Beim altehrwürdigen "Economist" sind bereits erste Anzeichen von Panik auszumachen. Joe Biden und die Demokraten seien im Begriff, in eine fatale Wahlniederlage zu schlafwandeln, warnt das Magazin in seiner jüngsten Ausgabe und nennt dafür Gründe:
Ferner bemängelt der "Economist", die Demokraten hätten keinen Plan B. Derzeit treten nur chancenlose Kandidaten gegen den Präsidenten an. Selbst ein Rücktritt Bidens wäre keine Lösung mehr. Er würde den Weg freimachen für Kamala Harris. Damit kämen die Demokraten vom Regen in die Traufe. Die Vize-Präsidentin ist noch unpopulärer als ihr Boss und hat sich vor vier Jahren als lausige Wahlkämpferin erwiesen.
Bidens Schwächen sind mittlerweile sattsam bekannt. Er ist zu alt und wirkt greisenhaft. Es ist ihm bisher nicht gelungen, die chaotische Situation an der Grenze zu Mexiko in den Griff zu bekommen. Seine Wirtschaftspolitik, die Bidenomics, ist noch nicht ins Bewusstsein der Menschen gedrungen. Johnny Sixpack, also Otto-Normalbürger:innen, starrt immer noch auf die Preise von Eiern und Benzin und findet diese zu hoch.
Derweil macht es den Eindruck, als würde Trump einmal mehr seinem Ruf als "Teflon-Präsident" gerecht werden. Obwohl nicht weniger als vier Strafprozesse mit insgesamt 91 Anklagepunkten gegen den Ex-Präsidenten hängig sind, schaden ihm diese bisher nicht. Im Gegenteil: In Umfragen legt er gerade deswegen sogar zu und steht als Präsidentschaftskandidat der Republikaner de facto fest.
Auch Trumps zunehmend faschistische Rhetorik hinterlässt keine negativen Spuren. Seine Anhänger finden es großartig, wenn er seine Gegner als "Ungeziefer" beschimpft, den Einwanderern unterstellt, sie würden "das Blut des Landes verunreinigen", und damit prahlt, bei einem Wahlsieg werde er "Diktator für einen Tag". Die unabhängigen Wählerinnen und Wähler nehmen diese Ausfälle mit einem Achselzucken zur Kenntnis und legen sie mit einem "Trump ist halt so" ad acta.
Ist somit das Jahr 2024, kaum hat es begonnen, bereits auf bestem Weg, zu einem Annus horribilis zu werden, wie die verstorbene britische Queen Elizabeth II. sich ausgedrückt hätte? Befinden sich die USA unausweichlich auf einem Pfad in ein autoritäres System, und wird deswegen die liberale Weltordnung zusammenkrachen? Können Putin, Xi und die iranischen Ayatollahs bereits den Champagner kalt stellen?
So weit ist es zum Glück noch nicht. Es gibt auch gute Gründe, weshalb Biden die Kurve noch kriegen kann. Hier sind ein paar davon:
Ja, die Lage ist ernst, die Gefahr, dass die "Mutter aller Demokratien" sich Schritt für Schritt in ein christlich-nationalistisches Monster verwandelt, ist real. Doch vergessen wir nicht: Die USA stehen nicht zum ersten Mal am Rande eines Abgrundes. Sie haben einen äußerst blutigen Bürgerkrieg überstanden, den Ku-Klux-Klan überwunden, der faschistischen Versuchung in den Dreißigerjahren widerstanden, den absurden Anti-Kommunismus der McCarthy-Ära besiegt und das Chaos der Vietnamjahre überlebt.
Stets haben in Krisen die "better angels", wie sich Präsident Abraham Lincoln einst ausgedrückt hatte, die Oberhand behalten. Die Chancen, dass sich auch diesmal die besseren Engel durchsetzen werden, sind durchaus intakt.