und Beschimpfungen: Bevor russische Soldaten an die Front geschickt werden, erhalten sie laut Berichten einen Ratgeber mit in Teilen wirren Tipps und Erklärungen.
Im allerersten Kapitel des Ratgebers erklärt dieser, was es mit dem offiziell "Sonderoperation" genannten russischen Kriegseinsatz in der Ukraine auf sich hat, wie das Nachrichtenmagazin "Focus" mit Bezug auf einen Bericht der russischen Nachrichtenseite Oksol.tv schreibt.
Der einigermaßen harmlos klingende Begriff "Sonderoperation", sei für die Teilnehmer ein "echter Krieg mit Blut, Schmerz, Bitterkeit über Verluste und Freude über Siege", heißt es.
Eingebettet ist diese Realitäts-Konfrontation in eine ganze Reihe russischer Standard-Kriegspropaganda. Beim Kampf im angegriffenen Nachbarland handle es sich um "eine Fortsetzung des Großen Vaterländischen Krieges", die Ukraine gehöre Russland und müsse "entnazifiziert" werden. Und der große Feind im Allgemeinen ist: der Westen.
Der "Große Vaterländische Krieg"
In Russland wird der deutsch-sowjetische Krieg im Zweiten Weltkrieg zwischen 1941 und 1945 als "Großer Vaterländischer Krieg" bezeichnet. Der Begriff geht wiederum zurück auf den "Vaterländischen Krieg", den Kampf der Russen gegen Frankreich und Napoleon Bonapartes Truppen im Jahr 1812.
"Ich lebe, ich kämpfe, ich siege"
Der Ratgeber mit dem Namen "Ich lebe, ich kämpfe, ich siege" soll von kampferprobten russischen Veteranen in Afghanistan, Tschetschenien und der Ukraine geschrieben worden sein. Angeblich wird er vor dem Einsatz an der Front an die neuen Rekruten verteilt. Jüngst gab es immer wieder Berichte, dass die neu mobilisierten Reservisten teils gar keine Ausbildung vor ihrem Kampfeinsatz erhalten hätten.
Im 66 Kapitel umfassenden Werk gibt es neben Kriegspropaganda aber auch Tipps für das tägliche Soldatendasein. Verfasst in Umgangssprache – laut "Focus" finden sich auf den Seiten mehrfach Beleidigungen wie "Idioten" oder "Dummköpfe" –, geben die Veteranen ihre Kniffe für den Alltag auf dem Feld weiter.
So beispielsweise einfache Kochrezepte, wie eines für Kartoffeln in Folie auf Kohlen oder eine Anleitung, wie Schimmelpilze von Läusen beseitigt werden können. Andere Tipps klingen für Zivilisten wesentlich weniger nachvollziehbar: So sollen die Soldaten Handys von filmenden Schulkindern auf den Bürgersteig schmeißen.
Auch Ausrüstungstipps dürfen nicht fehlen. So seien beispielsweise, wenn vorhanden, Trekkingschuhe den Militärstiefeln vorzuziehen. Von Nutzen seien zudem ein Fernrohr, ein GPS-Gerät und Laser-Entfernungsmesser. Diese Ratschläge richten sich direkt an Kommandanten – für die Beschaffung der Gegenstände seien sie aber erfahrungsgemäß selbst verantwortlich, der russische Staat komme nicht dafür auf.
Russische Rekruten erhalten Instruktionen in einem Trainingscamp.Bild: IMAGO / ITAR-TASS
Ob der Ratgeber tatsächlich zur Grundausrüstung der Neu-Eingerückten gehört, ist derzeit nicht unabhängig geprüft, schreibt der "Focus". Der Kopf hinter dem Werk sei – neben drei weiteren Hauptautoren – der Duma-Abgeordnete Franz Klinzewitsch. Dieser leitet eine Vereinigung der Afghanistan-Veteranen und Beteiligter anderer militärischer russischer Einsätze.
Finanziell soll laut Oksol.tv der russische Unternehmer Andrej Skotsch die Erarbeitung des Ratgebers unterstützt haben. Dieser ist Multimilliardär und gilt als einer der reichsten Russen überhaupt. Aufgrund angeblicher Verbindungen zur organisierten Kriminalität haben ihn die USA bereits 2018 sanktioniert.
Boris Pistorius (SPD) ist seit Januar 2023 Bundesverteidigungsminister unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er gilt als einer der beliebtesten Politiker Deutschlands.