Zerstörung und Angst, Abschied und Tod: Es ist eine schmerzhafte Realität, die seit dem Beginn des Krieges für viele Menschen in der Ukraine an der Tagesordnung ist. Mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Truppen ist das Leben in dem Land nicht mehr so, wie es vorher war.
Doch trotz all des Leids, gibt es ein Gefühl, das viele von ihnen antreibt. Ihnen die Motivation gibt, weiterzumachen: die Liebe.
Auch, wenn viele Paare durch den Krieg voneinander getrennt wurden, besteht das Gefühl der Verbundenheit weiter.
Seit September 2024 gibt es nun für sie und auch für alle anderen Heiratswilligen eine ganz neue Möglichkeit: die Online-Hochzeit. Eine App ermöglicht es Paaren, sich völlig digital das Ja-Wort zu geben. Die Ukraine ist damit das erste Land, in dem der gesamte Hochzeitsprozess digitalisiert wurde. Doch dieser Service besteht nicht für alle.
Der Minister für digitale Transformation, Mykhailo Fedorov, erklärte dem "Kyiv Independent" stolz: "Dieser Service ist einzigartig. Zwar gab es ähnliche Tests in anderen Ländern." Weltweit gäbe es jedoch keinen anderen Staat, der den gesamten Heiratsprozess so vollständig digitalisiert habe.
Bereits 251 Paare haben diesen Service bis Mitte September in Anspruch genommen. Weitere 3200 haben ihre Heiratsanträge online eingereicht.
So wie Olha Shevchenko und Mykyta Pukhkan. Das Paar hat den neuen digitalen Hochzeitsdienst der ukrainischen App Diia genutzt.
"Eines Tages im Mai sah mein Mann eine Benachrichtigung über die Betaversion von Diia, die einen Online-Hochzeitsdienst anbot. Es sah ein wenig ungewöhnlich aus … Aber wir haben es riskiert", erzählte Shevchenko der Zeitung "Kyiv Independent". Sie hatten schon länger geplant zu heiraten, wollten dies jedoch nicht in diesem Jahr tun, angesichts der schwierigen Kriegssituation im Land. Eine Online-Hochzeit machte es für sie viel einfacher.
"Die Zeremonie war perfekt, obwohl es den ganzen Tag über Fliegeralarm und Stromausfälle gab", erinnerte sich Shevchenko an ihren Hochzeitstag in einem Café in Izmail.
Die App Diia, die übersetzt "Das Land im Smartphone" bedeutet, wurde 2020 vom ukrainischen Ministerium für digitale Transformation ins Leben gerufen. Sie bietet derzeit über 130 digitale Dienste an und wird von mehr als 20 Millionen Ukrainer:innen genutzt.
Sie können durch Diia auf wichtige Dokumente wie Reisepässe und Führerscheine zugreifen, Unternehmen gründen und sogar Steuern zahlen – alles mit wenigen Klicks auf ihrem Smartphone.
Die Einführung der digitalen Eheschließung kam inmitten des anhaltenden Krieges in der Ukraine. Der Krieg hat das Leben vieler Menschen erheblich verändert, und auch die Zahl der Eheschließungen ist davon betroffen.
Nach dem Beginn der groß angelegten russischen Invasion stieg die Zahl der Ehen 2022 auf 223.000, das sind mehr als in den beiden Jahren davor. Im Jahr darauf fiel die Zahl jedoch auf etwa 186.000, während die Scheidungen zunahmen.
Vor dem Hintergrund des Kriegsrechts in der Ukraine hat das Parlament das Heiratsverfahren vereinfacht, insbesondere für Soldaten. Sie können nun auch von der Front aus über die App heiraten.
Am Tag der Hochzeit gelangen die Paare über einen Link zur Online-Zeremonie. Der Trauungsprozess dauert bis zu 30 Minuten.
Für viele Menschen bedeutet dies eine enorme Erleichterung, da sie trotz räumlicher Trennung und schwieriger Planbarkeit ihren Liebsten das Ja-Wort geben können.
Trotzdem: Für viele bleibt der Zugang zur Ehe auch mit der App ein unerreichbares Ziel. Tsariuk und sein Partner Viktor, die einen Heiratsantrag über Diia einreichten, fühlen sich durch die bestehenden Gesetze benachteiligt.
Obwohl sie wussten, dass ihr Antrag abgelehnt werden würde – gleichgeschlechtliche Ehen sind in der Ukraine weiterhin illegal – wollten sie auf die Notwendigkeit der Legalisierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufmerksam machen.
Ein Gesetzesentwurf zur Anerkennung von Lebenspartnerschaften als Alternative steckt seit 2023 im Parlament fest. Eine Legalisierung würde der LGBTQ+-Gemeinschaft wesentliche Rechte verleihen. Etwa die Möglichkeit, den Leichnam des Partners im Todesfall zur Bestattung zu übernehmen. Dies dürfte angesichts der Kriegssituation für viele ein besonders bedeutungsvolles Thema sein.