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Verschwörungsmythen und AfD: Wie "Omas gegen Rechts" die Demokratie verteidigen

Die "Omas gegen Rechts" sind bei fast jedem Protest gegen Rechte und Verschwörungstheoretiker:innen in Berlin dabei.
Die "Omas gegen Rechts" sind bei fast jedem Protest gegen Rechte und Verschwörungstheoretiker:innen in Berlin dabei.Bild: imago images / Achille Abboud
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"Omas gegen Rechts": Mit guter Laune gegen Verschwörungsmythen und die AfD

05.06.2024, 18:38
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Spätestens seit der Correctiv-Recherche zu dem Geheimtreffen von Rechtsextremist:innen in Potsdam ist den meisten Menschen bewusst, wie groß die Gefahr von Rechts ist. Eine Welle an Großdemonstrationen ging Anfang des Jahres durchs Land, selbst Menschen, die noch nie zuvor demonstriert hatten, gingen auf die Straße.

Längst ist der Demo-Hype wieder abgeebbt. Im April ist zudem eine Studie erschienen, die auch der jungen Generation (14 – 29 Jahre) einen Rechtsruck attestiert.

Was also nachhaltig tun gegen eine AfD, die immer mehr Zustimmung erhält? Gegen Schwurbler:innen mit rechtspopulistischen Tendenzen und Neonazis, die gegen Migrant:innen hetzen? Die Frauenbewegung "Omas gegen Rechts" versucht, wie viele, eine Antwort darauf zu finden.

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Mittlerweile setzen sich in der Bewegung etwa 35.000 Frauen in Deutschland für Demokratie und gegen rechts ein. Die zivilgesellschaftliche Initiative ist parteiunabhängig und besteht aus politisch aktiven Frauen, die, wie der Name schon andeutet, im Renten-Alter sind.

Sie sind basisdemokratisch organisiert, nehmen an Großdemonstrationen teil oder melden selbst verschiedene Proteste an. Es gibt kaum Veranstaltungen, auf denen die "Omas" nicht vertreten sind. Für ihr Engagement wird die Bewegung dieses Jahr nun auch mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet, wie kürzlich bekannt wurde.

Die Frauen investieren viel Zeit und Motivation in die politische Arbeit. Und sie klären auf, zum Beispiel über die AfD oder die Europawahl.

Protestaktion gegen Rechte und Verschwörungstheoretiker in Berlin

So auch an einem Donnerstagabend in Berlin: Zwei Frauen um die 70 Jahre versuchen eine Leine mit ausgedruckten Plakaten der Aktion "AfDnee" zwischen Fahrrädern aufzuspannen, doch der Wind ist zu stark. Einige der Zettel fliegen weg. "Aber wir sind wetterfest", sagt eine von ihnen. Vom Wind lassen sich die Frauen nicht vertreiben.

Zehn "Omas gegen Rechts" stehen an diesem Tag vor dem ehemaligen Flughafengelände Tempelhofer Feld und verteilen unterschiedliche Flyer: einige für die Europawahl am 9. Juni, andere mit Argumenten gegen die AfD.

Der eigentliche Grund, warum sich die "Omas gegen Rechts" der Stadtteil-Gruppe "Kreuzkölln" jeden dritten Donnerstag im Monat am Tempelhofer Damm in Berlin treffen, ist ein Gegenprotest. Auf dem grünen Mittelstreifen der vierspurigen Straße versammeln sich dort nämlich "Schwurbler:innen", wie die "Omas" sie nennen.

Die Gruppierung sei Putin-nah und rechtspopulistisch. Menschenhalten ein Banner hoch, auf dem "Frieden schaffen ohne Waffen" steht. "Das tut mir als alte Friedensaktivistin besonders weh", sagt die 71-jährige Birgit. "Das Banner kann ich mir nicht anschauen."

Das Friedensbanner der Protestierenden gefällt den "Omas" gar nicht.
Das Friedensbanner der Protestierenden gefällt den "Omas" gar nicht.Bild: watson / Jacqueline Kamp

Gegen den Rechtsruck: einmal Aktivistin, immer Aktivistin

Viele der "Omas gegen Rechts" seien schon früher politisch aktiv gewesen, erzählen Birgit und Gabi, während sie Flyer verteilen. Der Konflikt- und Protestforscher Johannes Maria Becker bestätigt auf watson-Anfrage, dass diese Generation der Frauen auch die Emanzipation der späten 60er-Jahre vorangetrieben und bei ihnen mitgewirkt habe.

Das gilt aber nicht für alle Frauen bei den "Omas gegen Rechts". Birgit meint, viele neue Mitglieder seien nie politisch aktiv gewesen, engagierten sich aber seit der Correctiv-Recherche bei der Bewegung. Auch Becker kann sich vorstellen, dass die Enthüllungen für viele schockierend gewesen seien und so für neuen Schwung gesorgt haben könnten.

"Die Thematik ist aber so schwierig, dass ich dann auch manchmal ein nazifreies Wochenende brauche."
Birgit von den "Omas gegen Rechts"

Birgit selbst ist schon länger bei den "Omas": seit September 2020. Die zunehmende Entwicklung nach rechts habe sie mehr und mehr beunruhigt, erzählt sie. Ihr hat es nicht mehr gereicht, allein auf Demos zu gehen – deshalb schloss sie sich der Bewegung der älteren Frauen an.

Als Teil der Arbeitsgemeinschaft Medien bei den "Omas gegen Rechts" in Berlin ist sie verantwortlich für den Instagram-Kanal, schreibt einen internen Newsletter und andere Publikationen. So könne die ehrenamtliche politische Arbeit schnell mal 20 Stunden die Woche, wenn nicht mehr, einnehmen, sagt sie und fügt hinzu: "Die Thematik ist aber so schwierig, dass ich dann auch manchmal ein nazifreies Wochenende brauche."

"Omas gegen Rechts" wollen mit guter Laune in den Dialog kommen

Gegen die "Nazis", wie Birgit sie nennt, und alles, was in die Richtung geht, setzen sich die "Omas gegen Rechts" nämlich ein. Hauptberuflich sozusagen, denn die meisten von ihnen sind in Rente. Auf ihrer Internetpräsenz heißt es, dass die Bewegung gegen rechtspopulistische Strömungen, Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungsideologien, Anti-Feminismus sowie Hass und Hetze einsteht.

Letzteres schlägt ihnen immer häufiger selbst entgegen. Wie eine der Frauen am Tempelhofer Feld berichtet, reagieren manchmal Menschen mit einem Mittelfinger, wenn sie an ihnen vorbeigehen. Die meisten würden ihnen aber positiv oder zumindest respektvoll begegnen. Das liege wahrscheinlich auch daran, dass sie ältere Frauen sind.

Außerdem würden die Aktivistinnen sehr auf ihre Sicherheit achten, erzählt Birgit. "Wir versuchen immer viele, mindestens drei zu sein, wenn wir eine Aktion machen. Und wir haben immer ein Lächeln auf dem Gesicht." Sie würden keine Aggression provozieren wollen.

Auch beim Verteilen der Flyer haben die Frauen die ganze Zeit gute Laune. Sie sprechen offen mit Passant:innen und miteinander. Den "Omas" gehe es bei solchen Aktionen nämlich vor allem darum, Präsenz zu zeigen und in den Dialog mit Menschen zu kommen.

Die "Omas gegen Rechts" zeigen: Hier enden die Verschwörungsmythen.
Die "Omas gegen Rechts" zeigen: Hier enden die Verschwörungsmythen.Bild: watson / Jacqueline Kamp

Birgit und zwei andere Frauen stellen sich, während die anderen weiter Flyer verteilen, dicht hinter die "Schwurbler:innen" auf dem Mittelstreifen des Tempelhofer Damms. Und zwar mit einem Schild, auf dem das Wort "Verschwörungsmythen" auf gelben Hintergrund rot durchgestrichen ist – ähnlich eines Ortsausgangsschildes. Begeistert kommen sie zurück und Birgit berichtet gut gelaunt:

"Gerade sind mehrere Leute, die hier in der Nähe wohnen, zu uns gekommen und haben sich dafür bedankt, dass wir hier stehen und dagegenhalten."

Birgits Mitstreiterin Gabi hat währenddessen mit vielen jungen Menschen gesprochen und ihnen erklärt, warum die AfD nicht wählbar ist. Der Dialog ist heute also geglückt. Und das freut Birgit: "Wir wünschen uns, dass mehr Menschen in den Dialog kommen, denn 'nie wieder ist jetzt' ist nicht nur eine Parole."

Und nach einigen Gegenprotest-Donnerstagen können die Frauen noch auf etwas anderes stolz sein: "Mittlerweile haben wir die hier fast vertrieben mit unserer Präsenz", sagt Birgit.

"Omas gegen Rechts": Die Zeiten des Steinewerfens sind vorbei

Die "Omas gegen Rechts" sind nicht nur erfolgreich mit ihren kleinen Aktionen. Protestforscher Johannes M. Becker vermutet, dass die Frauenbewegung einen mobilisierenden Einfluss auf die Gesellschaft hat. Ganz nach dem Motto: "Ja, wenn die Omas mit auf die Straße gehen – dann muss es eine breite, wichtige, akzeptable Bewegung sein, bei der ich nicht abseitsstehen sollte."

Mehrere der "Omas" erzählen auch, dass das ihre Hauptmotivation sei. Sie wollten sich von ihren Enkelkindern und den jüngeren Generationen nicht vorwerfen lassen, nichts gegen den Rechtsruck getan zu haben.

Omas gegen Rechts vor Tempelhofer Feld Eingang.
Zwei der "Omas gegen Rechts" vor dem Eingang des Tempelhofer Felds bei einer Protestaktion.Bild: watson / Jacqueline Kamp

Nach anderthalb Stunden beenden die Frauen ihren Gegenprotest vorm Tempelhofer Feld. Die Flyer sind fast alle verteilt; die restlichen packen sie auf ihre Fahrräder und verabschieden sich voneinander. Sie sind zufrieden mit dem Kontakt zu den Bürger:innen und erleichtert, dass es diesmal keine Anfeindungen gab.

Eine von ihnen resümiert: "Na ja, von uns alten Frauen geht ja auch keine Gefahr mehr aus. Das mit dem Steinewerfen liegt hinter uns." Birgit fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: "Darauf kann ich persönlich keine Garantie geben. Das hängt ganz davon ab, was in den nächsten Jahren noch so auf uns zukommt."

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