Es ist der wohl größte Leak seit Wikileaks von Julian Assange. Die Veröffentlichung der Geheimdokumente, die sich unter anderem um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine drehen – aber auch Details zu möglichen Ausspäh-Aktionen gegen befreundete Staaten der USA beinhalten.
Jetzt hat die Bundespolizei FBI einen Verdächtigen im Bundesstaat Massachusetts festgenommen. Der 21-jährige Jack T. soll selbst Militärangehöriger sein. Was bisher über den Verdächtigen bekannt ist – und was ihm nun blüht, hat watson für euch zusammengefasst.
Jack T. sei in Verbindung mit der "unbefugten Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen" in Gewahrsam genommen worden, sagte US-Justizminister Merrick Garland in Washington. US-Medien hatten zuvor erste Details über den mutmaßlichen Maulwurf in Umlauf gebracht.
Der Mann soll eine Chat-Gruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord geleitet haben. Er habe die brisanten Unterlagen zunächst als Abschriften mit der Gruppe geteilt und dort später Fotos von ausgedruckten Dokumenten hochgeladen.
Schon seit Wochen kursieren im Internet geheime Dokumente von US-Stellen – angeblich vom Nachrichtendienst CIA und vom Pentagon – zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Informationen zu Waffenlieferungen, Einschätzungen zum Kriegsgeschehen, aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner.
Unklar ist, was davon authentisch ist und was möglicherweise bearbeitet worden sein könnte. Ein Sprecher des Pentagon bezeichnete die Veröffentlichung von Verschlusssachen als "vorsätzlich kriminelle Handlung".
Die "Washington Post" legte kurz vor der Festnahme bereits umfangreiche Details über den mutmaßlichen Maulwurf offen, den manche "OG" nannten. In dessen Chat-Gruppe hätten sich rund zwei Dutzend junge Leute mit Vorliebe für Waffen und Militärausrüstung zusammengeschlossen.
Die Runde habe sich 2020 während der Corona-Pandemie gegründet. "OG" wurde dort beschrieben als charismatischer Waffennarr mit düsteren Ansichten über die US-Regierung, die Geheimdienste und die Strafverfolgungsbehörden. "OG" habe der Gruppe erzählt, dass er auf einem Militärstützpunkt, wo er arbeitete, an die Dokumente gelangt sei.
Dort habe er laut eigener Darstellung Teile des Tages in einer abgesicherten Einrichtung verbracht. Dort seien Mobiltelefone und andere elektronische Geräte verboten gewesen, mit denen Fotos oder Videos gemacht werden können. Daher habe er die Dokumente zunächst abgeschrieben. Über den gesamten Winter habe er so in der Gruppe seine Posts abgesetzt.
Als sich das Abschreiben als zu mühsam erwies, begann er laut der Zeitung, Bilder zuvor ausgedruckter Papiere zu posten – und ging dabei offensichtlich auch ein großes Risiko ein, ertappt zu werden, weil solche Bilder Fahndern Hinweise gaben.
Die "New York Times" schrieb, Details der Inneneinrichtung aus dem Elternhaus des 21-Jährigen, die auf Familienfotos in sozialen Medien veröffentlicht worden seien, stimmten mit Details am Rand einiger Fotos der veröffentlichten Geheimdokumente überein.
Die Festnahme des 21-Jährigen durch das FBI erfolgte am Donnerstag gegen 14.30 Uhr (Ortszeit) vor einem Wohnhaus in North Dighton, einem Ort zwischen Boston und Providence im Osten der USA. Der TV-Sender CNN zeigte Videoaufnahmen von der Festnahme.
Die Festnahme sei ohne Zwischenfälle erfolgt und die Polizei führe weiter Ermittlungen in dem Haus durch, teilte das FBI mit. Seit Ende vergangener Woche seien die Ermittlungen intensiv vorangetrieben worden. US-Medien hatten kurz vor Ostern erstmals über das Leck berichtet, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erfuhr nach eigenen Angaben erst zu diesem Zeitpunkt von dem Datenleck – obwohl das Material da schon wochenlang im Netz umherging. Danach rotierte die Regierung, um Partner zu besänftigen und vor allem, um die undichte Stelle zu finden. Das Justizministerium leitete Ermittlungen ein, die nun zu der Festnahme führten.
Justizminister Merrick Garland sagte, der Festgenommene müsse nun vor einem Gericht in Massachusetts erscheinen. Verstöße gegen das US-Spionagegesetz können je mit bis zu zehn Jahren Haft geahndet werden.
Über die Motivation gibt es noch kein klares Bild, auch der Justizminister nannte keine Details. Feindselig gegenüber der US-Regierung sei "OG" trotz seiner düsteren Ansichten nicht gewesen, schrieb die "Washington Post" unter Berufung auf Menschen aus seinem Umfeld. Er sei nach Überzeugung der Chat-Nutzer auch kein russischer oder ukrainischer Agent gewesen.
Ihm sei es wohl darum gegangen, "vor seinen Freunden zu prahlen", aber auch darum, sie zu informieren, sagte ein Mitglied der Gruppe.
(rs/mit dpa)