Russland hat mit zahlreichen Problemen zu kämpfen, seit Machthaber Wladimir Putin die Entscheidung zur Invasion in der Ukraine traf. Unter anderem gehen dem Land die Soldaten aus. Russland hat – ebenso wie die Ukraine – regelmäßig hohe Verluste zu verzeichnen. Derzeitiger Hotspot ist der Fluss Dnipro, wo die ukrainische Armee weiter in russisch kontrolliertes Gebiet auf ukrainischem Boden vorgedrungen ist.
Um die Löcher zu stopfen, die die zahlreichen Verluste an der Front hinterlassen, schickt Putin bereits seit Monaten verurteilte Straftäter an die Front. Das ist eine bekannte Taktik des verstorbenen Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin. Die in den Gefängnissen sitzenden Männer erhalten dadurch angeblich die Chance auf Freiheit. Die meisten aber finden ein Trauma oder den Tod.
Nun kommt ein russischer Beamter mit einem Vorschlag für weibliche Gefangene um die Ecke. Auch sie sollen ein Loch stopfen, allerdings nicht jenes an der Front. Der Vorschlag stößt auf massive Kritik, auch innerhalb des Landes.
Russland hat ein Nachwuchs-Problem: Immer weniger Kinder werden im Putin-Staat geboren, wie Daten der russischen Statistikbehörde Rosstat zeigen, die das digitale Medienhaus "Table.Media" ausgewertet hat. Demnach wurden etwa im Zeitraum Januar bis Ende April dieses Jahres 3,1 Prozent weniger Kinder geboren als im gleichen Zeitraum im Jahr 2022 – 407.188 gegenüber 420.073 Kindern.
Nach Einschätzung des russischen Fach-Telegramkanals "Wirtschaft und nicht nur" ist die russische demografische Entwicklung eine der "schlechtesten weltweit". Und: In nur einem Jahr ist die Bevölkerung um eine Million geschrumpft.
Nun hat ein hochrangiger russischer Beamter vorgeschlagen, weibliche Gefangene freizulassen, wie der osteuropäische Nachrichtensender Nexta TV berichtet. Damit will Valery Seleznev, ein Abgeordneter der Duma, dem Bevölkerungsproblem entgegenwirken. Er sagte über die rund 45.000 weiblichen Gefangenen in Russland:
Der Deal, von dem der Putin-Beamte spricht: Frauen könnten "Urlaub" vom Gefängnis erhalten. Sollten sie dann ein Kind gebären, wird der Rest der Strafe erlassen. Bei seinem Vorschlag zieht er eine Parallele zu den Männern, die aus den Gefängnissen an die Front geschickt wurden:
In Russland leben derzeit rund 144 Millionen Menschen. Das sind vier Millionen weniger als noch im Jahr 1991, als die Sowjetunion zusammengebrochen war. Für den Beamten ein Problem, das mit der Freilassung der Frauen zumindest teilweise behoben werden könnte.
Doch Seleznevs Äußerungen haben innerhalb und außerhalb Russlands heftigen Widerstand hervorgerufen.
Die Menschenrechtsaktivistin Eva Merkatschewa bezeichnete den vorgeschlagenen Plan etwa als "verrückt". Sie kritisierte, dass Frauen damit dazu gedrängt würden, sich einen Mann zu suchen. Und zwar "wie ein Tier, ohne Liebe, Zuneigung und langfristige Perspektiven". Sie hat stattdessen einen anderen Vorschlag:
Ein anderer Duma-Abgeordneter, Sultan Chamzaev, schlug vor, Frauen mit Abtreibungsabsicht finanzielle Anreize zu bieten, damit sie ihr Kind "vom Staat aufziehen lassen".
Julia Davis, Journalistin und Gründerin des Russian Media Monitors, postete am Donnerstag ein Foto auf X (ehemals Twitter) von einem Plakat. Darauf zu sehen: Auf der einen Seite ein Baby im Mutterleib, auf der anderen Seite ein kleines Kind in Militäruniform, das salutiert.
In einem am Donnerstag vom Center for European Policy Analysis (CEPA) veröffentlichten Artikel dokumentiert Davis, wie Russlands Bevölkerung schrumpft. Sie wies auch darauf hin, wie der Kreml versucht hat, dem Bevölkerungsrückgang entgegenzuwirken: Etwa, indem Putin ukrainische Flüchtlinge, Frauen und etwa 700.000 Kinder zwangsweise ins Land holte. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen gegen Putin und Maria Lvova-Belova, Beauftragte für Kinderrechte im Büro des Präsidenten der Russischen Föderation, erlassen.
Meduza, ein unabhängiger russisch- und englischsprachiger Nachrichtensender, berichtete zudem am 13. November, dass die Anti-Abtreibungsbewegung vorangetrieben wird. So auch jene von Frauen wie Natalya Moskvitina, die die Organisation "Women For Life" gegründet hat. Berichten zufolge glaubt sie, dass Vergewaltigungsopfer Kinder gebären sollten und dass "wahre Weiblichkeit" nur durch Mutterschaft möglich sei. Sie hat auch erklärt, dass Frauen, die weniger als drei Kinder haben, Teil eines globalen Übels sind.
Die Stiftung, die laut "Newsweek" Zuschüsse und Gelder direkt vom Kreml erhalten hat, weist ihre Freiwilligen auch offen an, bei Gesprächen mit schwangeren Frauen "Manipulation" und Täuschung anzuwenden.