"Lieber Olaf, welche Partei stellt eigentlich den Kanzler?", fragt Philipp Türmer bei seiner Rede auf dem Bundeskongress der Jungsozialist:innen. Die SPD-nahe Jugendorganisation trifft sich an diesem Wochenende in Braunschweig. Auf dem Programm steht neben diversen Anträgen und der Wahl ihrer Europakandidierenden auch die Wahl für den Bundesvorsitz. Die bisherige Vorsitzende Jessica Rosenthal tritt nicht erneut an. Stattdessen buhlen Philipp Türmer und Sarah Mohamed um die Stimmen ihres Verbandes.
Und beide nehmen in ihren Bewerbungsreden kein Blatt vor den Mund. Klar ist: Die Jusos sind sauer. Auf die Ampel, auf den Rechtsruck, auf den Kapitalismus und auf den Kanzler. Mit Olaf Scholz (SPD) gehen die beiden Kandidat:innen besonders hart ins Gericht.
Die Wurzel allen Übels, stellt Mohamed in ihrer Rede klar, ist der Kapitalismus. Denn er sei es, der Hass, Unterdrückung und das Patriarchat stütze. Das kapitalistische System, meint sie, hat das Potenzial, unsere Lebensgrundlage zu zerstören. Statt aber das Problem bei der Wurzel zu packen, sei aktuell zu beobachten, wie auf Schutzsuchende draufgehauen würde. Und nicht nur AfD und Union stützten diesen Rechtsruck. Vielmehr sei er mittlerweile auch in Teilen bei SPD und Grünen angekommen.
Die Schutzsuchenden würden zum Sündenbock gemacht. Dabei seien an Wohnraummangel, kaputtgesparter Infrastruktur und verarmten Kommunen nicht die Schutzsuchenden schuld. Mohamed richtet ihr Wort direkt an Kanzler Scholz und Innenministerin Nancy Faeser: Gegen kaputtgesparte Kommunen helfe keine rassistische Hetze. Sie fordert stattdessen Entlastungen für die Kommunen und das Abschaffen der Schuldenbremse.
Die aktuelle Politik der SPD sei der Sozialdemokratie unwürdig. Für Mohamed ist klar, dass sich die Jusos in Zukunft von der SPD emanzipieren müssen. So will sie die SPD antreiben, wieder sozialdemokratische Politik zu machen.
Eine Forderung, die ihr Konkurrent Türmer sicherlich teilt. Die AfD, macht er klar, ist kein ostdeutsches Phänomen. Stattdessen sei die Rechtsaußenpartei mittlerweile ein gesamtdeutsches Problem. Die Ampel habe es in den vergangenen beiden Jahren nicht geschafft, Ungleichheit zu beenden und gerechtere Verhältnisse zu schaffen.
Und das, obwohl aus seiner Sicht die Sozialdemokratie das einzige ist, das zwischen Demokratie und Faschismus stehen könne. Denn Demokratie brauche Gleichheit und Solidarität – beidem stehe aber der Kapitalismus entgegen.
"Kapitalismus entfremdet die Menschen von der Demokratie", stellt Türmer fest und fährt fort: "Das ist ein bitteres Armutszeugnis für die SPD". Denn die Menschen wendeten sich von der Partei ab, obwohl sie nun nach 16 Jahren endlich wieder an der Spitze der Regierung stünde. Vom Respektkanzler keine Spur. Bei der Bundestagswahl 2021 war Olaf Scholz mit dem Slogan "Respekt" angetreten.
Türmer sagt:
Andernfalls, macht Türmer deutlich, könne es Scholz vergessen, dass die Jusos beim kommenden Wahlkampf erneut Plakate kleben. Türmer verdeutlicht sein Problem mit der aktuellen Verteilung: "Es gibt 266 Milliardäre und 2,9 Millionen arme Kinder. Beides hängt zusammen."
Türmer könne nicht verstehen, warum die FDP so viel Macht bekomme – und so stark Steuer- und Verteilungspolitik für ihre Klientel durchsetzen könne. Auch er fordert, die Schuldenbremse zu kippen.
Die Bundesregierung müsse nun anfangen, die Fragen der Zeit zu klären, statt Polemik zu betreiben. Damit geht Türmer auch auf das "Spiegel"-Interview mit Scholz ein, in dem er schnellere Abschiebungen forderte. Türmer stellt klar: Die Abschiebedebatte ist schief und hilft Kommunen nicht. "Traut euch endlich wieder sozialdemokratische Politik zu machen und hört auf, die Werte dieser Bewegung zu verraten", richtet er seinen Appell an Scholz und Innenministerin Faeser.
Letztlich entschieden sich die Jungsozialist:innen für Philipp Türmer vom Juso-Landesverband Südhessen. 162 Stimmen konnte der Offenbacher auf sich vereinigen. Sarah Mohamed unterlag mit 132 Stimmen. Insgesamt stimmten 299 Jusos ab, eine Stimme war ungültig.