"Ein Bürgerkrieg ist unausweichlich", kommentiert der reichste Mann der Welt, Elon Musk, die Krawalle in Großbritannien auf seiner eigenen Plattform X. Ein Video zu den Ausschreitungen in Birmingham geht mithilfe seiner 192 Millionen Follower viral.
Tagelang wütet der rechtsextreme Mob und Musk mischt kräftig mit. Für ihn steht fest: Schuld seien die britische Migrationspolitik und die gefährlichen, männlichen Ausländer, die im Königreich leben.
Emotionale Videos schwämmen Social Media gewürzt mit Falschmeldungen und Musk springt auf die Welle auf, anstatt der Flut aus Gewalt und Desinformationen entschieden entgegenzutreten.
Im Gegenteil: "Der milliardenschwere Besitzer einer Technologieplattform stellt sich öffentlich gegen einen gewählten Regierungschef und nutzt seine Plattform, um dessen Autorität zu untergraben und zu Gewalt aufzurufen", warnt die Reporterin Carole Cadwalladr in ihrem Meinungsstück für die britische Zeitung "Observer".
Dabei begann alles mit einer Falschmeldung: In Southport attackiert ein 17-Jähriger mehrere Menschen in einer Tanzschule – drei Kinder sterben. Schnell verbreitet sich auf Social Median die Information, der Jugendliche sei Asylbewerber, Muslim und vergangenes Jahr mit dem Boot über den Ärmelkanal gekommen. Doch diese Info ist falsch.
Der mutmaßliche Täter ist im Vereinigten Königreich geboren, als Sohn von Einwanderer:innen. Die Falschinformation geht dennoch viral und heizt die Stimmung an. Über Tage hinweg gibt es gewaltvolle Randale in zahlreichen Städten. Dabei kommt es zu Angriffen auf Sicherheitskräfte, Unterkünfte für Asylbewerber:innen und auf Moscheen und Läden.
Hunderte Menschen, die auf der Straße randalieren oder im Internet zu Gewalt aufrufen, wurden bisher festgenommen. Britische Politiker:innen gehen einen Schritt weiter und rufen zum Boykott von X auf. Sie fordern die Regierung auf, einen Haftbefehl gegen den Tech-Milliardär Musk zu beantragen.
Laut Cadwalladr zeigt der Vorfall in Großbritannien, wie schnell sich ein "ansteckender, unkontrollierter Rassismus" über verschiedene Plattformen im Internet verbreiten kann. Sie warnt die USA: Schaut hin, das könnte auf euch zurollen – nur schlimmer.
In Großbritannien explodiere extremistische politische Gewalt darin, "dass jemand einen Ziegelstein trägt und ein Stuhlbein wirft", meint Cadwalladr. Aber in den USA darf so gut wie jeder Schusswaffen besitzen. Einige US-Amerikaner:innen sind bis zu den Zähnen bewaffnet; es gibt echte Milizen.
"Unabhängig davon, wie gut Harris in den Umfragen abschneidet, steht Amerika vor einem besonders gefährlichen Moment, egal wer die Wahl gewinnt", prophezeit die Reporterin. Dabei geht von einer Person laut ihr eine besonders große Gefahr aus: Elon Musk.
Cadwalladr fordert die USA auf, Musks Reaktion auf die Proteste in Großbritannien als Warnung zu sehen. Vor allem die Demokraten, denn Musk ist mittlerweile ein großer Befürworter des Republikaners Donald Trump und seiner Agenda.
Die investigative Journalistin drängt die USA dazu, sich mit Musk auseinanderzusetzen:
Das Szenario sei buchstäblich drei Monate entfernt. Im November finden die US-Wahlen statt, ein Duell zwischen Kamala Harris und Trump. Die Republikaner und ihre einflussreichen Freunde wie Musk untergraben mehr und mehr das Vertrauen in die Medien.
Jahrelange haben republikanische Kräfte laut Cadwalladr das gesamte Thema "Fehlinformation" erfolgreich politisiert. Sie behaupten, man würde konservative Stimmen im Land zum Schweigen bringen. Trump richtet etwa immer wieder den Fokus auf den sogenannten "Deep State", der hinter den Kulissen alles heimlich lenke. Sprich, es gäbe angeblich illegale oder geheime Machtstrukturen innerhalb des Staates.
Twitter, jetzt X, habe unter Musk mindestens die Hälfte seines “Trust and Safety”-Teams, auf Deutsch "Vertrauens- und Sicherheitsteams" entlassen, meint Cadwalladr. "Aber das haben auch alle anderen uns bekannten Tech-Unternehmen getan." Tausende von Mitarbeiter:innen, die zuvor damit beschäftigt waren, um Fehlinformationen aufzuspüren, wurden von Meta, TikTok, Snap und Discord entlassen, führt die Reporterin aus.
"Erst vergangene Woche hat Facebook eines seiner letzten verbliebenen Transparenz-Tools, 'CrowdTangle', abgeschaltet", kritisiert sie. Dabei sei das Tool entscheidend gewesen, um zu analysieren, was "in den dunklen Tagen vor und nach der Amtseinführung 2020" online passierte.
Zur Erinnerung: Damals verlor Trump die Wahl gegen Joe Biden und er verbreitete die haltlose These der "gestohlenen Wahl". Darauf stürmten seine Anhänger:innen gewaltsam das US-Kapitol.
Musk habe die Maske abgelegt. "Er hat gezeigt, dass man sich nicht mehr um Fehlinformation, die zu gewaltsamen Protesten führen, scheren muss", meint sie. Im Gegenteil: In Musks Welt sei Vertrauen gleich Misstrauen und Sicherheit gleich Zensur. Die düstere Warnung der britischen Journalistin: "Sein Ziel ist Chaos. Und es rollt auf uns zu."
Er selbst sagt zu den Vorwürfen von Cadwalladr auf seiner Plattform X: "Comically unhinged." Sprich, er findet den Artikel zum Lachen "lächerlich und verstörend".