Als die AfD vor mehr als zehn Jahren erstmals zur Bundestagswahl antrat und dabei noch am Einzug ins Parlament scheiterte, dürften nur die wenigsten deren anschließenden Aufstieg geahnt beziehungsweise gefürchtet haben. Mittlerweile kommt die rechtspopulistische Partei in Umfragen nicht nur auf knapp 20 Prozent, sie geht aktuell auch auf Tuchfühlung mit einigen Mächtigen in den USA.
Während Tech-Milliardär Elon Musk dabei sogar schon bis zu einem Gastbeitrag in der "Welt" gelockt wurde, versuchte sich anschließend auch der designierte Vize-Präsident auf die Bildfläche zu drängen, scheint er doch schließlich zuletzt deutlich weniger Aufmerksamkeit zu bekommen als der Tesla-Chef.
Nach einem kleinen Lob für Musks "Welt"-Artikel stellt JD Vance auf X eine krude These auf: "Interessant ist, dass die amerikanischen Medien die AfD als 'Nazi-lite' verunglimpfen. Aber die AfD ist in denselben Regionen Deutschlands am beliebtesten, in denen am meisten Widerstand gegen die Nazis geleistet wurde."
Klingt kompliziert? Ist es auch: Denn die Zusammenhänge sind schlichtweg falsch.
Die "Deutsche Welle" hat für einen Faktencheck den kompletten Tweet von Vance auseinandergenommen. Demnach stimmt es zwar zunächst, dass amerikanische (und auch deutsche) Medien AfD-Politiker:innen und die Partei an sich mitunter mit den Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg vergleichen.
Hintergrund sind jene Aussagen, die zum Teil auch dazu führten, dass der Bundesverfassungsschutz die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachtet. Beispiel: Alice Weidel nannte den Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus (8. Mai) einst den "Tag der Niederlage".
Wichtig ist jedoch der zweite Teil der Aussage, in dem der US-Republikaner die politische Situation der 1930er-Jahre mit den aktuellen politischen Sympathien in Verbindung bringt. Expert:innen warnen ohnehin vor derartigen Vergleichen, weil nicht nur die Parteien, sondern vor allem auch die ökonomische Lage heute eine komplett andere ist.
Dennoch ist die Behauptung, dass Regionen mit einer starken AfD-Nähe früher besonderen Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hätten, schlichtweg falsch. Wahlergebnisse von 1932 zeigen, dass damals in beinahe allen Regionen Deutschlands die NSDAP zur stärksten Kraft gewählt wurde. Diese Wahlen wurden als letzte freie Wahlen vor der Machtübernahme Adolf Hitlers bezeichnet.
Nun könnte man behaupten, dass der Widerstand gegen die Nationalsozialisten erst später wuchs und damit nicht in den Wahlergebnissen ablesbar ist. Zu derartigen Vermutungen gibt es allerdings keinerlei belegbare Fakten.
Was stimmt, ist, dass die AfD nach wie vor besonders hohe Zustimmung in den Bundesländern im Osten erhält, die bis vor 35 Jahren zur DDR gehörten. Untersuchungen gehen hier aber eher in die entgegengesetzte Richtung von Vance' Behauptung.
Wie etwa eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität in München zeigt, gab es in den Regionen der ehemaligen DDR auch 1933 eine vergleichsweise hohe Wahlunterstützung für die NSDAP gegeben. "Falsch wäre es da von einer Kausalität zu sprechen", betont dennoch Felix Hagemeister, Co-Autor der Studie. Auch in Westdeutschland stimme der Vergleich vielerorts überein.
Tatsächlich forschen Wissenschaftler:innen aktuell eher zu möglichen politischen Affinitäten durch die Weitergabe von Werten innerhalb der Familie. Der Aufstieg der AfD lässt sich aber wohl auch schlichtweg mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus begründen.