Triggerwarnung: In diesem Artikel werden Gewalt und Tod thematisiert. Das kann belastend und retraumatisierend sein.
Schock und Entsetzen im Herzen von Kiew: Nach einem schweren russischen Raketenangriff auf Kiew und das Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus im Zentrum sitzt die Fassungslosigkeit tief. Die größte Kinderklinik der Ukraine ist bekannt für ihre spezialisierte Krebsbehandlung und für viele der kleinen Patient:innen seit Monaten ein Zuhause. Am Montag ist sie Ziel eines russischen Angriffs geworden.
Plötzlich ertönten ohrenbetäubende Explosionen, Wände und Dächer lagen in Schutt und Asche. Die Klinik wurde schwer beschädigt, insbesondere die toxikologische Abteilung lag in Trümmern. Durch die Einschläge mehrerer Raketen und Marschflugkörper in der Dreimillionenstadt wurden nach letztem Stand 27 Menschen getötet, darunter vier Kinder. Kinder sowie Helfende aus dem Kinderkrankenhaus stehen unter Schock. Das dort arbeitende Personal ist fassungslos, schildert nun die dramatischen Szenen.
Die Explosionen an der Kinderklinik in Kiew hinterließ das Hauptgebäude des Krankenhauses mit Granatsplittern und zertrümmerten Fenstern. Ein Operationssaal, in dem gerade ein Kind operiert wurde, wurde völlig zerstört. Hunderte Rettungskräfte durchsuchten die Trümmer der toxikologischen Abteilung auf der verzweifelten Suche nach Überlebenden. Zivilist:innen bildeten eine Menschenkette, um zu helfen, die Trümmer zu beseitigen. Alles unter ständig neuen Luftalarmen, zwischen verwirrten und verängstigten Menschen, darunter viele kranke Kinder.
Der tödliche Angriff Russlands am Montag war nicht der erste dieser Art – nach Angaben des International Rescue Committee wurden seit Beginn der groß angelegten Invasion mehr als 1700 medizinische Einrichtungen getroffen. Dennoch löst die Brutalität des Angriffs Schockwellen aus. In der Ukraine werden wütende Forderungen nach einer verstärkten Luftabwehr und Hilfe von Verbündeten wohl zunehmen.
Maria Soloshenko, eine 21-jährige Krankenschwester, arbeitete zum Zeitpunkt des Angriffs in der toxikologischen Abteilung des Kinderkrankenhauses. Sie schildert dem "Guardian" dramatische Szenen: Kinder, teils erst 18 Monate alt, mussten eilig von der Dialyse genommen und durch die Fenster evakuiert werden. "Es war total chaotisch. Die Kinder waren in Panik und weinten", berichtet sie. Während sie später eine Kollegin mit einer offenen Kopfverletzung versorgte, erkannte sie diese im ersten Moment nicht. Blut und Staub verdeckten ihr Gesicht.
Tanya Lapshina ist eine Krankenschwester aus der benachbarten Unfallabteilung. Auch deren Fassade wurde durch die Explosion schwer beschädigt. Sie erzählt dem Medium von der Angst um ein Kind, das sich gerade einer Operation am offenen Herzen unterzog, als die Explosion das Gebäude traf. "Es war das totale Chaos. Die Kinder weinten im Bunker. Es gibt keine Worte dafür. Es ist schrecklich. Ich zittere immer noch", sagt Lapshina.
Das Ochmatdyt-Krankenhaus ist eine lebenswichtige Einrichtung für schwerstkranke Kinder in der Ukraine. Während des gesamten Kriegs standen die Ärzt:innen vor der Herausforderung, sowohl Kriegsverletzungen zu behandeln als auch Kinder mit Vorerkrankungen zu versorgen. Der Angriff am Montag traf das Krankenhaus zu einer Zeit, als es besonders ausgelastet war.
Die Rettungsarbeiten wurden durch mehrere Fliegeralarme unterbrochen, da die Rettungskräfte gezwungen waren, Schutz zu suchen. Dies erschwerte die Suche nach Überlebenden zusätzlich. "Sie wollen uns treffen, während wir unsere Kinder retten. Das ist barbarisch", sagt ein Freiwilliger, der sich in einem Schutzraum versteckte, dem "Guardian".
Bilder aus dem Inneren des Krankenhauses zeigen blutende Kinder, eingestürzte Decken und zerstörte Operationssäle.
Wenige Stunden nach dem Angriff auf das Kinderkrankenhaus wurde bekannt, dass auch eine Entbindungsstation in Kiew durch herabfallende Trümmer beschädigt wurde, wobei vier Menschen getötet und drei verletzt wurden. Der ukrainische Philosoph Wolodymyr Jermolenko fasste die Stimmung in Kiew zusammen: "Russland greift die Schwächsten an: krebskranke Kinder in Kiews größtem Kinderkrankenhaus, ein Entbindungsheim in Kiew mit Neugeborenen … Es ist ein russischer Krieg gegen das Leben selbst."
Während die Rettungsbemühungen fortgesetzt wurden, wurden die betroffenen Kinder in nahegelegene Krankenhäuser evakuiert. Dort wird ihre Behandlung weitergeführt. Begleitet vom Summen der tragbaren Infusionspumpen und dem Heulen neuer Luftschutzsirenen wurden sie in wartende Krankenwagen gebracht, schreibt der "Guardian". Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte die Unterstützung bei der Versorgung von kranken Kindern durch Deutschland zu.
Laut dem International Rescue Committee wurden seit Beginn der Invasion mehr als 1.700 medizinische Einrichtungen in der Ukraine getroffen. Die Auswirkungen dieser Angriffe auf das Gesundheitssystem des Landes sind verheerend. Die brutalen Angriffe auf medizinische Einrichtungen hinterlassen eine tief erschütterte Bevölkerung und rufen wütende Forderungen nach verstärkter Luftabwehr hervor.
Bei den Attacken auf Kiew und Dnipro waren mehr als drei Dutzend Menschen getötet und über 140 verletzt worden. Nach Angaben der Militärverwaltung starben in der Hauptstadt mindestens 27 Menschen, unter ihnen drei Kinder, 82 Menschen wurden verletzt. In Dnipro wurden offiziell elf Tote und 59 Verletzte gemeldet.
Nach den jüngsten russischen Raketenangriffen auf ukrainische Städte mit Dutzenden Todesopfern steht Moskau einmal mehr am Pranger der internationalen Gemeinschaft. Der UN-Weltsicherheitsrat will sich in einer Dringlichkeitssitzung mit den Angriffen befassen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, verurteilte die russischen Raketenangriffe und forderte, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.