In Russland gilt noch immer ein jahrhundertealtes Familienbild: Frauen kümmern sich um den Haushalt und die Kinder, der Mann ist der Familienchef. Patriarchale Strukturen aus dem Lehrbuch. Zwar war es in sowjetischen Ländern schon lange Usus, dass Frauen auch arbeiten. Doch das Kinderkriegen galt und gilt noch immer als wichtigste Aufgabe und teilweise auch Daseinsberechtigung der Frau.
Dieses altertümliche Rollenverständnis ist auch mit ein Grund dafür, warum es keine russische Frau an der Front im Krieg gegen die Ukraine gibt.
Doch auch in Russland bewegt sich die Gesellschaft. Frauen ziehen es immer häufiger vor, Karriere zu machen. Der demografische Wandel – er ist auch hier angekommen.
Doch der russischen Führung schmeckt das offensichtlich gar nicht gut.
Denn wie russische Medien berichten, hält es der Gesundheitsminister für eine "bösartige Praxis", wenn Frauen lieber Karriere machen, als Kinder zu bekommen. Seiner Meinung nach sollten Frauen früher gebären und es sollte mehr Kinder geben.
"In der Gesellschaft hat sich eine bösartige Praxis herausgebildet, die besagt, dass eine Frau zuerst eine Ausbildung absolvieren, Karriere machen, sich eine materielle Grundlage schaffen und sich dann erst um das Kinderkriegen kümmern sollte", sagte der Putin-treue Minister Mikhail Murashko in einer Plenarsitzung der russischen Staatsduma.
Und nicht nur, dass er der Auffassung ist, Frauen, die spät oder niemals Kinder bekommen, hätten böse Absichten. Nein. Ihm zufolge sind diese Frauen nämlich auch kränker als andere.
Für seine Propaganda nutzte Murashko die wissenschaftliche Erkenntnis, dass eine späte Schwangerschaft die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt erhöht. Eine frühe Schwangerschaft sei dagegen eine Präventivmaßnahme gegen gynäkologische Erkrankungen.
Für letzteres gibt es keine wissenschaftlichen Belege.
Der Meinung des Gesundheitsministers zufolge sollte bereits Mädchen in der Schule erklärt werden, dass das Kinderkriegen wichtiger sei als die Karriere. Je früher eine Frau gebärt, desto besser sei das für sie und ihre Gesundheit und für die Gesundheit ihrer Kinder – dieses Signal solle gesendet werden.
Dass ukrainische Bürger:innen auf solche Vorschläge mit Häme reagieren, war abzusehen. Denn wie solche Vorschläge aufgegriffen werden, ist eigentlich klar: Frauen sollten demnach die Soldaten der Zukunft produzieren.
Dazu teilen Twitter-User:innen auch makabere Karikaturen.
In der gleichen Plenarsitzung am Dienstag sprachen die Duma-Abgeordneten indes auch über ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen. Diese Initiative hatte Tatjana Butskaja, stellvertretende Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Familie, Frauen und Kinder, vorgeschlagen.
Murashko sagte dazu, dass man bis Ende des Jahres Notfall-Abtreibungsmedikamente aus dem freien Verkauf nehmen solle. Auch etwaige Operationen sollen eingeschränkt werden.