Ukraine-Teenager von Kreml-Agenten ausgetrickst: Bier und Geld für Anschlag
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine führt der Kreml unter Führung Wladimir Putins seinen Feldzug nicht nur mit Raketen und Panzern, sondern auch mit gezielter psychologischer Kriegsführung.
Es geht längst nicht mehr nur um Geländegewinne – die Strategie zielt darauf ab, die ukrainische Bevölkerung zu zermürben, zu spalten und ihr das Rückgrat zu brechen. Dabei nutzt Russland alle Register: von Desinformationskampagnen über gezielte Destabilisierung bis hin zur Manipulation besonders verletzlicher Gruppen.
Ein besonders düsteres Kapitel ist die gezielte Einflussnahme auf ukrainische Kinder und Jugendliche. Minderjährige werden etwa nach Russland verschleppt und dort einer systematischen Umerziehung unterzogen – inklusive Propaganda, russischem Schulunterricht und militärischer Ausbildung.
Aber auch innerhalb der Ukraine versucht der Kreml, junge Menschen für seine Zwecke zu instrumentalisieren, wie eine neue Recherche zeigt.
Russland-Agenten verleiten Ukraine-Teenies zu Anschlägen
Immer öfter geraten Jugendliche in den Fokus russischer Geheimdienste – nicht als Ziel, sondern als Werkzeuge: Laut einem Bericht der "Tagesschau" lockt Moskau junge Ukrainer über das Internet zu Sabotageakten, oft mit dem Versprechen auf schnelles Geld.
Die Angriffe richten sich vor allem gegen Autos von Soldaten oder Rekrutierungszentren, die für den Kriegsdienst zuständig sind. Allein im ersten Halbjahr wurden nach Angaben der ukrainischen Polizei 128 Brandanschläge auf Fahrzeuge von Armeeangehörigen verzeichnet – und viele davon gehen offenbar auf das Konto minderjähriger Täter.
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Ein typischer Fall ist der des 18-jährigen Ihor. Wie er gegenüber der ARD schilderte, habe er auf Telegram eine Anzeige gefunden. "Mindestens 1000 Dollar, hieß es, könne man für 15 bis 20 Minuten Arbeit verdienen", erklärte Ihor. Ein Mann mit dem Decknamen "Ferrari" habe sich als ein ukrainischer Widerstandskämpfer ausgegeben. Das Ziel: die Einberufung neuer Soldaten sabotieren.
Als Ihor anbiss, bekam er Anweisungen – und wurde emotional eingebunden. "Ferrari" habe ihm auch schon mal spontan Geld für Bier gesendet. Zunächst sollte Ihor nur Stromkästen in Brand setzen. Später zündete er sogar ein Servicezentrum an, in dem Bürger staatliche Leistungen beantragen können – auch seine eigene Familie war dort schon Kunde.
Ukraine: Russische Agenten nutzen Geldnot aus
Grund für seine Eskalation: "Ferrari" habe ihm Geld geschickt, seine Familie sei in finanzieller Not, und als Ihor auch noch erfuhr, dass seine Mutter Krebs hat, sei der Druck zu groß gewesen.
Die Investigativjournalistin Walerija Jehoschyna bestätigte der "Tagesschau", dass viele dieser Rekrutierungen nach einem ähnlichen Muster wie bei Ihor ablaufen. Die russischen Auftraggeber nutzen dabei etwa die Arbeitslosigkeit und die Geldnot der jungen Ukrainer oder etwa deren Wut auf Rekrutierungen für den Krieg.
Dennoch gehen nicht alle der Auftraggeber derart nett vor wie im Fall von Ihors Kontakt Ferrari. In einem Fall soll ein russischer Kontakt Jehoschyna zufolge sogar einem Ukraine-Teenie bei einem Rückzieher gedroht haben: "Wir wissen, wo du wohnst, wir wissen, wo du entlang gehst."
Jehoschyna und ihr Team haben zahlreiche dieser Fälle recherchiert – alle betreffen Minderjährige. Das jüngste bekannte Opfer war gerade einmal zehn Jahre alt. Die tatsächliche Wirkung der Anschläge auf die Armee gilt als begrenzt.
Viel wichtiger sei das Bildmaterial: brennende Autos und Gebäude, inszeniert für russische Propagandafilme, die dann über Telegram verbreitet werden. Das Ziel: den Anschein zu erwecken, die ukrainische Bevölkerung wolle sich nicht mehr gegen Russland verteidigen.
Laut Tagesschau sei das Kalkül der russischen Dienste klar: Spaltung säen, Misstrauen streuen – und das mit Jugendlichen als naive Helfer. Deshalb fordern Expert:innen wie Jehoschyna mehr Aufklärung an Schulen, um junge Menschen besser gegen gezielte Desinformation zu wappnen.
