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Russland: So können US-Geheimdienste mit Handy-Daten Putin verfolgen

FILE - Russian President and Presidential candidate Vladimir Putin exits a polling booth as he prepares to cast his ballot during Russia's presidential election in Moscow, Russia, Sunday, March 1 ...
Mit wem sich Putin wann und wo trifft, lässt sich offenbar nicht so einfach verschleiern. Bild: POOL AFP / Yuri Kadobnov
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Wie US-Geheimdienste mit Handy-Daten den Standort von Putin verfolgen

29.02.2024, 17:40
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Zeitsprung in das Jahr 2019: Der staatliche Techniker und Auftragnehmer Mike Yeagley verbreitete im US-Sicherheitsapparat immer wieder eine Warnung, die jedoch nur bei jenen ankam, die zuhören wollten: Er warnte die US-Regierung vor einem Grindr-Problem.

Der nachlässige Umgang der Dating-App, aber auch vieler anderer Apps, stellte ihm zufolge nicht nur ein Sicherheitsrisiko für Einzelpersonen, sondern auch für den Staat dar. Denn mithilfe der Apps konnte mit etwas technischem Know-how und Geld der Standort eines jeden nachvollzogen werden. In Echtzeit.

Handy-Daten macht sich mittlerweile auch der US-Geheimdienst zunutze. Dies beschreibt der ehemalige "Wall Street Journal-Journalist" Byron Thau in seinem Buch "Means of Control". Der Standort des russischen Präsidenten Wladimir Putin etwa kann demnach nachvollzogen werden. Selbst dann, wenn er selbst die Sicherheit auf seinem Smartphone hochhält.

Grindr und die Staatssicherheit: Wie Apps zur nationalen Gefahr wurden

Was Grindr damit zu tun hat? Es ist eine beliebte Dating-App, die heute vor allem in der Schwulenszene weltweit etabliert ist. Als Mike Yeagley damals von dem Grindr-Problem sprach, nutzte die App die GPS-Funktionen von Smartphones, um potenzielle Dating-Partner in der Umgebung zu verbinden – ob im gleichen Ort, in der Nachbarschaft oder sogar im eigenen Gebäude. Denn die App zeigte in Echtzeit an, wie viele Minuten Fußweg man zu der anderen Person braucht.

Bavaria, Germany - 22 January 2023: A man with a smartphone in his hand. Grindr dating and sex app or website for homosexuals PHOTOMONTAGE *** Ein Mann mit einem Smartphone in der Hand. Grindr Dating  ...
Grindr gewann innerhalb kürzester Zeit Millionen User:innen. Bild: imago images / Bihlmayerfotografie

Während Grindr immer populärer wurde, war die App für den Techniker laut einem aktuellen Bericht von "Wired" vor allem eines: eine von Zehntausenden unsicheren Handy-Apps, die riesige Datenmengen in die undurchsichtige Welt der Online-Werbetreibenden gelangen ließen. Ihm war klar: Diese Daten sind für jeden zugänglich, der über etwas technisches Know-how verfügt.

Der Techniker beschrieb sie in Washington als ernstes nationales Sicherheitsrisiko. Denn es gab einen versteckten Zugang zu Geolokalisierungsdaten: die digitalen Werbebörsen, die die kleinen digitalen Bannerwerbungen oben auf Grindr bereitstellen. So wie bei fast jeder anderen werbefinanzierten mobilen App und Website.

Handy-Daten aus Regierungsgebäude: Wichtige Daten für jeden offen

Dies verdeutlichte er nach der Recherche damit, dass er Geofences zeichnete – und damit virtuelle Grenzen in geografischen Datensätzen schaffte. Etwa um Gebäude herum. Dadurch konnte Yeagley sehen, welche Smartphones sich zu bestimmten Zeiten in bestimmten Gebäuden befanden und wohin sie anschließend gingen.

Er suchte nach Telefonen von Grindr-Benutzer:innen, die tagsüber Zeit in Regierungsgebäuden verbrachten. Im Laufe der Zeit zeichnete sich ein genaues Bild vom Leben derjenigen ab. Etwa, wo sie wohnten, wohin sie reisten, mit wem sie sich wann trafen.

Der Journalist Byron Thau beschreibt in seinem Buch die Struktur des Marktes für diese Daten wie folgt: Jeder, der ein iPhone oder Android-Handy besitzt, hat von Apple oder Google eine "anonymisierte" Werbe-ID erhalten. Diese Nummer zeigt Bewegungen in der realen Welt, aber auch das persönliche Surfverhalten, installierte Apps und vieles mehr.

ARCHIV - 10.06.2020, Baden-Württemberg, Stuttgart: ILLUSTRATION - Ein Smartphone wird gehalten. Eine Influencerin darf nach einer Entscheidung des niedersächsischen Finanzgerichts Ausgaben für Kleidun ...
Wer ein Smartphone besitzt, hinterlässt Spuren. Mehr als die meisten wohl denken. Bild: dpa / Sebastian Gollnow

Die Börsen wiederum verkaufen Werbeflächen auf Auktionen. Diese sind, wie Yeagley erklärt, "voll mit Überwachungsmöglichkeiten" für diejenigen, die User-Geolokalisierungsdaten erhalten möchten. In einigen Fällen könnte der genaue Standort der User:innen in solchen Auktionen in Echtzeit verfügbar gemacht werden – und zwar nicht nur für Werbetreibende.

Yeagleys Ziel bei Treffen in Washington bestand laut des Buch-Autors nicht nur darin, vor Gefahren zu warnen. Er wollte auch zeigen, dass Daten eine enorme Macht verleihen können, wenn sie in den richtigen Händen sind und für den "richtigen" Zweck verwendet werden. Zum Beispiel von Geheimdiensten. Yeagley selbst, so heißt es in dem Buch, verbrachte viele Jahre seiner Arbeit damit, "nach Datensätzen (...) zu suchen und dabei zu helfen, diese an die Regierung weiterzuleiten".

Russland-Daten: So verfolgte Planetrisk Putin durch Handys in seiner Umgebung

Ab 2016 arbeitete Yeagley laut dem Bericht für Planetrisk, einem mit der US-Regierung verbundenen Start-up. Dabei konzentrierte er sich zunächst auf das erste Projekt des Unternehmens: die Beobachtung und Bewertung von Flüchtlingsströmen aus Syrien.

Daten von Menschen, die das Land aufgrund des Bürgerkriegs und des Aufstiegs des Islamischen Staates verließen. Planetrisk erhielt eine Reihe von Telefondaten aus Aleppo. Dabei wurde festgestellt, dass selbst ohne Werbung in einem Kriegsgebiet Flüchtlingsbewegungen auf der ganzen Welt beobachtet werden konnten.

Planetrisk erstellte daraufhin eine Demo eines kommerziellen Telefonverfolgungsprodukts namens Lokomotiv. Für satte 600.000 US-Dollar, vom Pentagon finanziert. Während Planetrisk mithilfe von Lokomotiv weiterhin Daten aus Syrien sammelte, fand "Planetrisk eine interessante Geschichte nach der anderen", schreibt Byron Thau. So seien sie etwa auf seltsame Telefonbewegungen aufmerksam geworden – und erkannten, dass damit führende Persönlichkeiten der Welt verfolgt werden konnten.

Auch der russische Präsident Wladimir Putin.

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Mit wem sich Putin im Geheimen trifft, ist womöglich gar nicht so geheim. Bild: imago images / Sergei Bobylev

Das Team verfolgte Telefone, die mit Putin unterwegs waren. Die Vermutung: Diese Geräte gehörten zwar nicht dem Machthaber selbst, sondern seinen Mitarbeitenden. Fahrern, Personal des Sicherheitsdienstes und Assistent:innen.

Wie Thau schreibt, wusste Planetrisk, wo sich Putin aufhielt – und mit wem. Inwiefern diese Daten den US-Geheimdienst erreichten, steht in dem Buch allerdings nicht.

Macht der Daten: Geheime Informationen durch Smartphones

Spannend auch: Die Mitarbeitenden untersuchten unter anderem die Bewegungen amerikanischer Militärtelefone. Sie waren etwa häufig auf Militärstützpunkten in North Carolina und Tampa zu finden, dann aber auch in einem verlassenen Zementwerk in der Nähe der Stadt Kobani im Norden Syriens.

Die Vermutung im Bericht: Womöglich handelte es sich um geschlossene Militäranlagen. Wenige Monate später bestätigte die US-Regierung dies. Der Standort war demnach eine vorgeschobene Operationsbasis für an der Kampagne gegen den Islamischen Staat beteiligtes Personal.

Yeagley verließ Planetrisk kurze Zeit später trotz erhöhtem Interesse vonseiten des Pentagons. Das Unternehmen wollte aus der Demoversion Lokomotiv ein kommerzielles Produkt machen. Yeagley nahm den wichtigsten Anbieter von Telefon-Geolokalisierungsdaten, UberMedia, mit – ein Unternehmen, das Planetrisk Daten getrennt nach Ländern zur Verfügung stellte.

Die Kosten für Daten weltweit, laut eines Sprechers: mehrere hunderttausend Dollar pro Monat. Byron Thau betont, UberMedia-Daten seien für jeden käuflich zu erwerben, der eine plausible Begründung dafür finden kann – für die Daten der chinesischen oder russischen Regierungen dürfte es nicht schwierig sein, eine solche Begründung zu finden.

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Das Lokomotiv-Programm ist mittlerweile im US-Geheimdienst weit verbreitet und heißt heute VISR (Virtual Intelligence, Surveillance, and Reconnaissance). Doch es ist nicht mehr das einzige Produkt, das Daten aus der Werbebranche verwertet und verkauft. So gibt es auch ähnliche Tools aus Israel, etwa von den Unternehmen Insanet, Patternz und Rayzone. Sie verkaufen diese an Sicherheitsdienste auf der ganzen Welt.

ARCHIV - 24.06.2023, Russland, Moskau: Das Hauptquartier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. (zu dpa: �Russlands Geheimdienst nimmt US-B�rgerin wegen Hilfe f�r Ukraine fest�) Foto: Alexander Zem ...
Russland, Moskau: Das Hauptquartier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB.Bild: Xinhua / Alexander Zemlianichenko Jr

Auf die Veröffentlichung von "Wired" hat der Kreml bereits reagiert. Der Pressesprecher von Putin, sagte dazu laut dem russischen Exilmedium "Meduza": Der Kreml habe keine Kenntnis von Versuchen westlicher Geheimdienste, den Aufenthaltsort von Putin über die Telefone seines Gefolges zu überwachen. Gleichzeitig tun demnach russische Geheimdienste alles dafür, um die "Sicherheit des Staatsoberhauptes" zu gewährleisten.

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