Ein Ende ist beim Krieg in der Ukraine nicht in Sicht. Noch am Montag hatte Präsident Wladimir Putin angekündigt, die Angriffe auf die Ukraine weiter intensivieren zu wollen. Dies sei eine Reaktion auf die Angriffe Kiews auf die russische Stadt Belgorod. Am Neujahrstag gab es zahlreiche Angriffe Russlands auf das Land, wie die ukrainische Luftwaffe vermeldete. In der Nacht auf Dienstag folgten dann mehreren Wellen schwerer russischer Luftangriffe.
Mit den Ressourcen von Soldaten und Waffen müssen beide Länder aktuell haushalten. Sowohl Russland als auch die Ukraine setzen aktuell vermehrt auf eine Technologie, die eigentlich aus dem Rennsport kommt.
Ukrainische Streitkräfte warnen vor den Folgen von fehlenden Soldaten und Munition. Auch Russland hat Probleme mit den Ressourcen. Dennoch habe das durch Machthaber Wladimir Putin regierte Land noch die Möglichkeit, "Streitkräfte, einschließlich Artillerie und Luftfahrt, zu sammeln", erklärte Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj kürzlich laut "Kyiv Post".
Ein beliebtes Mittel auf den Schlachtfeldern im Ukraine-Krieg sind Drohnen. Besonders auf die sogenannten FPV-Drohnen setzt die Ukraine bereits seit Längerem. Die Abkürzung steht für First Person View: Mit Brillen ausgerüstet sehen Piloten den Drohnenflug aus der Entfernung in der Ich-Perspektive und steuern diesen. Dadurch haben sie eine Sicht, als wären sie an Bord der Drohne.
Es ist eine Technik, die aus dem Rennsport kommt, sie ist in ferngesteuerten Hobbyfluggeräten verbaut. Bastler der Szene veranstalten mit ihren kleinen und leichten Quadrocoptern Rennen über unterschiedlichste Parcours, wie "Spiegel" berichtet. Vorteile haben die Fluggeräte viele. Denn sie sind wendig und schnell, können teils weit über 100 Kilometer pro Stunde fliegen. Das wäre mit normalen Multicoptern nicht möglich.
Auch die Kosten spielen im Ukraine-Krieg eine entscheidende Rolle. Denn andere unbemannte Kampfdrohnen sind zwar effektiv, kosten aber Millionen. Die FPV-Drohnen hingegen können als Massenprodukte produziert werden.
Im Ukraine-Krieg haben sie eine solch hohe Bedeutung, dass ein Drohnen-Wettrüsten zwischen Kiew und Moskau entstanden ist. In diesem Jahr will die Ukraine eine Million FPV-Drohnen produzieren lassen.
Denn sie können mit der richtigen Munition sogar Panzer außer Gefecht setzen, ganz ohne Risiko für denjenigen, der die Drohne steuert. "FPV-Drohnen sind zu einem festen Bestandteil der Waffenarsenale beider Seiten geworden", zitiert der "Spiegel" Federico Borsari vom Center for European Policy Analysis in Washington.
Die ukrainische Armee ist dennoch weiterhin auf Waffenlieferungen durch den Westen angewiesen. Aber derzeit entwickeln sich in dem Land zahlreiche Drohnen-Unternehmen und Start-ups, die sich mit der Technologie beschäftigen. Zudem gibt es Bastler, die die Armee unterstützen und häufig durch Spendengelder unterstützt werden. Der Markt ist unübersichtlich, in kurzer Abfolge erscheinen laut dem "Spiegel"-Bericht derzeit neue Modelle.
Mit der massenhaften Produktion von FPV-Drohnen versucht das ukrainische Militär, das Loch in Sachen Artilleriegeschossen auszugleichen. Zudem bieten die Fluggeräte im Vergleich zu Artilleriegeschossen Vorteile, vor allem bei beweglichen Zielen. Denn durch die Kamerasteuerung ist es für gut ausgebildete Soldaten einfacher, präzise anzugreifen.
Mit Haubitzen, die aus vielen Kilometer Entfernung angreifen, ist das deutlich schwieriger. Zudem können sie sogar in gut geschützte Tunnel oder Gebäude fliegen. "FPV-Drohnen ermöglichen eine noch nie dagewesene Zielgenauigkeit bis hinunter auf die Ebene eines militärischen Zugs von einigen wenigen Soldaten", sagt Borsari.
Der Preis ist ihm zufolge auch im Vergleich zu Artilleriegeschossen ein Vorteil. Selbst mit den Ausgaben für Sprengstoff oder Munition kosten die Drohnen kaum mehr als 700 bis 900 Euro pro Stück.
Borsari sagt hierzu: "Das ist weitaus billiger als alle Angriffsmöglichkeiten, die über die Sichtlinie der Soldaten hinausgehen – einschließlich konventioneller Artillerie." Zum Vergleich: Eine einzelne westliche 155-Millimeter-Granate koste normalerweise zwischen 2500 und 4000 Euro. Allerdings können FPV-Drohnen Artilleriefeuer nicht gänzlich ersetzen.
Die Bedeutung der wendigen Drohnen hat auch Russland mittlerweile erkannt. Russland setzt eigene Modelle mit Wärmebildgeräten ein. Berichten zufolge verschafft sich Putin damit vor allem in der Dunkelheit Vorteile. Bereits im Mai hatte eine russische Firma angekündigt, 3000 solcher Drohnen zu produzieren. Jeden Monat. Ähnlich wie in der Ukraine unterstützen auch in Russland Bastler und Amateurpiloten das russische Militär.
Während die Ukraine sich zu Beginn des Krieges einen Vorteil dadurch verschaffen konnte, gibt es nun Befürchtungen, den Vorsprung eingebüßt zu haben. Um das selbst gesteckte Ziel von einer Million FPV-Drohnen erreichen zu können, müsste das Land laut dem ukrainischen Magazin "Defence Express" die Produktion um beinahe 70 Prozent steigern.
Abhängig dürfte das laut Bericht von der Verfügbarkeit von den bereits knappen Elektrobauteilen sein. Auch die Ausbildung von Soldaten für die Steuerung ist ein kompliziertes Unterfangen.
Laut der "Kyiv Post" ist die Produktion der Drohnen vor allem an den festgefahrenen Frontverläufen von großer Bedeutung. Unter anderem zitiert das Medium eine Einschätzung eines ukrainischen Soldaten, der davon ausgeht, dass der Kriegsverlauf zu mindestens 80 Prozent von FPV-Drohnen abhängt.